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29.04.2024

25.04.2018

Neue Open-Source Software analysiert Molekülbewegungen besonders genau

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Diffusion bringt nicht nur die Farbe in den Tee - vielmehr ist sie auch eines der grundlegendsten Prinzipien molekularbiologischer Prozesse. Denn die Beweglichkeit von Molekülen in bzw. zwischen Zellen bestimmt, ob und wo sie ihre Funktion ausüben können. Andersherum verrät uns die Motilität von Molekülen viel über ihre Aufgaben im lebenden Organismus. Wissenschaftler nutzen daher bereits seit über 40 Jahren sogenannte "FRAP"-Assays (FRAP: Fluorescence Recovery After Photobleaching), um Diffusionskinetiken zu messen. Das interdisziplinäre Team um Dr. Patrick Müller am Friedrich-Miescher-Laboratorium der Max-Planck-Gesellschaft in Tübingen zeigte nun die Limitationen der bisherigen Analysemethoden für diese Experimente auf - und stellt in der Fachzeitschrift Nature Communications die frei verfügbare Software "PyFRAP" vor, mit der Diffusionskinetiken besonders genau bestimmt werden können.

In FRAP-Assays wird gemessen, wie viel Zeit fluoreszente Moleküle brauchen, um ein ausgebleichtes Areal wieder auszufüllen - also wie schnell ein dunkler Bereich in einer Probe wieder hell wird. Die Auswertung der dabei entstehenden mikroskopischen Bilder ist allerdings alles andere als trivial: So hängen Molekülbewegungen unter anderem von der Beschaffenheit der Umgebung ab. Wird eine komplex geformte Struktur bei der Analyse mit einfachen Geometrien approximiert, liegen die errechneten Diffusionskoeffizienten schnell fernab der eigentlichen Werte. PyFRAP fungiert ohne solche vereinfachenden Annahmen und geht stattdessen von realitätsnahen, dreidimensionalen Strukturen aus. Auf deren Grundlage simuliert das Programm das Experiment numerisch und passt die Simulationen über klassische Algorithmen an die gemessenen Daten an.

Dr. Alexander Bläßle, der Erstautor der Publikation, und seine Kollegen haben eine Vielzahl weiterer Quellen für Ungenauigkeiten identifiziert und bei der Entwicklung von PyFRAP berücksichtigt. Diese Akribie scheint sich auszuzahlen: Im Vergleich mit Alternativprogrammen liefert PyFRAP gerade unter schwierigen Bedingungen besonders zuverlässige Ergebnisse. Und dank der flexibel festlegbaren Ausgangsbedingungen lassen sich mit dem Programm auch iFRAP-Daten (iFRAP: inverse FRAP) auswerten; eine relativ neue Alternative zu FRAP-Assays, die schonender für empfindliche Proben ist.

Mit dieser genauen Analysemethode könnten sich nun auch neue Anwendungsmöglichkeiten für FRAP- bzw. iFRAP-Assays auftun. Als Beispiel führen die Autoren in ihrer Publikation die Analyse von Molekülinteraktionen im lebenden Organismus auf: Hier könnte die Abbremsung von Molekülen ein Indiz für - eventuell unbekannte - Bindungspartner sein.

PyFRAP hat das Potenzial, sich als neues Standardprogramm in der Grundlagenforschung zu etablieren - auf jeden Fall ist es schon jetzt ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass es sich lohnt, vereinfachende Annahmen zu hinterfragen und alternative Wege zu gehen.

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Quelle: Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie (MPI EBIO)