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20.05.2024

17.05.2021

Lebensmittelzusatzstoff Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff erneut auf dem Prüfstand

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Titandioxid (TiO2) ist ein weißes Farbpigment, das seit Jahrzehnten als Lebensmittelzusatzstoff E171 zugelassen ist und unter anderem in Süßwaren und Überzügen, z. B. in Dragees und Kaugummi, enthalten sein kann. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat mögliche gesundheitliche Risiken im Zusammenhang mit der Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff neu bewertet und das Ergebnis am 06. Mai 2021 veröffentlicht.

Insgesamt wurden fast 12.000 Publikationen berücksichtigt. Nach Auswertung der verfügbaren Daten konnte der Verdacht bezüglich erbgutschädigender Wirkungen (Genotoxizität)von Titandioxid nicht entkräftet werden. Laut EFSA bestehen Unsicherheiten, insbesondere zum molekularen Mechanismus der genotoxischen Effekte.

Zudem lassen die Studien keinen Rückschluss auf einen Zusammenhang zwischen bestimmten Eigenschaften von Titandioxid, wie Größe und Beschaffenheit der (Nano)-Partikel, und dem Ergebnis der Genotoxizitäts-Studien zu. Daher kamen die Experten der EFSA zu dem Schluss, dass die Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff nicht mehr länger als sicher angesehen werden kann.

Es wurde keine akzeptable tägliche Aufnahmemenge (ADI)abgeleitet. Die Einschätzung der EFSA beruht auf Tierexperimenten und mechanistischen Studien. Humanstudien und gezielte epidemiologische Untersuchungen zu möglichen gesundheitlichen Effekten liegen derzeit nicht vor. Das BfR hat sich mit den vorliegenden Studien zur Genotoxizität befasst und kommt in einer ersten Einschätzung zu vergleichbaren Schlussfolgerungen. Es hat seine Fragen und Antworten zu Titandioxid aktualisiert und eine Stellungnahme veröffentlicht.

Grundsätzlich gilt, dass in vielen Lebensmitteln Inhaltsstoffe mit genotoxischem Potenzial enthalten sind. Diese sind sehr häufig auch natürlichen Ursprungs und unvermeidbar in der täglichen Ernährung. Für einige genotoxische Substanzen in Lebensmitteln liegen Erkenntnisse zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Menschen vor.

Bei Titandioxid ist dieser Zusammenhang durch Humanstudien bislang nicht belegt. Allerdings werden an Zusatzstoffe besondere gesundheitliche Anforderungen gestellt. Diese werden streng geprüft und reguliert. Im Jahr 2016 war die EFSA zu dem Ergebnis gekommen, dass die verfügbaren toxikologischen Daten für die Ableitung einer akzeptablen täglichen Aufnahmemenge (ADI) nicht ausreichend sind, dass aber für die Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff keine gesundheitlichen Bedenken bestehen.

Auch unter Berücksichtigung weiterer Studien im Jahr 2018 sah die EFSA keinen Anlass, ihre Schlussfolgerung von 2016 zu ändern. Es gab aufgrund der eingeschränkten Datenlage allerdings Unsicherheiten, unter anderem zu der Frage, wie sich der Stoff auf das Fortpflanzungssystem auswirkt. Das BfR und die EFSA sahen hier weiteren Forschungsbedarf und hatten zusätzliche Studien empfohlen, um die Datenlücken zu schließen.

Für ihre am 06. Mai 2021 veröffentlichte Bewertung der Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff (E171) hat die EFSA nun alle derzeit verfügbaren relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt. Diese basieren auf einer Durchsicht von fast 12.000 Publikationen. Die Sachverständigender EFSA wendeten den Leitfaden zur Risikobewertung der Anwendung von Nanowissenschaften und Nanotechnologien in der Lebens- und Futtermittelkette ("Guidance on the risk assessment of the application of nanoscience and nanotechnologies in the food and feed chain") des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA aus dem Jahr 2018 an.

Die Einschätzung der EFSA beruht auf Tierexperimenten und mechanistischen Studien. Humanstudien und gezielte epidemiologische Untersuchungen zu möglichen gesundheitlichen Effekten liegen derzeit nicht vor. Die EFSA schlussfolgerte, dass Studien mit Titandioxid zur allgemeinen Toxizität und zur Organtoxizität keine Hinweise auf schädliche Effekte liefern. In Tierstudien sind auch keine unerwünschten Effekte auf die Fruchtbarkeit sowie die Entwicklung der Nachkommen beobachtet worden.

In einer älteren Studie mit Ratten und Mäusen wurden nach oraler Exposition gegenüber Titandioxid, das hinsichtlich der Partikelgröße nicht charakterisiert war, keine krebserzeugenden Wirkungen beobachtet. Zum krebserzeugenden Potenzial von Titandioxid-Nanopartikeln nach oraler Exposition ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine geeignete Tierstudie verfügbar.

Die Sachverständigen der EFSA kamen außerdem zu dem Schluss, dass Titandioxid zwar nur in sehr geringem Umfang aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert wird, jedoch lange Zeit benötigt, um aus dem Körper ausgeschieden zu werden, und dass es das Potenzial besitzt, sich in Geweben anzureichern.

Nach Auswertung der verfügbaren zahlreichen Studien zur in vitro und in vivo Genotoxizität konnte der Verdacht der Genotoxizität von Titandioxid nicht entkräftet werden. Laut EFSA bestehen Unsicherheiten, insbesondere zum molekularen Mechanismus der genotoxischen Effekte. Zudem lassen die Studien keinen Rückschluss auf einen Zusammenhang zwischen bestimmten Eigenschaften von Titandioxid, wie Größe und Beschaffenheit der (Nano)-Partikel, und dem Ergebnis der Genotoxizitäts-Studien zu.

Daher und aufgrund zahlreicher wissenschaftlicher Unsicherheiten kamen die Experten der EFSA zu dem Schluss, dass die Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff nicht mehr länger als sicher angesehen werden kann. Es wurde keine akzeptable tägliche Aufnahmemenge abgeleitet.

Die Bewertungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit bilden üblicherweise die Grundlage für Entscheidungen des Risikomanagements (EU-Kommission,Mitgliedstaaten und EU-Parlament) über die Zulassung und Verwendung der bewerteten Lebensmittelzusatzstoffe.

Verbraucher, die Lebensmittel, die bestimmte Zusatzstoffe enthalten, nicht verzehren möchten, können diese meiden. Denn: Die Verwendung von Zusatzstoffen ist kennzeichnungspflichtig, das heißt, sie müssen bei verpackten Lebensmitteln in der Zutatenliste angegeben sein.

» Stellungnahme der EFSA vom 6. Mai 2021

» Aktualisierte Fragen und Antworten des BfR vom 6. Mai 2021

» "Guidance on the risk assessment of the application of nanoscience and nanotechnologies in the food and feed chain"

Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)