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30.04.2024

27.04.2023

Material- und Schadensanalyse von Kunststoffbauteilen mittels DSC

Dr. Stefan Schmölzer , NETZSCH Gerätebau GmbH

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Bauteile aus Polymermaterialien sind weit verbreitet in allen Bereichen, wo es darum geht, Gewicht zu reduzieren und günstiger zu produzieren. Spritzgussbauteile aus thermoplastischen Kunststoffen sind seit Jahrzehnten im Automobilbereich im Einsatz, doch nach wie vor steigen die Anforderungen zur Gewichtsreduzierung moderner Fahrzeuge.

Speziell im Zuge der Entwicklung von Elektrofahrzeugen, welche einen Beitrag zur Minderung der CO2-Emissionen liefern, werden immer mehr Fahrzeugkomponenten aus leichten Materialien Anwendung finden.

Beim vermehrten Einsatz von Kunststoffen muss jedoch auf eine gleichbleibende Qualität und Stabilität der Bauteile geachtet werden. Dabei spielt die Materialanalyse eine wesentliche Rolle. Die mechanischen Eigenschaften von Bauteilen werden von vielen Prozessschritten maßgeblich beeinflusst.

So kann zum Beispiel durch eine nachträgliche Lackierung das Gefüge des Kunststoffteiles verändert werden, was im schlechtesten Fall zu einem Versagen des Teils unter Last führt. Daher ist es bereits am Anfang der Herstellungskette wichtig, für eine konstante Qualität der Ausgangsmaterialien zu sorgen. Dabei erweist sich die thermische Analyse, wie beispielswiese die dynamische Differenzkalorimetrie (DDK, engl. DSC Differential Scanning Calorimetry), als eine geeignete Methode.

Im konkreten Fall zeigte ein Gehäusebauteil, hergestellt aus glasfaserverstärktem Polyamid 6, beim Verbau mit Clipverbindungen Versprödung am Cliphaken. Bei der Montage des Teils kam es zum Bruch des Clips. Für solche Versagensfälle ist es entscheidend, dass alle Eventualitäten und Einflussfaktoren der Herstellungskette ausgeschlossen werden können.

Messergebnisse

Die DSC-Analyse eines schadhaften Teiles (niO) und eines Rückstellteiles ohne Beanstandung (iO) lieferte hier schnell Gewissheit. Die DSC-Kurven sind in Abbildung 1 dargestellt. Für die Analyse der Materialzusammensetzung werden immer die Kurven der 2. Aufheizung ausgewertet, da die thermische Vorgeschichte hier eliminiert ist. Das Rückstellbauteil (grüne Kurve) zeigt neben dem Glasübergang der Probe bei 50,9 °C das Schmelzen des Polyamid 6 als endothermen Effekt. Dieser Effekt liegt bei 221 °C (typisch für reines PA 6) und weist eine Schmelzenthalpie von 53,2 J/g auf. Das niO-Bauteil zeigt hingegen ein deutlich unterschiedliches Schmelzverhalten. Die Peaktemperatur liegt nur noch bei 215 °C und die Enthalpie beträgt 45,2 J/g.

DSC-Ergebnisse der 2. Aufheizung
Abb.1: DSC-Ergebnisse der 2. Aufheizung für das Bauteil iO (grüne Kurve) und das Bauteil niO (blaue Kurve)

Der vergrößert dargestellte Schmelzeffekt in Abbildung 2 weist zudem für das niO-Bauteil einen zweiten Peak bei 239 °C auf. Somit konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass es sich nicht mehr um das ursprüngliche Material handelt.

Ausschnitt der DSC-Ergebnisse
Abb.2: Ausschnitt der DSC-Ergebnisse aus Abbildung 1 vergrößert

Anhand der erhaltenen Messdaten kann man davon ausgehen, dass das schadhafte Bauteil nicht mehr aus reinem Polyamid 6 besteht, sondern um eine Mischung aus Polyamid 6 und Polyamid 66. Diese beiden Komponenten sind miteinander mischbar und bilden Mischkristalle, welche im Vergleich zu reinem PA 6 ein Eutektikum ausbilden können. Daher verschiebt sich auch die Schmelztemperatur von 221 °C (reines PA 6) zu 215 °C (PA 6 + PA 66). Der zusätzliche Peak bei 239 °C stellt eine Mischphase mit höherem PA 66 Anteil dar.

Diese Unterschiede sind nicht nur beim Aufheizen der Probe zu beobachten, sondern auch bei der Kristallisation der Probe während des Abkühlens. In Abbildung 3 sind die Abkühlkurven für die beiden Proben im direkten Vergleich dargestellt. Die Kristallisation ist in der DSC-Analyse als exothermer Effekt zu beobachten. Bei den beiden untersuchten Proben kann man ebenso wie beim Schmelzen einen deutlichen Unterschied in der Enthalpie feststellen.

DSC-Ergebnisse der Abkühlkurven
Abb.3: DSC-Ergebnisse der Abkühlkurven für das Bauteil iO (grüne Kurve) und das Bauteil niO (blaue Kurve)

Der vergrößerte Ausschnitt in Abbildung 4 zeigt zudem, dass bei der Probe des reinen PA 6 die Kristallisation erst bei 203 °C mit einem starken Abfall im DSC-Signal beginnt. Bei der Probe mit dem Zusatz an PA 66 beginnt die Kristallisation aufgrund der Mischkristallbildung von PA 6 mit PA66 bereits bei 217 °C.

Ausschnitt aus Abbildung 3
Abb.4: Ausschnitt aus Abbildung 3 vergrößert

Zusammenfassung

Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass die Materialzusammensetzung entscheidenden Einfluss auf die Eigenschaften des fertigen Bauteils hat. Um Schadensfälle zu vermeiden, ist daher eine fortlaufende Qualitätsüberprüfung der Rohmaterialien notwendig. Mit einem vergleichbar geringen analytischen Aufwand kann eine konstante Qualität sichergestellt werden. Schon kleinste Materialänderungen sind bestimmbar, die im Fall von Reklamationen entscheidend sein können.


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