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10.05.2024

07.09.2006

Anknipsbarer Lotoseffekt

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Schön sind die Blüten des Lotos - und immer makellos sauber. Wassertropfen perlen von der wasserabweisenden Oberfläche einfach ab und waschen dabei jedes Stäubchen weg. Eine solche selbstreinigende Oberfläche fänden auch wir sehr praktisch: Nie mehr Auto putzen, Häuserfassaden, die nicht vergrauen, an potenziellen Anwendungsfeldern mangelt es nicht. Bisher konnte die Technik die Natur aber nur mit bedingtem Erfolg nachahmen. Japanische Forscher um Kingo Uchida und Shinichiro Nakamura haben nun eine Substanz aus der Klasse der Diarylethene synthetisiert, deren Oberfläche "auf Befehl" super-wasserabweisend wird.

Geheimnis des Lotos-Effekts ist eine spezielle Mikrostruktur an der Blattoberfläche der Lotospflanze in Form winzigster Noppen. Einem auftreffenden Wassertröpfchen bieten diese Mikronoppen keine Fläche, an die sie sich anlagern könnten; das Blatt wird nicht benetzt. Die Tröpfchen ziehen sich zu Kugeln zusammen und rollen an der Oberfläche herunter, wobei sie anhaftende Schmutzpartikel mitnehmen. Bei einer gewöhnlichen, glatten Oberfläche finden die Wassertropfen einen Halt, sie benetzen die Oberfläche und nehmen die Form einer Halbkugel an. Statt zu rollen gleiten sie an der Fläche herab, Schmutzpartikel können dabei nicht weggewaschen werden.

Die japanischen Forscher haben nun eine spezielle Substanz, einen Vertreter der so genannten Diarylethene, synthetisiert und als mikrokristallinen Film auf einen Träger gezogen. Elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen, dass die Oberfläche dieses Films zunächst glatt ist. Wird der Diarylethen-Film mit UV-Licht bestrahlt, wird die zuvor farblose Oberfläche blau - und ist nicht mehr glatt, sondern vollständig mit einem Flaum aus winzigen Fasern bedeckt, deren Durchmesser bei etwa 1 µm liegt. Dieser Flaum wirkt ähnlich wie die Mikro-Noppen der Lotosblüte super-wasserabweisend. Nach einer erneuten Bestrahlung, dieses Mal mit sichtbarem Licht, verschwinden Fasern und Färbung wieder, die Oberfläche wird wieder farblos, glatt und benetzbar.

Ursache dieses Effekts sind Änderungen der molekularen Struktur. Das Diarylethen-Molekül ist aus drei verknüpften Fünfringen aufgebaut. UV-Licht löst eine Umlagerung innerhalb des Moleküls (Isomerisierung) aus. Es kommt zu einem Ringschluss - ein vierter Ring entsteht. Das Isomer mit dem geschlossenen vierten Ring kristallisiert in Form von Nadeln, die aus den Kriställchen des Isomers mit dem offenen Ring herauswachsen, sobald ein bestimmte Konzentration erreicht ist. Licht im sichtbaren Bereich des Spektrums löst die Rückreaktion aus, der Ring öffnet sich wieder - die Nädelchen verschwinden wieder.

» Originalpublikation

Quelle: Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh)