Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
19.05.2024

14.12.2023

Vorsicht vor Greenwashing!

Teilen:


Green Washing
Green Washing fällt irgendwann auf (Quelle: DALL-E 3)
"Greenwashing bezeichnet den Versuch von Organisationen, durch Kommunikation, Marketing und Einzelmaßnahmen ein grünes Image zu erlangen, ohne entsprechende Maßnahmen im operativen Geschäft systematisch verankert zu haben." So wird dieses, für uns alle schädliche Verhalten, hinter dem in den letzten Jahren eine Multimilliardenindustrie entstanden ist, im Gabler Wirtschaftslexikon treffend definiert. Denn leider füllt das Geld, das hier fließt, eher die Konten der oft zweifelhaften Anbieter solcher Geschäftsmodelle, als der Natur zu dienen.

Wie konnte das passieren?

Die einfache Erklärung: Die Kompensation von CO2-Emissionen ist günstiger, als deren Vermeidung oder Reduktion - willkommen in der Marktwirtschaft. Der oft völlig intransparente Handel mit solchen Klimazertifikaten treibt seltsame Blüten, wie kürzlich in einer sehenswerten Dokumentation mit dem vielsagenden Titel "Greenwashing mit CO2-Zertifikaten - Das Märchen von der Klimarettung" im ZDF an einigen absurden Beispielen gezeigt wurde.

Da werden Wälder im Amazons geschützt, die gar nicht bedroht sind. Oder in Afrika werden Millionen Bäume gepflanzt, die nie die auf den Zertifikaten bescheinigte Menge CO2 kompensieren werden, weil sie vorher absterben. Noch schlimmer: einheimischen Bauern werden für solche Aufforstprojekte teilweise von zwielichtigen Geschäftemachern von ihrem Land vertrieben. Man kann durch den Kauf zweifelhafter Zertifikate auch Erdgas grün waschen, wie es ein Gasversorger in unserer Region macht. Und das alles ist offensichtlich nicht mal illegal, weil die Fossil-Lobby hier wie immer genügend Lücken in die Gesetze hat einbauen lassen. Das alles kann von Konsumenten leider nicht geprüft werden.

Wenn man Inlandsflüge in den USA oder die nächste Tankfüllung in der Schweiz durch ein paar zusätzlich gezahlte Euro angeblich klimaneutral machen kann, sollte einem aber der gesunde Menschenverstand sagen, dass etwas nicht stimmen kann. Hier wird der Verbraucher bewusst getäuscht und sein, vielleicht wegen der entstehenden Umweltbelastungen entstandenes, schlechtes Gewissen ausgenutzt.

Natürlich sind nicht alle Kompensationsprojekte schlecht, aber zu viele schwarze Schafe haben zu einem massiven Glaubwürdigkeitsverlust geführt. Gleichzeitig mit der angeblichen Kompensation durch den Handel mit Zertifikaten, steigen die globalen CO2-Emissionen jährlich auf neue Rekordwerte, wie auch für 2023 prognostiziert wird. Mit Kompensationszertifikaten alleine kann der globale Temperaturanstieg nicht bekämpft werden. Auch nicht von halbseidenen Verlautbarungen auf Klimakonferenzen wie der gerade zu Ende gehenden COP28 in Dubai. Das geht nur über wirkliche Reduktion oder Vermeidung von CO2, aber das ist aktuell immer noch teurer.

Auch unsere Redaktion erreichen inzwischen immer mehr Nachrichten über grüne Laborprodukte und bei manchen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier gelegentlich auch Greenwashing im Spiel ist. Heutzutage müssen alle neuen Produkte irgendwie "grün" oder "umweltfreundlich" sein. So wie "Bio" schon seit vielen Jahren ein Verkaufsargument bei Lebensmitteln ist, um das Gewissen von uns Verbrauchern zu beruhigen, weil wir ja mit dem Kauf solcher Produkte etwas Gutes für die Natur tun.

Doch alle, die bei ihrer Marketingstrategie auf die Karte "grün", "klimaneutral" oder sogar "klimapositiv" setzen, sollten gewarnt sein. Denn es gibt immer mehr Gerichtsurteile, die die Verwendung solcher "Green Claims" verbieten oder mit Auflagen versehen. Kompensation ohne vorherige Reduktion wird so zum finanziellen Risiko. Die EU bringt gerade die "Green Claims Verordnung" an der Start, die den Wildwuchs mit solchen Bezeichnungen und auch den solchen scheinbar seriösen Umwelt-Siegeln eindämmen soll.

Auch im Internet kursieren problematische Siegel wie "klimaneutrale Webseite", "klimapositive Webseite" oder "Green Hosted", die Umweltfreundlichkeit suggerieren, aber einfach durch eine selbst definierte Kompensationszahlung eingekauft werden können. Geprüft wird hier nichts!

Auf Analytik NEWS nutzen wir insgesamt vier Siegel, die aus unserer Sicht vertrauenswürdig sind, weil die Vergabekriterien transparent offengelegt werden. Das sind das "yes to less" Siegel in Gold von web4nature für eine datensparsame Webseite, und das Siegel "klimabewusste Webseite" von Cleaner Web. Dazu kommen das Ökostrom-Siegel unseres Providers Hetzner und das "Green Mail" Siegel unseres Newsletter-Versanddienstleisters Agnitas.

Wir haben sogar freiwillig eine CO2-Bilanz für alle Online-Aktivitäten aufgestellt und kompensieren die verbleibenden Emissionen bei ForTomorrow, womit wir ein Kohlekraftwerk in Deutschland für 2 Minuten pro Jahr stilllegen, weil dieser Dienstleister mit unserer Spende CO2-Zertifikate aufkauft und so hilft, den CO2-Preis zukünftig zu verteuern.

Um ein zweifelhaftes System zu zerstören, muss man es mit seinen eigenen Waffen schlagen, daher haben wir diese Form der Kompensation gewählt. Das ist natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber vielleicht suchen Sie ja noch nach einer Idee für ein Weihnachtsgeschenk? Oder einer Möglichkeit, Ihr Unternehmen als wirklich nachhaltig zu positionieren?

Dann kaufen Sie doch für unseren Planeten ein paar Klimazertifikate vom Markt oder unterstützen ein sinnvolles Klimaprojekt mit Ihrer Spende - als Unternehmen, als Selbstständiger oder als Privatperson. Wir machen das in diesem Jahr, statt Weihnachtskarten oder Weihnachtsgeschenke an unsere Kunden zu schicken. Das finden wir alles sinnvoller, als uns mit zweifelhaften Siegeln zu schmücken oder ganz aktiv Greenwashing zu betreiben.

Der Philosoph und Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau hat schon vor über 200 Jahren - lange vor dem Beginn der Klimakrise - einen sehr weitsichtigen Aphorismus geprägt, dem ich als Naturwissenschaftler voll und ganz zustimmen kann:

Die Natur betrügt uns nie. Wir sind es immer, die wir uns selbst betrügen.
Jean-Jacques Rousseau (1712-1778)

Autor:  

Dr. Torsten Beyer

Dr. Torsten Beyer


» Kommentieren