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12.05.2024

15.06.2011

"Forever young" oder wirklich jung? - Metallomics im Fokus der Biochemie

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Metallomics 2011, das dritte internationale Symposium zur interdisziplinären Forschung im Bereich der Metalle in biologischen Systemen, findet vom 15. bis 18. Juni an der Universität Münster statt. Gegenüber dem vorangegangenen Symposium im Jahre 2009 in Cincinnati wird sich die Teilnehmerzahl auf etwa 300 verdoppeln. Dies mag ein Hinweis auf die wachsende Bedeutung der Metallomics sein, eines jungen Forschungsgebiets, das für die Biologie, Medizin, Toxikologie, und weitere Wissenschaften wie den Umweltwissenschaften von höchstem Interesse ist. Dabei kommt der Analytischen Chemie für die Gewinnung neuer Erkenntnisse über die Rolle von metallhaltigen Biomolekülen in biologischen Abläufen, für neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten oder die Aufklärung schädigender Wirkungen von Metallen auf Mensch und Umwelt eine herausragende Rolle zu. So sind auch die beiden Vorsitzenden des Symposiums Dr. Michael Sperling und Professor Dr. Uwe Karst Analytiker aus Münster: Professor Dr. Uwe Karst hat als Schriftführer des Arbeitskreises Separation Sciences in der Fachgruppe Analytische Chemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) diese zudem als Mitveranstalter der Tagung ins Boot geholt.

Der interdisziplinäre Charakter der Metallomics spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Disziplinen wieder, in denen die Plenarvortragenden und Mitglieder des wissenschaftlichen Komitees der Tagung beheimatet sind. So beginnt die Tagung mit einem Vortrag von Professor Dr. Michael Schäfers vom European Institute for Molecular Imaging in Münster. Er bemängelt, dass derzeitige bildgebende Verfahren (Imaging) zur Vorbeugung und besseren Diagnose und Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen nur auf morphologischer, nicht aber auf molekularer Ebene Ergebnisse liefern können. Durch Molecular Imaging soll Letzteres nun möglich gemacht werden. Hierfür benötigt man fluoreszierende Moleküle oder radioaktiv markierte Wirkstoffe (Radiopharmaka) und entsprechende Detektoren, die die Strahlung auf dem Weg durch den Körper bis zu den Zielmolekülen verfolgen können. Positronen- bzw. Gammastrahlen-Emitter wie Fluor 18, Gadolinium 68, Iod 123 und Iod 124 scheinen in Kombination mit Positronenemissionstomography (PET) oder der Einphotonenemissionstomographie (SPECT) bei kardiovaskulären Erkrankungen erfolgversprechend zu sein. Schäfers stellt solch neue Radiopharmaka vor, die bei kardiovaskulären Erkrankungen die relevanten Zielmoleküle im Körper adressieren können.

Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson, ALS oder Huntington werden zurückgeführt auf redox-aktive Metalle wie Eisen und Kupfer, die mehrfach ungesättigte Fettsäuren in den Membran-Phospholipiden angreifen und so eine Lipid-Peroxidation verursachen. Es entstehen reaktive Aldehyde und durch weitere darauf folgende biochemische Veränderungen die fatalen Krankheitsbilder. Aus der Chemie ist ein wirksamer Vorgang bekannt, Eisen und andere Metalle Systemen zu entziehen, in denen sie unerwünscht sind: die Chelatbildung. Von außen eingeschleuste organische Moleküle nehmen die unerwünschten Metalle quasi in die Zange - das gelingt auch mit Eisen in den Gehirnregionen. Das Dogma, derartige Prozesse könnten wegen der angeblich unüberwindbaren Blut-Hirn-Schranke nicht ablaufen, konnte wiederlegt werden. Dies zeigt Professor Dr. Robert R. Chrichton und sein Arbeitskreis an der Université Catholique de Louvain auf, und er macht klar, dass es dringend an der Zeit ist, das therapeutische Potenzial von Chelatbildnern wie Deferoxamin, Deferipron oder Deferasirox zu nutzen.

Die exakte Beobachtung all der beeinflussten und unbeeinflussten biochemischen Vorgänge kann nur die physikalisch-chemische/biochemische Analytik leisten. Wie Professor Dr. Gary M. Hieftje von der Indiana University in Bloomington zu berichten weiß, profitiert die Metallomics in hervorragender Weise von den Fortschritten der analytischen Techniken, die Fachleute mit LC, CE und ICP, TOF, DOF, TOFMS und DOFMS abkürzen. Diese Techniken werden unter anderen von Arbeitsgruppen in New Mexico, Washington, Tokyo, Dresden und Münster eingesetzt und weiter entwickelt, um überraschende Einblicke in die molekulare Welt der Lebensvorgänge zu gewinnen. Ähnliche Methoden unterstützen die gesamte biochemische Analytik - auch die der zahllosen in den Lebenswissenschaften bekannten Schwefel- und Phosphorverbindungen, wie Professor Dr. Naoki Furuta von der Chuo University in Tokyo zu berichten weiß.

An einem Beispiel sei die Untersuchung solcher Vorgänge fest gemacht: an der Anwendung von Cisplatin als Chemotherapeutikum und dessen Interaktion mit den DNA-Nucleinbasen, die als klinische Biomarker fungieren und an denen sich der Fortschritt einer pharmazeutischen Behandlung erkennen lässt. Seit Cisplatin vor etwa 40 Jahren als Chemotherapeutikum eingeführt wurde, konnten seine Wirkmechanismen in Tumorzellen immer genauer studiert werden. Die Forschung wurde ausgedehnt auf die gezielte Biomarker-Analyse, vor allem mit der ICP-MS-Methode (Induktiv-gekoppelte Plasma-Massenspektrometrie) zur Element-analytik. Die Herausforderung, die äußerst geringen Biomarker-Konzentrationen zu erfassen, ist groß, wie Professor Dr. Maria Montes-Bayon von der Universität Oviedo in Spanien erläutert. Schließlich geht es darum, die Selektivität der Medikamente zu verbessern und deren Nebenwirkungen zu verringern.

Quelle: idw / Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh)