Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
29.04.2024

14.09.2023

Effizienzsteigerungen bei Synthesen durch Anpassung und Kontrolle wichtiger Parameter

Haron Sekkai , Ingenieurbüro Haron Sekkai

Teilen:

Fragestellung:

Wo und wie lässt sich die Effizienz bei exothermen Synthesereaktionen auch mit einfachen Mitteln steigern?

These:

Eine Effizienzsteigerung könnte beispielsweise durch Zeiteinsparung beim Prozess, höhere Ausbeute des Produkts und/oder Optimale Qualität des Produkts erreicht werden.

Die obigen 3 Punkte können als Zielvorgaben dienen. Sie einzeln zu betrachten ist jedoch schwierig, da sich diese Zielvorgaben gegenseitig beeinflussen. Eine hohe Ausbeute des Produkts könnte mitunter mit einem Absinken der Qualität einhergehen oder die Zeitersparnis die Ausbeute verringern.

klassischer Aufbau im Chemielabor
Abb.1: klassischer Aufbau im Chemielabor mit Doppelmantelgefäß, Temperiergerät, Rührwerk, Dosierpumpe und Waage.

Vorbetrachtung:

Synthesereaktionen im Chemielabor laufen in der Regel kontrolliert nach einem vorgegebenen Rezept ab. Z.B. kann ein Doppelmantelgefäß zu Beginn der Synthese mit einem Edukt A vorbelegt werden. In einem ersten Schritt kann die Prozesstemperatur im Reaktorkern mit Hilfe des Temperiergeräts von einer Ausgangstemperatur T1 auf eine gewünschte Starttemperatur T2 geführt werden, indem die Prozesstemperatur des Eduktes A entsprechend geregelt wird. Das Rührwerk sorgt für eine gute Durchmischung im Reaktorkern und für einen optimalen Energietransfer vom Reaktormantel in den Reaktorkern. Nach Erreichen der Starttemperatur T2 kann dann z.B. das Edukt B in den Reaktorkern eingebracht werden. Häufig macht eine Dosierung Sinn, die das Edukt B über einen definierten Zeitraum t1 in den Reaktor einbringt. Vor allem dann, wenn die Reaktion zwischen Edukt A und Edukt B exotherm ist. Am Ende erhält man dann das gewünschte Produkt.

Vorversuch:

Beachten Sie hierzu Bild 2. Ein Doppelmantelgefäß ist mit einem Edukt A vorbelegt. Die Solltemperatur (Weiß) soll 15 °C betragen und es soll die Prozesstemperatur (Rot) geregelt werden. In einem ersten Schritt wird die Prozesstemperatur schonend mit etwa 2 K Temperaturdifferenz zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur (Grün), der Ist-Temperatur des Eduktes A, angefahren. Hat die Prozesstemperatur die Solltemperatur (+/- erlaubter Bandbereite) erreicht, wird die Dosierung des Eduktes B gestartet (time code 14:46). Um die Prozesstemperatur zu halten, muss der Regler des Temperiergeräts die Vorlauftemperatur während der Dosierung weiter reduzieren (von 13 °C auf 12,5 °C).

Üblicherweise stehen am Temperiergerät nur die Anzeigen der Prozesstemperatur und der Vorlauftemperatur zur Verfügung. Ist die Exothermie der Reaktion relativ gering, kann dies kaum durch die visuelle Kontrolle der Temperaturen am Temperiergerät erkannt werden. Ein besserer Indikator ist die Temperaturdifferenz (dT) zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur. Der Ausschlag und der Trend von dT (Gelb) zeigt sich sehr gut im Diagramm. Ist die Dosierung beendet und die Exothermie stoppt, kann dies ebenso gut im Diagramm erkannt werden (time code 15:06).

Vorversuch
Abb.2: Vorversuch

Lösungsansatz:

Der Lösungsansatz zur Effizienzsteigerung liegt im Systemaufbau und den Möglichkeiten, die mittels Temperaturführung und Dosierung möglich sind. Die einzelnen Komponenten wie Doppelmantelgefäß, Temperiergerät, Rührwerk, Dosierpumpe und Waage sind in der Regel im Chemielabor vorgegeben. Es lohnt sich beim Systemaufbau jedoch darauf zu achten, dass ein möglichst hoher Volumenstrom im Reaktormantel gegeben ist. So kann das im Reaktormantel zirkulierende Thermofluid die Energie über die innere Wand des Doppelmantels schnell zum Prozess im Reaktorkern austauschen, also die Energie optimal in den Reaktorkern eingebracht werden und die Temperaturregelung ist effizient.

Die beiden wichtigen Kenngrößen Vorlauftemperatur (Tv) und Prozesstemperatur (TExt) sind im Allgemeinen bekannte Größen. Daraus kann in einem ersten Schritt eine Temperaturdifferenz dT zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur festgelegt werden, welches bei der Dosierung des Edukts B nicht überschritten werden darf. Ein zu großes dT kann z.B. bedeuten, dass der Prozess zwar schneller abläuft, dass aber die Qualität des Produkts darunter leidet. Heute verfügen Temperiergeräte über die Möglichkeit nicht nur die Vorlauftemperatur Tv sondern auch die Rücklauftemperatur (Tr) zu messen. Hier kann als weiteres Entscheidungskriterium das dT zwischen Rücklauftemperatur und Vorlauftemperatur betrachtet werden. Auch hier kann ein zu großes dT einen Qualitätsverlust beim Produkt bedeuten.

Von zentraler Bedeutung ist bei exothermen Reaktionen, neben dem oben beschriebenen Volumenstrom, auch die zur Verfügung stehende Kälteleistung des Temperiergeräts. Dabei gilt, je höher der Volumenstrom, desto geringer sind die Temperaturdifferenzen dT zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur sowie zwischen Rücklauftemperatur und Vorlauftemperatur.

Eine zu geringe Kälteleistung kann auch bei ausreichend hohem Volumenstrom die Temperaturdifferenzen zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur sowie zwischen Rücklauftemperatur und Vorlauftemperatur nicht ausreichend kompensieren, sodass diese zu groß werden. Auch eine ausreichend gute Kälteleistung bei geringem Volumenstrom kann kein gutes Ergebnis bringen, denn um die Energie mit dem Prozess auszutauschen muss die Vorlauftemperatur weiter abgesenkt werden, sodass auch hier die Temperaturdifferenzen zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur und zwischen Rücklauftemperatur und Vorlauftemperatur groß werden. Moderne und innovative Temperiergeräte können heute die aktuell aufgebrachte Kälteleistung messen. Dadurch kann dieser Parameter ebenso zur Beurteilung herangezogen werden.

An dieser Stelle lohnt sich eine kurze Zusammenfassung:

Synthesereaktionen, wie in der Vorbetrachtung beschrieben, lassen sich mit Hilfe von den in der Regel bekannten Parametern TExt,Tr, Tv, Volumenstrom, Kühlleistung, gut bewerten. Bild 3 zeigt eine zweistufige Synthesereaktion.

Verhalten unterschiedlicher exothermer Reaktionen
Abb.3: Verhalten unterschiedlicher exothermer Reaktionen

Im dargestellten Versuch wurde die Reduzierung der Dosierung von Edukt B und die Exothermie simuliert, indem mittels zweitem Temperiergerät und einer speziellen Wärmetauscherschlange im Reaktorkern Energie in den Prozess eingetragen wurde. Hier werden bei einer Zieltemperatur von 22 °C (Prozesstemperatur im Reaktor) nacheinander zwei unterschiedlich starke exotherme Reaktionen und ihr Verhalten gezeigt.

Synthesereaktion 1: Beachten Sie hierzu Bild 3. Die Solltemperatur im Prozess (Weiß) wird auf 22 °C eingestellt. Die Prozesstemperatur (Rot) liegt bei etwa 22 °C. Im stationären Zustand liegt die Vorlauftemperatur (Grün) bei etwa 18,5 °C (time code 13:55). Die Temperaturdifferenz zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur liegt bei etwa 3,5 K (Gelb). Dann startet die Dosierung von Edukt B (time code 14:00) und die Exothermie beginnt mit konstanter Leistung. Die Prozesstemperatur steigt moderat bis auf max. 22,7 °C an. Das Temperiergerät regelt die Exothermie aus. Dazu muss das Temperiergerät die Vorlauftemperatur absenken. Die Prozesstemperatur wird dabei wieder auf 22 °C geregelt. Jetzt liegt die Vorlauftemperatur etwa bei 16 °C und die Temperaturdifferenz zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur liegt bei etwa 7 K.

Synthesereaktion 2: Beachten Sie hierzu Bild 3. Im weiteren Verlauf (time code 15:15) wird die Dosierung von Edukt B reduziert. Dadurch ist die Exothermie schwächer, bleibt jedoch konstant. Die Prozesstemperatur fällt jetzt moderat bis auf etwa 21,6 °C. Das Temperiergerät regelt weiterhin die Exothermie aus. Die Prozesstemperatur wird dabei auf 22 °C geregelt. Hierbei steigt die Vorlauftemperatur leicht und liegt etwa bei 17 °C. Die Temperaturdifferenz zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur reduziert sich und liegt bei etwa 5 K. Ist die Dosierung von Edukt B vollständig beendet (time code 16:15), stoppt die Reaktion wenig später (time code 16:45).

Es lässt sich hier sehr gut der Einfluss Dosiermenge auf die Temperaturdifferenz zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur zeigen.

Ergebnis:

Bei der vorgestellten Synthesereaktion mit Exothermie bewirken unterschiedliche Dosiermengen in der Regel einen unterschiedlichen Anstieg der Prozesstemperatur. Die Vorlauftemperatur sinkt entsprechend ab, um die Prozesstemperatur auszuregeln. Zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur stellt sich eine Temperaturdifferenz dT ein.

Die Temperaturdifferenz zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur hat in der Regel Auswirkungen auf die Qualität des Produkts. In der Regel bedeutet ein kleineres dT eine Qualitätsverbesserung. Ein optimales dT lässt sich jetzt finden. Die Höhe des Ausschlags bei der Prozesstemperatur hat ebenfalls eine Auswirkung auf die Qualität des Produktes. In der Regel gilt, je kleiner der Ausschlag der Prozesstemperatur ist, desto kleiner wird dann auch das dT zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur sein, desto besser die Qualität.

Durch eine geeignete Wahl der Dosierung kann jetzt die Synthesereaktion optimiert werden. Je kleiner der Peak bei der Prozesstemperatur und je kleiner die Temperaturdifferenz zwischen Prozesstemperatur und Vorlauftemperatur, desto besser kann die Qualität des Produkts sein.

Dabei darf allerding nicht ungeachtet bleiben, dass neben der Dosierung auch der Aufbau der ganzen Applikation und die Synthesereaktion selbst für die Qualität des Produktes ausschlaggebend sind.

Anhand der zur Verfügung stehenden Parameter und der Möglichkeiten diese zu messen und zu beurteilen, kann jetzt die Synthese verändert bzw. angepasst werden, um Verbesserungen zu ermöglichen. Die Aufzeichnung der Werte ermöglicht die Reproduzierbarkeit, um die Qualität zu dokumentieren. Dadurch dient sie auch als Entwicklungstool. Eine Effizienzsteigerung bei Zeitbedarf, Menge und Qualität ist dadurch möglich.

Fazit:

Eine Effizienzsteigerung bei Synthesen kann realisiert werden:

  • wenn die Synthesereaktion in ihrer Komplexität richtig verstanden wird
  • wichtige Parameter richtig interpretiert und eingestellt werden
  • die Applikation entsprechend optimiert ist


» Artikel lesen (255 KByte)