Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
20.05.2024

Wikipedia - Die Freie Enzyklopädie


In dieser LABO-Ausgabe wollen wir uns eines der am stärksten wachsenden Projekte im Internet ansehen, die freie Online-Enzyklopädie "Wikipedia". Die Idee scheint auf den ersten Blick widersinnig: Man stelle eine Plattform bereit, auf der jeder Interessent weltweit Informationen wie die Erklärung von Fachbegriffen, Informationen zu Personen des Zeitgeschehens, historische Fakten und vieles mehr bereitstellen kann. Diese Informationen werden den Nutzern der Wikipedia zur Ansicht und Korrektur bereitgestellt und fertig ist eine kostenlose und absolut werbefreie Online-Enzyklopädie, die in absehbarer Zeit den Umfang des Brockhaus erreichen wird und qualitativ diesem kaum nachsteht. Wenn Sie dies nicht glauben, dann schauen Sie sich die Webseite einmal genauer an.

Die deutschsprachige Wikipedia umfasst inzwischen mehr als 165.000 Artikel, insgesamt stehen über 1,2 Millionen Beiträge in über 100 Sprachen zur Verfügung. Allein die deutsche Wikipedia erfährt mehr als 300.000 Updates und Erweiterungen pro Monat, insgesamt sind es über 1,8 Millionen. Seit Ende Oktober 2004 existiert neben der Webseite auch eine deutschsprachige CD-ROM, die über den Buchhandel gegen eine Schutzgebühr von sagenhaften 3,-€ bezogen oder als "Image" zum Selber-Brennen von der Homepage heruntergeladen werden kann.

Natürlich taucht nun die Frage auf, wie so etwas möglich ist, schließlich kostet eine Enzyklopädie in Buchform oft mehrere Tausend Euro! Die Antwort lautet: Millionen Nutzer weltweit arbeiten unentgeltlich mit. Das ganze erinnert an die Erfolgsgeschichte von Linux oder des Internetverzeichnisses "Open Directory Projekt" (dmoz.org) mit über 65.000 Editoren, stellt diese aber inzwischen deutlich in den Schatten. Und die Online-Enzyklopädie ist im Gegensatz zu einem gedruckten Werk immer aktuell.

Die erste Wikipedia-Fassung in englischer Sprache entstand im Januar 2001. Sie wird ebenso wie das deutschsprachige Schwesterprojekt von der amerikanischen Wikimedia Foundation betrieben. Die deutschsprachige Variante der Wikipedia wurde im Mai 2001 ins Leben gerufen. Wikipedia wird ebenso wie das Vorgänger-Projekt Nupedia von Richard Stallman unterstützt, einem der Gründer der Freien-Software-Bewegung und der Free Software Foundation. In der Wikipedia gibt es keinen Chefredakteur im klassischen Sinne. Im ersten Jahr kümmerte sich der Philosophiedozent Larry Sanger als einziger festangestellter Mitarbeiter um den Aufbau und die Organisation der Community in der englischen Wikipedia. Der Gründer Jimmy Wales sieht sich selbst als normalen Teilnehmer am kreativen Prozess. Die Eigentumsrechte an den Wikipedia-Domainnamen und Servern hat er inzwischen an die am 20. Juni 2003 gegründete Wikimedia Foundation übertragen.

Alle Mitarbeiter der Wikipedia haben sich selbst verpflichtet, von ihnen beigetragene Inhalte unter der "GNU Freie Dokumentationslizenz" zu veröffentlichen. Diese Lizenz erlaubt es anderen, die Inhalte nach Belieben zu überarbeiten und zu verbreiten, sofern Ursprungsautoren und Versionsgeschichte genannt werden. Eine Eigenschaft der verwendeten Lizenz ist, dass spätere Einschränkungen nicht möglich sind. Die Lizenz macht es damit unmöglich, Artikel später unter Berufung auf das Urheberrecht einer Exklusiv-Verwertung zuzuführen. Für viele Autoren ist diese Idee des "Open Content" ein wesentlicher Grund, bei der Wikipedia mitzuarbeiten. Und die interne Qualitätssicherung funktioniert hervorragend, da falsche oder gegen Copyrightbestimmungen verstoßende Inhalte meist noch am gleichen Tag von anderen Nutzern eliminiert werden. Ein geringes Restrisiko bleibt natürlich immer, aber dafür handelt es sich ja auch um einen kostenlosen Service! Aber dass dieses Projekt in nur drei Jahren solche Dimensionen erreichen würde, hat wohl selbst die Initiatoren überrascht.

Werfen wir abschließend noch einen Blick auf die laborrelevanten Inhalte. Die Rubrik "Chemie" (de.wikipedia.org/wiki/Chemie) gliedert sich in diverse Unterkategorien. Von einer Definition über die Geschichte der Chemie bis hin zu den einzelnen Fachgebieten werden eine Fülle von Informationen geboten. Auch zu spezielleren Suchbegriffen wie "Chromatographie", "HPLC" oder "Diodenarraydetektor" findet man teilweise sehr umfangreiche Artikel oder zumindest eine Definition. Natürlich erreicht man bei spezielleren Fachausdrücken oder Chemikaliennamen irgendwann die Grenzen, aber diese Informationen findet man auch in einem normalen Lexikon nicht.

Und wer weiß wie schnell das Projekt wächst, vielleicht gibt es in ein paar Jahren schon eine spezielle Wikipedia zum Thema "Chemie", die dann einem Fachlexikon entspricht - auszuschließen ist dies aus heutiger Sicht nicht!

Fazit:

Das Wikipedia-Projekt zeigt eindrucksvoll, welche neuartigen Konzepte im Internet möglich sind, auch wenn der Ansatz auf den ersten Blick wenig erfolgversprechend war. Wenn sich erst einmal eine "Community" zusammenfindet, die in diesem Fall global ist und ständig wächst, dann wird durch das Engagement Tausender Menschen etwas Großes geschaffen, das keinem alleine gehört, aber vielen nützt.

Momentan wird bereits fleißig an einigen Schwesterprojekten gearbeitet wie "Wiktionary" (Online-Wörterbuch) oder "Wikiquotes" (Zitate-Sammlung), "Wiki Commons" (Online-Medienarchiv für Bilder, Animationen und Videos), "Wikisource" (Sammlung urheberrechtsfreier Textsammlungen), um nur einige "Baustellen" zu nennen. Man darf auf die weitere Entwicklung gespannt sein!