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19.05.2024

23.11.2023

An wen Mathematiker am 23. November denken

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Sonnenblume
Fibonacci-Folge in der Natur (Pixabay [CCO])
Es gibt viele kuriose Gedenktage im Laufe eines Jahres. Den Pi-Tag am 14. März oder der 4. Mai als besonderen Tag für alle Star-Wars-Fans ("May the force be with you!") haben wir hier schon thematisiert. Aber was hat es mit dem 23. November auf sich?

Zerlegt man das Datum in einzelne Ziffern und bedient sich der US-amerikanischen Schreibweise, so ergibt sich die Zahlenfolge "1,1,2,3". Richtig, es handelt sich um den Anfang der Fibonacci-Zahlenreihe, benannt nach dem italienischen Mathematiker Leonardo von Pisa, wobei die Null weggelassen wurde.

Sie ist zweifellos eine der faszinierendsten Zahlenfolgen, da sie auch in der Natur in vielen überraschenden Formen wiederzufinden ist. Die Fibonacci-Folge beginnt mit 0 und 1, wobei jede nachfolgende Zahl die Summe ihrer beiden Vorgänger ist, also 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, ...

Mit Faszination meine ich natürlich nicht den Wettlauf um die größte bekannte Fibonacci-Zahl, denn das ist ein unendliches Spiel, was relativ einfach zu programmieren ist, allerdings jede Menge sinnlosen Strom verbraucht. Was haben wir davon? Gleiches gilt für die ungeklärte Frage, ob es unendlich viele Fibonacci-Primzahlen gibt, also Fibonacci-Zahlen, die gleichzeitig Primzahl sind wie die Zahl 13. Sicher werden jetzt Mathematiker protestieren, aber diese Diskussion über Sinn und Unsinn mancher Forschung muss auch jeder Chemiker oder Physiker führen, der Grundlagenforschung betreibt und dafür Mittel einwerben will. Was hat das, was ich vorhabe, vielleicht irgendwann, irgendwo für eine Praxisrelevanz?

Nein, mit Faszination meine ich die teils rätselhaften Vorkommen von Fibonacci-Zahlen in der Botanik, in der Zoologie, ja sogar in der Architektur und der Kunst. Es gibt sogar eine vermeintlich risikoarme Anlage-Strategie für Aktien, die auf dieser magischen Zahlenfolge basiert.

In der Botanik sind Fibonacci-Zahlen besonders auffällig bei spiralartigen Mustern und Blattanordnungen um einen Stamm, in den Verzweigungen von Pflanzen, in der Anordnung von Kernen in Früchten und in der Struktur von Blüten. Beispielsweise weisen Sonnenblumen oft 34, 55 oder 89 Spiralen auf. Drei Zahlen, die sicher nicht zufällig in der Fibonacci-Sequenz vorkommen.

Auch im Tierreich lassen sich Fibonacci-Zahlen entdecken. Das bekannteste Beispiel ist vielleicht die Schnecke, deren Gehäuse oft einem logarithmischen Spiralverlauf folgt, der mit der Fibonacci-Sequenz in Verbindung steht. Ebenso finden sich diese Muster in den Schuppen von Fischen und den Federn von Vögeln.

Die Fibonacci-Zahlen stehen außerdem in enger Beziehung zum Goldenen Schnitt, einer bekannten Proportion (1: 1,61803), die von vielen Menschen als ästhetisch besonders ansprechend empfunden wird. Der Quotient zweier aufeinanderfolgender Fibonacci-Zahlen nähert sich nämlich immer weiter dem Zahlenwert für den Goldenden Schnitt an, je größer diese sind (zum Beispiel: 13:8 = 1,625, 89:55 = 1,61818). Dabei alternieren aufeinanderfolgende Werte genau um den exakten Wert des Goldenen Schnitt; eine irrationale Zahl, von der mehr als 10 Billionen Dezimalstellen bekannt sind, was auch immer man mit diesem Wissen anfangen kann.

Die Präsenz der Fibonacci-Zahlen in der Natur wirft viele Fragen auf. Eine Erklärung könnte sein, dass diese Anordnungen einen evolutionären Vorteil bieten, indem sie beispielsweise eine maximale Exposition zur Sonne oder eine effiziente Raumnutzung ermöglichen. Daher sind diese Muster nicht nur ästhetisch ansprechend, sie könnten auch tiefere Einblicke in die fundamentalen Prinzipien des Lebens und Wachstums bieten. Oder wir erfreuen uns einfach nur an der ästhetischen Schönheit von Pflanzen, Schneckenhäusern, Gebäuden oder Kunstwerken.

Das alles hatte Leonardo da Pisa, wie Fibonacci auch wegen seines Herkunftsorts genannt wird, damals sicher gar nicht im Sinn. Er war ein Rechenmeister, der um 1170-1240 in Pisa gelebt hat. Auf seinen Reisen in die arabische Welt lernte er viel über Mathematik, was in Italien damals noch nicht bekannt war. Als Ergebnis dieser Bildungsreisen verfasst er im Jahr 1202 ein Lehrbuch, in dem er diese besondere Zahlenfolge erstmals präsentierte. Sie sollte später seinen Namen tragen.

In einem hypothetischen Gedankenexperiment ging es ihm damals um die Vermehrung einer Kaninchenpopulation, für die die Zahlenfolge Anwendung findet. Erst viel später entdeckte man dann die weiteren Korrelationen zur Natur und dem Goldenen Schnitt. Da sein genauer Geburtstag nicht bekannt ist, wurde wahrscheinlich der 23.11. als offizieller Gedenktag für Leonardo da Pisa vorgeschlagen. Eine gute Idee, wie ich finde. Denn sonst fallen alle genialen Forscher und Entdecker aus Antike und Mittelalter in den Jahreskalendern durchs Raster, wenn man keinen bestimmten Tag für sie definiert.

Das passende Zitat zu dieser erstaunlichen Zahlenfolge stammt aus meiner Sicht von einem weiteren, noch bekannteren Wissenschaftsgenie und Universalgelehrten, der 300 Jahre später unser Wissen über die Welt bereichert hat, Galileo Galilei:

Die Mathematik ist das Alphabet, mit dem Gott die Welt geschrieben hat.
Galileo Galilei (1564-1642)

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» Der Goldene Schnitt

Autor:  

Dr. Torsten Beyer

Dr. Torsten Beyer


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