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17.05.2024

15.06.2023

Polymer-Rheologie und Molekularmasse

Claire Strasser , NETZSCH Gerätebau GmbH

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Extrusion, Spritzgießen und Formpressen sind Verfahren, die abhängig von der Viskosität, d.h. dem Fließwiderstand eines Materials, sind. Die Viskosität beeinflusst nicht nur die Verarbeitung, sondern auch die mechanischen Eigenschaften des Endprodukts. Insbesondere Molekularmasse und Viskosität stehen in engem Zusammenhang.

Im Folgenden wurden drei unterschiedliche Polyetheretherketon(PEEK)-Materialien anhand von Oszillationsmessungen mit dem Rotationsrheometer Kinexus klassifiziert.

Messbedingungen

An drei mit PEEK 1, PEEK 2 und PEEK 3 bezeichneten Materialien wurden Frequenzsweepmessungen durchgeführt. Die auf die Probe ausgeübte Deformation muss so gering sein, dass die Probenstruktur nicht zerstört wird, damit die Messung innerhalb des linearen viskoelastischen Bereichs (LVR) durchgeführt wird. Die LVR-Grenze wurde anhand eines Amplitudensweeps bestimmt (nicht dargestellt). Die Tabelle fasst die Messbedingungen der Frequenzsweeps der Oszillationsmessungen für die drei PEEK-Proben zusammen.

Messbedingungen und Definitionen

Vom Frequenzsweep zur Molekularmasse

In Abbildung 1 sind die Kurven des elastischen und viskosen Schubmoduls zusätzlich zum Phasenwinkel während des Frequenzsweeps an Material PEEK 1 dargestellt. In Richtung niedrige Frequenzen dominiert der Verlustschubmodul (G'') den elastischen Schubmodul (G'), was einen Phasenwinkel (δ) von über 45° zur Folge hat.

Frequenzsweep PEEK 1
Abb. 1. Frequenzsweep von PEEK 1
Definitionen:
G*: Komplexer Schubmodul, |G*| [Pa], G': Speicherschubmodul, elastischer Beitrag zu G* [Pa]
G": Verlustschubmodul, viskoser Beitrag zu G* [Pa], δ: Phasenwinkel [°]

Die G'- und G"-Kurven schneiden sich bei einer Frequenz von 15 Hz. Hier wechselt das Material von einem überwiegend viskosen Zustand, in dem die Polymerketten Zeit für Platzwechselvorgänge und Entschlaufungen haben (niedrige Frequenzen), in einen elastisch dominierten Zustand, indem die Ketten verschlauft sind und sich z.T. sogar wie ein Netzwerk verhalten.

Abbildungen 2 und 3 zeigen den Frequenzsweep der PEEK-Proben 2 und 3 unter denselben Bedingungen. Die Ergebniskurven beider Materialien sind sehr ähnlich und weichen jedoch von der ersten Probe ab. Während der gesamten Messung dominiert der viskose Schubmodul, was einen Phasenwinkel über 45° zur Folge hat. In Richtung niedriger Frequenzen steigt der Phasenwinkel an und erreicht nahezu seinen maximalen Wert von 90°. Mit anderen Worten, bei niedrigen Frequenzen (oder langen Zeitskalen) verhält sich die Probe fast wie eine reine viskose Flüssigkeit ohne jegliche elastische Eigenschaften.

Frequenzsweep PEEK 2
Abb.2: Frequenzsweep PEEK 2

Frequenzsweep PEEK 3
Abb. 3: Frequenzsweep PEEK 3

Im gemessenen Frequenzbereich wurde kein Schnittpunkt zwischen G'und G'', der sogenannte Crossover, detektiert. Er ist jedoch bei höheren Frequenzen wahrscheinlich vorhanden, da sich die G'- und G"-Kurven mit zunehmender Frequenz annähern. Die Molekularmasse der Polymere steht in Zusammenhang mit der Lage des Übergangs. Je niedriger die Frequenz des Übergangs, desto höher die Molekularmasse. In diesem Fall hat PEEK 1 eine höhere Molekularmasse als PEEK 2 und PEEK 3.

Vom Plateau der Komplexen Scherviskosität zur Molekularmasse

In Abbildung 4 ist die komplexe Viskosität (η*) aller drei Proben verglichen. Die Kurven von PEEK 1 und PEEK 2 sind nahezu parallel, beide erreichen ein Newtonsches Plateau im niedrigen Frequenzbereich und nehmen bei höheren Frequenzen ab. Das Niveau des Newtonschen Plateaus steht in Zusammenhang mit der Molekularmasse. Je höher die Molekularmasse, desto höher die Nullviskosität [1].

Vergleich komplexe Viskosität der 3 Materialen
Abb.4: Vergleich der komplexen Viskosität der 3 Materialen

Im Gegensatz dazu nimmt die komplexe Viskosität (η*) von Probe 1 mit abnehmenden Frequenzen weiter zu und das Newtonsche Plateau ist bei einer Frequenz von 0,01 Hz noch nicht erreicht. Darüber hinaus zeigt dieses PEEK-Material über den gesamten gemessenen Frequenzbereich eine höhere komplexe Viskosität mit mehr als 1,5 Dekade Unterschied zu Probe 2 bei 0,01 Hz auf.

Aus dem Niveau des Scherviskositätplateaus aller drei Proben lässt sich schließen, dass PEEK 1 im Vergleich die höchste Molmasse aufweist, gefolgt von PEEK 2 und PEEK 3.

Zusammenfassung

Das rheologische Verhalten dreier PEEK-Proben wurde mit dem Rotationsrheometer Kinexus bestimmt. Die Proben unterscheiden sich im Wert des Null-Plateaus der komplexen Scherviskosität, sowie in der Frequenz des G'/G''-Crossovers, was auf die Unterschiede in den Molmassen der Materialien zurückzuführen ist.

Literatur

[1] Rotational Rheology: Interpretation of Data by Application, Netzsch Application Book, Philip Rolfe, Application Books - NETZSCH Analyzing & Testing


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