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30.04.2024

07.09.2023

Trocken. Feucht. Nass - Polyamid und Wasser

Claire Strasser , Dr. Stefan Schmölzer , NETZSCH Gerätebau GmbH

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Polyamide sind teilkristalline Polymere, die sich durch einen guten mechanischen Widerstand auszeichnen und daher für unterschiedliche technische Anwendungen, wie beispielsweise als Kabelschutz in der Automobilindustrie und in der Robotik, eingesetzt werden. Polyamidpulver ist auch ein beliebtes Material für SLS (Selective Laser Sintering), einem 3D-Druckverfahren, mit dem Objekte in beliebiger Form hergestellt werden können.

Polyamide sind jedoch auch sehr empfindlich gegen Wasser. Die Molekülketten von Polyamiden beinhalten polare Amidgruppen, die polare Flüssigkeiten wie Wasser anziehen, sodass dieses Polymer in der Umgebung vorhandene Feuchtigkeit absorbiert. Die Wassermoleküle vergrößern das freie Volumen in den Lücken der Polyamidketten, was zum Aufquellen des Polymers und einem leichteren Gleiten der Molekülketten bei mechanischer Belastung führt.

Dies führt zu einer Erniedrigung des Glasübergangs und wird wasserinduzierter Weichmachereffekt bezeichnet. [1, 2, 3] Folglich wirkt sich die Wasseraufnahme erheblich auf die mechanischen, thermischen und elektrischen Eigenschaften aus. Insbesondere führt eine Erhöhung des Wasseranteils zu einer Abnahme der Steifigkeit und Festigkeit, während die Zähigkeit zunimmt. [3, 4, 5]

Untersuchung des Einflusses von Luftfeuchtigkeit auf den Glasübergang von Polyamid mittels DSC

Im Folgenden wird der Einfluss von Luftfeuchtigkeit auf den Glasübergang von Polyamid 6 (PA6) untersucht. Dazu wurden DSC-Messungen an Proben mit unterschiedlichem Wasseranteil zwischen 0 % und 4,9 % durchgeführt.

Messbedingungen
Tab.1: Messbedingungen
Tabelle 1 fasst die Messbedingungen zusammen. Der Glasübergang von PA6 ist in der Regel mit dem endothermen Peak der Wasserverdampfung überlagert. Dafür sind temperaturmodulierte DSC-Messungen, bei denen die reversierenden Effekte (z.B. Glasübergang) von den nicht-reversierenden Effekten (z.B. Verdampfen flüchtiger Stoffe, Aushärtung) getrennt werden, bestens geeignet [6].

Glasumwandlungstemperatur von PA6 mit 1,2 % Feuchtigkeit

Abbildung 1 zeigt den gesamten Wärmefluss der Probe mit 1,2% Feuchtegehalt, der einer konventionellen DSC-Kurve ohne Modulation entspricht. Die endotherme Stufe bei 38,8°C (Midpoint) zeigt den Glasübergang von Polyamid6. Diese Auswertung ist jedoch nicht genau, da der Glasübergang von einem endothermen Peak überlagert ist, der wahrscheinlich auf die einsetzende Wasserfreisetzung in der Probe sowie auf Relaxationseffekte zurückzuführen ist. Vor dem Schmelzbeginn bei 224,2°C (Peaktemperatur) kristallisiert der amorphe Teil des PA6 teilweise, was den exothermen Peak bei 193,3°C (Peaktemperatur) in der DSC-Kurve erklärt.

PA6 mit 1,2 % Feuchtegehalt; DSC-Messung
Abb.1: PA6 mit 1,2 % Feuchtegehalt; DSC-Messung (gesamter Wärmefluss)

Abbildung 2 zeigt den Gesamtwärmestrom zusammen mit dem DSC-Rohsignal, das während der temperaturmodulierten Messung erhalten wurde. Der gemittelte Wärmefluss (durchgezogene Linie) entspricht der vorher beschriebenen Standard-DSC-Messung. Das Rohsignal (gestrichelte Linie) zeigt, wie das Material tatsächlich auf die Temperaturmodulation reagiert.

PA6 mit 1,2 % Feuchtegehalt; Rohmessung
Abb.2: PA6 mit 1,2 % Feuchtegehalt; Roh- (gestrichelte Linien) und gemittelte (durchgezogene Linien)
DSC-Signale während der temperaturmodulierten Messung

In Abbildung 3 ist der gesamte Wärmefluss in einen reversierenden und nicht-reversierenden Teil aufgetrennt. Dies ermöglicht die Separation des Glasübergangs und des Verdampfungspeaks. Der Glasübergang wird im reversierenden Teil des DSC-Signals und der Verdampfungseffekt im nicht-reversierenden Teil detektiert.

PA6 Auftrennung
Abb.3: PA6 mit 1,2 % Feuchtegehalt; Auftrennung des gesamten Wärmeflusses in reversierende und nicht-reversierende Signale

Anschließend wird der Glasübergang exakt ausgewertet (Midpoint bei 40,4°C). Das nicht reversierende Signal zeigt jedoch auf, dass der endotherme Peak viel breiter als ursprünglich angenommen ist. Dieser auf Relaxation und Verdampfung zurückzuführende Effekt ist mit einer Enthalpie von 21,2J/g verbunden.

Einfluss von Feuchte auf die Glasumwandlungstemperatur von PA6

Abbildung 4 zeigt das reversierende Signal der verschiedenen Proben. Je höher der Feuchtegehalt, desto niedriger ist die Glasumwandlungstemperatur. Zwischen dem Glasübergang der trockenen Probe und des PA6 mit einem Wasseranteil von 4,9% besteht ein Unterschied von mehr als 70°C.

PA6 mit unterschiedlichen Feuchtegehalten;
Abb.4: PA6 mit unterschiedlichen Feuchtegehalten; reversierende Signale

Fazit

Aufgrund ihrer hygroskopischen Natur nehmen Polyamide Feuchtigkeit aus ihrer Umgebung auf. Dies wiederum beeinflusst die Eigenschaften und somit die Materialverarbeitung. Bereits ein geringer Wasseranteil in PA6 verringert dessen Glasübergang erheblich. Deshalb ist der Feuchtegehalt der Probe ein wichtiger Parameter, der überprüft und kontrolliert werden sollte.

Eine zuverlässige und schnelle Methode dafür ist die Durchführung von temperaturmodulierten DSC-Messungen mit der DSC 300 Caliris®.

Literaturverzeichnis

  1. On the structure and properties of polyamides. XXVII. The mechanism of Water sorption in polyamides, R. Puffr, J. ebenda, J. Polym. Sci. Part C: Polym. Symp., 16 (1967), pp. 79-93
  2. Moisture absorption by various polyamides and their associated dimensional changes, L. Monson, M. Braunwarth, C. W. Extrand, Journal of Applied Polymer Science, Volume107, Issue1, 2007, Pages 355-363
  3. Determination of moisture gradients in polyamide 6 using StepScan DSC, A. Sambale, M. Kurkowski, M. Stommel, Thermochimica Acta Volume 672, February 2019, Pages 150-156
  4. Précis de matières plastiques, Alexandre Dobraczynski, Michel Piperaud, Jean-Pierre Trotignon, Jacques Verdu, Afnor-Nathan (2006)
  5. Varun Venoor, Jay Hoon Park, David O. Kazmer & Margaret J. Sobkowicz (2021), Understanding the Effect of Water in Polyamides: A Review, Polymer Reviews, 61:3, 598-645
  6. ISO 19935-1:2018: Plastics - Temperature-modulated DSC, Part 1: General principles


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