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29.04.2024

10.11.2022

Nutzen von Laborautomatisierung und Monitoring bei Synthese, Destillation und Kristallisation

Haron Sekkai , Ingenieurbüro Haron Sekkai

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Viele Labore verfügen heute über ein Laborautomatisierungssystem, welches einfachste bis extrem komplexe Versuche im chemischen Labor sinnvoll automatisieren und dokumentieren kann. Dennoch werden in Laboren einfache "Routinearbeiten" immer noch klassisch "zu Fuß" bearbeitet.

Es wird argumentiert: dass das Laborautomatisierungssystem nicht zur Verfügung stehe, da Kollegen es jetzt oder nachher nutzen, dass die einfache Synthese, Destillation oder Kristallisation auch ohne Laborautomatisierung durchgeführt werden könne, dass die Software und die Einbindung der Komponenten kompliziert seien

In der Regel besteht in einem chemischen Labor der Grundaufbau eines Synthesereaktors aus einem Doppelmantelgefäß (Reaktor), welches mit einem Temperiergerät verbunden ist. Das Temperiergerät sorgt für die Temperaturführung. Zudem befindet sich im eigentlichen Prozessbereich (Reaktorkern) ein Überkopfrührwerk, das eine optimale Durchmischung der Edukte gewährleistet und dafür sorgt, dass ein optimaler Energieaustausch vom Mantel des Reaktors in den Prozess stattfindet (Abbildung 1). Optional kann, speziell bei Destillationsaufgaben, eine Durchmischung auch mittels Magnetrührplatte stattfinden.

Aufbau eines Synthesereaktors
Abb.1:klassischer Aufbau eines Synthesereaktors
in einem chemischen Labor. Bestehend aus Doppel-
mantelgefäß, Temperiergerät und einem Rührwerk.

Was bedeuten obige Argumente gegen die Automatisierung für die tägliche Arbeit im Labor?

Betrachten wir hierfür stellvertretend folgendes Praxisbeispiel: In einem 2 Liter Doppelmantelgefäß muss bei einer Synthese ein vorgeschriebenes Temperaturprofil mittels Temperiergerät abgearbeitet werden. Insgesamt gilt es, z.B: 9 Temperatursegmente mit einer Gesamtdauer von 12 Stunden zu durchfahren. Die Rührerdrehzahl kann im gesamten Bereich auf der Startdrehzahl konstant gehalten werden. In einzelnen Segmenten wird dann manuell via Tropftrichter ein weiteres Edukt zugeführt. Es gilt zudem, den pH-Wert in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren.

Eigentlich ist dieses Beispiel ideal für die Anwendung eines Laborautomatisierungssystems. Dazu müssten lediglich die Komponenten Temperiergerät, Rührwerk und pH-Messer über geeignete Schnittstelle verfügen, die eine Ansteuerung ermöglichen.

Die Ausrüstung der Komponenten mit Schnittstellen ist heute mehr oder weniger notwendiger Standard, aber es gibt in vielen Betrieben noch Komponenten, die zwar wirtschaftlich abgeschrieben sind, dennoch tadellos (auch ohne Schnittstelle) funktionieren und aus diesem Grund nicht durch modernere Komponenten ersetzt werden. Dieser Sachverhalt sorgt dafür, dass eine Synthese weiterhin ohne Laborautomatisierung durchgeführt wird.

Wenn das vorhandene Laborautomatisierungssystem den pH-Wert nicht aufzeichnen kann, müssen alle Messwerte per Hand auf einem Blatt notiert und anschließend z.B. in eine Excel Tabelle eingetragen werden. Es gibt nicht wenige Menschen im Labor, die alle 2 bis 5 Minuten nur damit beschäftigt sind Messwerte - wie zuvor beschrieben - abzuholen und in Tabellen einzutragen. Eigentlich sollte doch die Technik das Werkzeug des Menschen sein, ihn bei seiner Arbeit unterstützen und seine Arbeit erleichtern. In nicht wenigen Fällen ist es umgekehrt: Der Mensch mutiert zum Werkzeug der Technik und muss sich ihr in seinem Tun unterordnen.

Wer so arbeitet, dem fehlt die Zeit andere sinnvolle und nützliche Arbeiten zu verrichten, sondern ist den Hauptteil seiner Zeit damit beschäftigt, Arbeiten zu erledigen für die es eigentlich kein qualifiziertes Personal erfordert. Auch das anschließende Aufbereiten der Werte in einer Grafik bindet Ressourcen der Menschen. Effektivität sieht anders aus.

Wie könnten die Menschen im Labor unterstützt werden, damit die Ressourcen möglichst optimal eingesetzt werden, um eine bessere Effektivität zu erhalten?

Betrachten wir einmal eine Grundstruktur und eine Erweiterung (Abbildung 2), vor der Aufgabe, die Synthese durchzuführen und gleichzeitig zu protokollieren und dokumentieren. Damit dies gelingen kann, braucht es neben der Software, mit der der Reaktor angesteuert werden kann, auch ein Interface als Hardwarekomponente.

Control Lab Station
Abb. 2: Control Lab Station - Grundstruktur (links) und mit Erweiterung (rechts)

Das Softwareprogramm kann durchaus als Kopf und Herz des gesamten Systems betrachtet werden. Ohne Interface funktioniert dieses System jedoch nicht. Denn erst das Interface, welches mit dem Laptop und via Schnittstellenleitungen mit den anderen Hardwarekomponenten (Temperiergerät, Rührwerk und bei der Erweiterung mit den zusätzlichen Komponenten) verbunden wird, sorgt dafür, dass die einzelnen Komponenten mit dem Softwareprogramm laufen und die Synthese vorschriftsmäßig und automatisiert durchgeführt werden kann.

Eine Lösung, um möglichst effektiv die Aufgaben im chemischen Labor zu erledigen, wäre die konsequente Nutzung eines Laborautomatisierungssystems. Die Funktionalität ist sehr hoch: Daten werden automatisch numerisch und grafisch dargestellt. Die Messwerte werden vom System aufgezeichnet und der Versuch protokolliert.

Wird ein Laborautomatisierungssystem eingesetzt, muss jedoch berücksichtigt werden, dass das Bedienpersonal entsprechend geschult wird. Zudem werden eine ausreichend hohe Zahl an Laborautomatisierungssystemen benötigt, da sich innerhalb eines Labors in der Regel mehrere Systeme befinden, die automatisiert werden müssten. Wenn es sich um eine Grundstruktur (Doppelmantelgefäß, Temperiergerät und Rührwerk) handelt scheint ein Laborautomatisierungssystem durchaus überdimensioniert.

Maske für Protokollierung
Abb.3: Maske für Protokollierung

Monitoring als schlanke Lösung

Statt eines umfassenden Automatisierungssystems kann daher ein System zum Monitoring installiert werden. Eine einfache Software mit einem entsprechenden Interface kann eine gute Alternative sein, um wenige Komponenten (Grundstruktur) oder auch mehrere Komponenten (Erweiterung, siehe auch Abbildung 2) ansteuern zu können. Solche Interfaces sind modular und können z.B. 2, 4, 8 oder mehr Komponenten ansteuern.

Auch hier ist der Vorteil, dass die Messwerte wie bei einem Laborautomatisierungssystem numerisch und grafisch angezeigt werden und dass die Möglichkeit besteht, den Versuch direkt am System online zu protokollieren.

Abbildung 3 zeigt eine einfache Maske zur Protokollierung. Die Messwerte können in einem wählbaren Zeit-Intervall in eine CSV-Datei geschrieben und später z.B. in EXCEL weiter verarbeitet werden. Ebenso weitere Informationen wie die verantwortliche Person, eine Versuchsbeschreibung oder eine Zusammenfassung. Via Kommentarzeile können jederzeit weitere Informationen hinzugefügt werden, die dann in der entsprechenden Zeile mit Zeitbezug steht. Abbildung 4 zeigt eine Grafik, in der die relevanten Daten dargestellt werden.

Grafik mit relevanten Daten
Abb.4: Grafik mit relevanten Daten
Egal ob Laborautomatisierungssystem oder Monitoringsystem, für beide Lösungen gilt:
Das regelmäßige (händische) Notieren von Werten und die Weiterverarbeitung in und mit Tabellen entfällt. Damit wird auch eine potentielle Fehlerquelle eliminiert, nämlich Zahlendreher oder falsch notierte Werte. Das steigert die Qualität.

Zudem ergeben sich noch weitere Vorteile:

  • der Versuch läuft weitgehend selbstständig und benötigt wenig zusätzliche Kontrolle
  • alle generierten Messwerte werden automatisch aufgezeichnet
  • man erhält eine online Grafikdarstellung der relevanten Messwerte
  • durch die Screenshot Funktion der Grafik, bzw. eines Grafikausschnitts können einzelne Abschnitte des Versuchs festgehalten / gesondert dokumentiert werden
  • Eingabefelder ermöglichen die Beschreibung des Versuchs, eine Zusammenfassung und auch Kommentare, die wichtige Beschreibungen beim Ablauf und die Eingabe weiterer Messwerte erlauben.
Zu beachten ist, dass während des gesamten Versuchsverlaufs die Daten grafisch vorliegen und der Versuch ausreichend protokolliert wird. Die Daten und Screenshots können dann zur weiteren Dokumentation und Nutzung in ein elektronisches Laborbuch übertragen werden.

Fazit:

Ob Laborautomatisierung oder Monitoring-System, beide Erweiterungen der Anlagen im Labor stellen wieder den Menschen über die Technik und schaffen Entlastung. Die Ressourcen der Mitarbeitenden können dann effektiv und zielgerichtet für wichtige andere Aufgaben eingesetzt werden.


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