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03.05.2024

29.06.2023

EthaNa-Verfahren: Steigerung der stofflichen Wertschöpfung von Ölsaaten

Dr. Robert Hartmann , Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP

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Raps ist neben Soja die wichtigste Ölsaat weltweit, in Deutschland gilt Rapsöl als das beliebteste Speiseöl. Neben dem Öl, das etwa 40 % der Inhaltsstoffe ausmacht, enthält die Rapssaat - wie auch Soja - hochwertige Proteine. Sie ähneln den Milchproteinen und könnten daher als wertvolle pflanzliche Proteinquelle für Lebensmittel und Futtermittel genutzt werden.

Bei der herkömmlichen Heißpressung in industriellen Ölmühlen wird die Struktur der Proteine durch hohe Temperaturen und hohe Drücke jedoch verändert und damit ihre Qualität beeinträchtigt - wie auch des resultierenden Rapsextraktionsschrots.

Die hohen Temperaturen wiederum sind erforderlich, um das nach der Pressung eingesetzte Lösungsmittel Hexan zu verdampfen. Mit diesem wird das im Presskuchen verbliebene Öl extrahiert, um die Ölausbeute zu erhöhen. Ein zweiter qualitätsmindernder Faktor bei der herkömmlichen Ölgewinnung sind Bitterstoffe, die unter anderem aus den mitgepressten Schalen in den Extraktionsschrot gelangen.

Um aus Rapssaat nicht nur das beliebte Öl, sondern auch die immer begehrteren pflanzlichen Proteine in hoher Qualität gewinnen zu können, haben elf Partner aus Forschung und Industrie im Verbundprojekt EthaNa in den letzten fünf Jahren ein neues Konzept zur schonenden Aufbereitung von Raps im größeren Maßstab untersucht und hierfür erstmalig eine Pilotanlage ausgelegt und aufgebaut. Bis zu 50 Kilogramm Rapssaat pro Tag kann die am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna errichtete EthaNa®-Pilotanlage verarbeiten.

Schematische Darstellung der Verarbeitung von Raps
Abb.1: Schematische Darstellung der Verarbeitung von Raps: herkömmliches Verfahren industrieller Ölmühlen (links) im Vergleich zum EthaNa-Verfahren mit ethanolischer, nativer Extraktion (rechts).

Ganzheitliche Nutzung von Rapssaat

Um den Anteil an Bitterstoffen und weiteren, für die Ernährung von Mensch und Tier nicht förderlichen oder gar gesundheitsschädlichen Substanzen sowie von Faserstoffen zu reduzieren, verarbeitet das EthaNa-Verfahren geschälte Rapssaat. Nach intensiver Entwicklungsarbeit gelang es dem Projektteam, eine Schälanlage aufzubauen, in der im kontinuierlichen Betrieb pro Stunde bis zu 100 Kilogramm Rapssamen geschält werden können. Die Schalen der Samen werden dabei zunächst leicht aufgebrochen und dann in einem gerichteten Luftstrom, der innerhalb eines Wirbelschichtapparats erzeugt wird, von den schwereren Kernen getrennt. Die Schalenfraktion ist ein zusätzliches Produkt, das sich beispielsweise zur Herstellung biobasierter Dämmstoffe eignet, wie die Forschenden des CBP in einem vom Land Sachsen-Anhalt geförderten Projekt bereits gezeigt haben.

Aufgrund des niedrigen Faser- und Ballaststoffanteils kommt eine konventionelle mechanische Pressung für die Ölgewinnung aus geschälten Rapskernen nicht in Frage. Stattdessen setzt das EthaNa-Verfahren auf Ethanol, einen Alkohol, der sich in den Untersuchungen der Forschenden als optimal erwiesen hat: In einem Verdrängungsextraktion genannten Verfahrensschritt werden bei schonenden 70 °C kleine Tröpfchen des Rapsöls aus dem aufgebrochenen Kern in der Ethanolphase emulgiert.

Ein weiterer Vorteil: Sekundäre Pflanzenstoffe des Rapskerns wie Sinapinsäure, Tocopherole und Polyphenole lösen sich in Ethanol. Gelingt es, diese selektiv zu extrahieren, lassen sich die bioaktiven Inhaltsstoffe beispielsweise für kosmetische oder pharmazeutische Anwendungen einsetzen.

Hochwertiges Öl in Vorraffinat-Qualität

Rapssaat
Abb.2: In der Schälanlage wird die Rapssaat
(links) zunächst aufgebrochen und die
leichteren Schalen (rechts) von den
schwereren Kernen (Mitte) getrennt.

Um das Öl aus den Rapskernen freizusetzen, werden die geschälten Kerne mit Ethanol vermischt und zunächst aufgebrochen. Diese aufgeschlossene Biomasse wird mittels einer modifizierten Schneckenpresse behandelt, um das Öl aus der Saat zu verdrängen. Als zweites Verfahren zur Fest-Flüssig-Trennung wird die Sedimentation mittels eines Dekanters angewendet, um die flüssige Phase, die Ethanol-Öl-Fraktion, von der proteinreichen festen Fraktion zu trennen. Abschließend wird das emulgierte Öl mittels eines Dekantiergefäßes vom Ethanol getrennt.

Untersuchungen haben gezeigt, dass das in der EthaNa®-Pilotanlage gewonnene Öl nahezu frei von freien Fettsäuren und Phosphatiden ist. Dadurch entsteht ein Vorteil für Ölmühlen, die das Öl nicht mehr aufwendig aufreinigen müssen, sondern Rapsöl in Vor- oder Halbraffinat-Qualität erhalten. So kann es direkt in die bestehenden Produktionslinien integriert und weiterverarbeitet werden.

Proteinreiches Rapskernkonzentrat für Lebensmittel und Futtermittel

gewonnene Rapskernkonzentrat
Abb.3: Das in der EthaNa®-Pilotanlage
gewonnene Rapskernkonzentrat enthält
über 40 Prozent hochwertige Proteine

Der zurückbleibende, weitgehend entölte Feststoff enthält Proteine in konzentrierter Form. Um das Rapskernkonzentrat weiter zu entölen, kommen unterschiedliche, variabel kombinierbare Extraktionsschritte zum Einsatz. Getrocknet wird das Konzentrat in einem Rohrbündeltrockner, wobei das Ethanol zurückgewonnen wird.

Verglichen mit dem Rapsextraktionsschrot industrieller Ölmühlen ist das auf diese Weise gewonnene proteinreiche Rapskernkonzentrat ein wesentlich hochwertigeres Produkt. Das Rapskernkonzentrat ist nahezu frei von Schalen und sekundären Pflanzenstoffen und enthält daher nur äußerst geringe Mengen unerwünschter Gerb- und Bitterstoffe. Der hohe Proteingehalt von derzeit 42-45 % entspricht in etwa dem kaltgepresster, teilgeschälter Rapskernkuchen dezentraler Ölmühlen.

Ein weiterer wesentlicher Vorteil ermöglicht die weitergehende wirtschaftliche Nutzung der Proteine: Durch die milden Prozessbedingungen des EthaNa-Verfahrens wird deren Struktur nicht verändert. Die Proteine sind gut in Wasser löslich. So können sie extrahiert werden und sind als alternative pflanzliche Proteinquelle für die Lebensmittelindustrie nutzbar, zum Beispiel in Fleischersatz-Produkten. Weiterführende Forschungsarbeiten, z. B. wie die Rapsproteine zur Herstellung von Nahrungsmitteln gewonnen werden können, wurden im Rahmen eines neuen EU-Projekts namens Like-a-Pro bereits begonnen.

Ebenso kommt das Rapskernkonzentrat als hochwertiges Futtermittel in Frage. Rapsextraktionsschrot aus herkömmlichen Ölmühlen wird zwar auch als Futtermittel für Schweine, Geflügel und Rinder eingesetzt. Doch für junges Geflügel oder tragende Muttertiere sind hohe Werte von Glucosinolaten im Schrot, die zumeist aus den Rapsschalen stammen, unverträglich. Um den Proteinbedarf dennoch decken zu können, werden Futtermischungen derzeit bis zu 30 % Sojaextraktionsschrot beigesetzt, die aus Übersee importiert werden müssen. Auch für Wiederkäuer ist Rapskernkonzentrat aufgrund seines geringen Faseranteils sehr gut geeignet. Jener liegt sogar unter den Werten von Sojaextraktionsschrot.

Neue Geschäftsfelder für Ölmühlen

Mit dem an hochwertigen Proteinen reichen Rapskernkonzentrat eröffnet sich Ölmühlen eine neue Einnahmequelle. Die EthaNa®-Pilotanlage am Fraunhofer CBP steht für Testläufe mit den Rapssaaten industrieller Ölmühlen zur Verfügung, um Produktmuster im größeren Maßstab bereitzustellen. Neue Anlagen können auch als alternative Verarbeitungslinie in die vorhandene Infrastruktur der Ölmühlen integriert werden. Darauf spezialisiert ist das Magdeburger Unternehmen B+B Engineering, das auch die Pilotanlage am Fraunhofer CBP geplant hat.

Parallel verbessern die Forschenden am Fraunhofer CBP die Fahrweise der Pilotanlage für einen robusten und stabilen Prozess und hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz. Ein Optimierungspotenzial wurde bei der Ölausbeute identifiziert. Um diese zu optimieren, wird ein Gegenstromverfahren für die Ethanolextraktion implementiert, um Verluste durch das Lösen vom Öl im Ethanol zu vermeiden und die Gesamtmenge an eingesetzten Ethanol zu reduzieren. Durch weitere Optimierungen des EthaNa-Verfahrens soll der Proteingehalt des Rapskernkonzentrats auf nahezu 50 % erhöht werden.

Schälanlage und Dekanter
Abb.4: In der Schälanlage (links) können im kontinuierlichen Betrieb bis zu 100 Kilogramm Rapssamen pro Stunde geschält werden.
Das im Dekanter (rechts), in dem nach der Fest-Flüssig-Trennung noch Feinst- und Schwebstoffe abgetrennt werden, erhaltene
Rapskernkonzentrat, ist reich an Proteinen.

Ein weiteres Potenzial des Verfahrens liegt in der Erweiterung des Rohstoffportfolios. Dazu werden Gespräche mit Partnern geführt, um zukünftig in der EthaNa®-Anlage auch andere Saaten wie Sonnenblumenkerne oder Bucheckern oder auch Kaffeesatz oder Hanfsamen zu verarbeiten.

Abbildungen:

© Fraunhofer CBP


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