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14.05.2024

05.09.2023

Wie Pilzinfektionen eine Blutvergiftung auslösen

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Eine Blutvergiftung durch eine Pilzinfektion ist eine lebensbedrohliche Gefahr. Forschende der Universität Bern haben nun einen Mechanismus entdeckt, der einem Hefepilz dazu verhilft, sich einfacher innerhalb des Körpers zu verbreiten.

Eine Hauptrolle spielt dabei ausgerechnet das Immunsystem. Diese Erkenntnisse könnten neue Therapiewege für Blutvergiftungen durch Hefepilze, aber auch für andere innere Pilzinfektionen eröffnen.

Im Normalfall ist der Hefepilz Candida albicans ein harmloser Mitbewohner unserer Schleimhäute. Rund die Hälfte der Bevölkerung ist davon besiedelt, ohne es zu bemerken. Solange das körpereigene Abwehrsystem intakt ist, hält es den Pilz mühelos in Schach. Gefährlich wird es, wenn das Immunsystem geschwächt ist. Dies kann zum Beispiel bei Erkrankungen wie AIDS oder bei der Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr unterdrücken, der Fall sein.

Bei Personen mit gesundem Immunsystem können unter anderem chirurgische Eingriffe, die die Schleimhautbarriere verletzen, die Ausbreitung von Candida albicans begünstigen. Befindet sich der Hefepilz einmal in der Blutbahn, kann er eine Blutvergiftung (Sepsis) verursachen und so zu einer dauerhaften Schädigung der inneren Organe führen: Ein Drittel bis zur Hälfte der Patienten überlebt eine solche Pilzsepsis nicht.

Die natürliche Antwort des Immunsystems auf das Eindringen von Krankheitserregern ist eine Entzündungsreaktion. Dabei sorgt ein ausgeklügeltes Kontrollsystem dafür, dass dabei nur Eindringlinge bekämpft werden, ohne gleichzeitig gesundes Gewebe anzugreifen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei einem bestimmten Eiweiß zu, dem sogenannten Interleukin 1-Rezeptor-Antagonisten. Dieses Eiweiß ist der natürliche Gegenspieler des entzündungsfördernden Signalstoffs Interleukin 1. Es verhindert, dass dieses über das Ziel hinausschießt und unkontrollierte Entzündungsreaktionen in Gang setzt.

Entzündungshemmer schwächt Immunabwehr

Eine neue Studie unter der Leitung von PD Dr. med. Stefan Freigang vom Institut für Gewebemedizin und Pathologie (IGMP) der Universität Bern deutet nun darauf hin, dass der Interleukin 1-Rezeptor-Antagonist (IL-1Ra) trotz seiner entzündungshemmenden Funktion dazu beiträgt, die Ausbreitung von Candida albicans zu fördern. Dabei scheinen vor allem IL-1Ra, die von den sogenannten Fresszellen (Makrophagen) gebildet werden, von Bedeutung zu sein.

In Mäusen konnten die Forschenden zeigen, dass die Menge jener entzündungshemmenden Eiweiße in den Fresszellen zunahm, wenn Candida albicans in die Blutbahn eindrang, und dass sie aber in Folge die Immunabwehr störten. Sie hemmten nämlich die Produktion und das Ausschwärmen von Neutrophilen, einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen. Die Neutrophilen bilden eine wichtige frühe Barriere gegen Infektionen, indem sie regelmäßig durch die Blutgefäße patrouillieren, um eingedrungene Krankheitserreger zu beseitigen.

Mäuse, die genetisch darauf gezüchtet wurden, dass ihre Fresszellen keine der entzündungshemmenden Eiweiße mehr produzierten, verfügten über ein intaktes Arsenal an Neutrophilen. Dementsprechend konnten sie eine Infektion mit Candida albicans innert kurzer Zeit erfolgreich bekämpfen. In der Kontrollgruppe mit normalen Mäusen hingegen, die das entzündungshemmende Eiweiß produzierten, konnten sich die Pilze wegen der gehemmten Neutrophilen ausbreiten.

Interessanterweise führte der Verlust der entzündungshemmenden Eiweiße nicht zu einem Überschießen der Entzündungsantwort, wie es zu erwarten gewesen wäre, sondern zu einer Verminderung. "Wir erklären dies damit, dass genügend Neutrophile vorhanden waren, um den Hefepilz zu eliminieren, bevor er eine krankmachende Entzündungsreaktion auslösen konnte", sagt Stefan Freigang.

Wenn also weniger entzündungshemmende Eiweiße produziert werden, können die Neutrophilen als "erste Abwehrlinie" ungestört ihre Arbeit tun. Werden die Eiweiße aber von den Fresszellen gebildet, schwächt dies die Immunabwehr. Solche komplexen und dynamischen Interaktionen des Immunsystems können nur in einem lebenden Organismus abgebildet werden, wozu es in diesem Fall den Tierversuch mit genetisch veränderten und normalen Mäusen als Kontrollgruppe braucht.

Möglicher Therapieansatz

Die Forschungsergebnisse der Berner Forschenden könnten in Zukunft neue Therapieansätze ermöglichen. "Eine Pilzsepsis ist nach wie vor schwer zu behandeln und mit einer hohen Sterberate verbunden. Um wirksamere Behandlungsstrategien entwickeln zu können, braucht es ein besseres Verständnis der zugrundeliegenden Krankheitsmechanismen", erklärt Stefan Freigang. In einem nächsten Schritt wollen die Forschenden anhand von Proben von Patienten die Beobachtungen aus dem Mausmodell bestätigen und untersuchen, ob das spezifische Eiweiß auch beim Menschen Infektionen mit Candida albicans begünstigt. "Sollte sich dies bestätigen, könnten Wirkstoffe, die gegen das Eiweiß gerichtet sind, als neue Strategie zur Bekämpfung des Hefepilzes und eventuell auch anderer Pilzinfektionen eingesetzt werden", so Freigang.

Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Immunity veröffentlicht.

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Quelle: Universität Bern