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20.05.2024

01.04.2015

Extraktionen weit über dem Siedepunkt

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Die Extraktion gehört seit Generationen zum Standardrepertoire in der Probenvorbereitung, jedoch sind klassische Methoden wie z. B. die Soxhlet-Extraktion sehr zeitaufwändig. Heute bieten moderne Mikrowellenreaktoren mit entsprechendem Zubehör, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreuen, eine schnelle und effiziente Alternative.

Eine Technologie setzt sich durch

Der entscheidende Vorteil von modernen Mikrowellensystemen ist, dass geschlossene Druckgefäße sehr rasch aufgeheizt werden können. Dadurch sind neben den bereits etablierten mikrowellenunterstützten Anwendungen, das sind Aufschluss und Synthese, auch Extraktionen bei Temperaturen weit über dem Siedepunkt möglich. Die erzielbare Effizienzsteigerung folgt dabei nach der landläufig bekannten Daumenregel, dass pro 10 °C Temperaturerhöhung die Reaktionszeit halbiert wird. Da sich moderne Mikrowellengeräte rasch auf bis zu 300 °C aufheizen lassen, dauern Extraktionen nicht mehr viele Stunden, sondern sind in wenigen Minuten abgeschlossen. Lediglich die thermische Stabilität von Substraten bzw. Analyten setzt der Extraktionstemperatur Grenzen. Auch dass die Lösungsmittelextraktion häufig mit unpolaren Lösungsmitteln durchgeführt wird, ist für Mikrowellengeräte der neuen Generation kein Problem. Technische Weiterentwicklungen in den letzten Jahren führten zu einer besseren und gleichmäßigeren Verteilung des Mikrowellenfeldes im Probenraum. Zusätzlich können chemisch inerte, aber stark mikrowellenabsorbierende Zubehörteile verwendet werden, um den Wärmeeintrag zu maximieren. Durch die umfassende Dokumentation jeder einzelnen Probe in Bezug auf ihre Reaktionsparameter ist auch eine nachvollziehbare Qualitätssicherung gewährleistet.

Kompakte Monomode-Mikrowellenreaktoren wie das Monowave EXTRA von Anton Paar bieten zusätzlich die Möglichkeit, Arbeitsschritte zu automatisieren. Bis zu 24 Proben in verschiedenen Gefäßgrößen können mit einem Autosampler hintereinander abgearbeitet werden. Jede Probe lässt sich individuell über die relevanten Reaktionsparameter (Temperatur, Zeit) steuern; so können optimale Extraktionsergebnisse erzielt werden. Die typischen Reaktionsbedingungen für eine Mikrowellenextraktion sind: eine Dauer von 5 bis 30 Minuten und eine Temperatur von bis zu 150 °C.

Die grundsätzliche Eignung dieser Bedingungen wurde am Beispiel der Extraktion von Additiven aus Polyolefinen von einer Forschungsgruppe der Universität Linz aufgezeigt [1]. In einem sequenziellen Ablauf wurden sowohl das ideale Lösungsmittel als auch die optimalen Extraktionsbedingungen in wenigen Versuchen ermittelt. Die Verwendung von nur geringen Probenmengen (200 mg Polymer in 5 mL Extraktionsmittel) ist ein weiterer Vorteil der Mikrowellenextraktion: Der Proben- und vor allem Lösungsmittelbedarf ist deutlich reduziert, neben wertvoller Zeit und Energie können auch kostspielige Chemikalien eingespart werden.

Verantwortlich dafür ist neben der direkten Wärmeübertragung auch die effiziente Rührung, die zu einer intensiveren Durchmischung von Extraktionsgut und Lösungsmittel sorgt. Das Monowave EXTRA bietet zusätzlich eine integrierte Kamera, die eine direkte Beobachtung der Vorgänge im Inneren des Reaktionsgefäßes ermöglicht, um bei Bedarf die Rührgeschwindigkeit verändern zu können.

Wenn Flexibilität gefragt ist

In einer weiteren Arbeit der Universität Linz zur Bestimmung von Nukleationsmitteln in Polyolefinen mittels Mikrowellenextraktion und anschließender Derivatisierung wurde der Chemikalienbedarf weiter gesenkt (50 mg Polymer in 2,5 mL Extraktionsmittel) und gleichzeitig der Probendurchsatz erhöht, indem eine parallele Konfiguration in einem Multimode-Mikrowellensystem (Multiwave PRO, Anton Paar) verwendet wurde [2]. Bis zu 96 Proben können hier gleichzeitig unter identen Temperatur-/Zeitbedingungen prozessiert werden. Als Reaktionsgefäße dienten herkömmliche, verschraubbare 5-mL-Wheaton®-Gläschen. Diese befanden sich in bis zu vier Reaktionsblöcken aus Siliziumkarbid (SiC) mit herkömmlicher 6x4-Matrix. Der extrem gute Mikrowellenabsorber Siliziumkarbid sorgte für eine rasche und vor allem gleichmäßige Erwärmung aller Positionen in der rechteckigen Matrix und erlaubte somit die Verwendung jedes Lösungsmittels, unabhängig von seinen Aufheizeigenschaften im Mikrowellenfeld.

Im vorliegenden Beispiel wurde mithilfe einer softwareunterstützten statistischen Versuchsplanung ein kombinierter einstufiger Extraktion-/Derivatisierungsprozess etabliert, der unter der Mikrowellenbestrahlung die beiden nötigen Schritte zur quantitativen Bestimmung zusammenfasst [2]. Die während der Extraktion in situ erfolgende Derivatisierung führt zu einer weiteren deutlichen Verkürzung der Probenvorbereitungszeit.

Ofensysteme wie das Multiwave PRO eignen sich nicht nur für einen hohen Probendurchsatz und kleine Volumina, auch größere Probenmengen können problemlos extrahiert werden. Dazu stehen 100-mL-Druckgefäße in Rotoren mit 16 Positionen zur Verfügung. Darin können auch mehrere Gramm heterogener Proben wie z. B. Sedimente, Bodenproben, Elektronikschrott u.v.m. extrahiert werden.

Vielseitig für alle Proben

Kommerzielle Mikrowellenreaktoren bieten vielfältige Konfigurationsmöglichkeiten, die Applikationen weit über die Standardanwendungen wie Probenaufschluss und Synthese erschließen. Den Einsatzmöglichkeiten der Mikrowellenextraktion sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Ähnlich wie die klassischen Methoden ist die Mikrowellenextraktion für verschiedenste Proben geeignet wie z. B. Wasser- und Abwasser, Lebensmittel, Inhaltsstoffe von Verpackungsmaterialien, Spielzeug und Textilien, petrochemische Proben und Pharmazeutika, zur Ermittlung der gefragten Analyten, allerdings mit deutlich geringerem Zeitaufwand.

Neben den oben erwähnten Anwendungsgebieten zählt auch die Qualitätskontrolle entsprechend der RoHS- und WEEE-Richtlinien zu den gängigen Aufgabenstellungen für die mikrowellenunterstützte Extraktion. Entsprechende Beispiele finden sich auch in der wissenschaftlichen Literatur wie zur Extraktion von bromierten Flammschutzmitteln aus Polymeren [3], zur Quantifizierung von biologisch wirksamen Diterpenen in Kaffeebohnen [4] oder zur Isolierung und Umesterung von Fettsäuremethylestern im Rahmen der Biodieselforschung [5].

Egal ob automatisierte oder sequenziell arbeitende Reaktoren, ob Parallelsysteme für einen hohen Probendurchsatz oder für größere Probenmengen - durch die Vielzahl an möglichen Konfigurationen von Mikrowellengeräten lässt sich die Effizienz in chemischen Labors beträchtlich steigern.

Quellenangabe:

[1] L. Sternbauer, I. Hintersteiner, W. Buchberger, A. Stadler, E. Marosits, Polym. Test. 2013, 32, 901-906
[2] L. Sternbauer, J. Dieplinger, W. Buchberger, E. Marosits, Talanta 2014, 128, 63-68
[3] A. Ranz, E. Maier, C. Trampitsch, E. Lankmayr, Talanta 2008, 76, 102-106
[4] A. Tsukui, H.M. Santos Junioa, S.S. Oigman, R.O.M.A. de Souza, H.R. Bizzo, C.M. Rezende, Food Chem. 2014, 164, 266-271
[5] C. J. Chuck, D. Lou-Hing, R. Dean, L. A. Sargeant, R. J. Scott, R.W. Jenkins, Energy 2014, 69, 446-454

» Weiterführende Informationen

Quelle: Anton Paar GmbH


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