Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
29.04.2024

07.12.2023

Scharf, schärfer, "Hot Chip Challenge" - Gesundheitliche Wirkungen von scharfen Speisen

Dr. Ralf Pätzold , Landesbetrieb Hessisches Landeslabor

Teilen:


Bei Wettbewerben geht es immer wieder um den Verzehr von scharfen Gerichten und Zubereitungen. Aktuell gibt es die sogenannte Hot Chips Challenge, bei der ein mit extrem scharfen Chilipulver bestreuter Tortillachip verzehrt wird. Wie scharf sind diese Maischips

Einleitung

Scharfe Speisen machen in vielen Gesellschaften wichtige Bestandteile der Ernährung aus. Die Bandbreite der dabei üblichen Schärfegrade differiert stark und ist auch sicherlich einem gesellschaftlichen Wandel unterworfen. Speisen, die vor einigen Jahren noch als von der Durchschnittsbevölkerung als nicht verzehrbar gegolten hätten, sind heute eher im moderaten Bereich anzusiedeln. Auch wird ein gewisser "Gewöhnungseffekt" beim Geschmackseindruck "scharf" beobachtet, was zu immer extremeren Rezepturen führen kann. Dabei gibt es vielfältige pflanzliche Quellen für die Erzielung dieses Geschmackseindruckes.

Stoffe mit scharfem Geschmack

Strukturformel Capsaicin
Abb.1: Capsaicin ©Wikipedia
Zahlreiche Verbindungen oder Verbindungsklassen, die diesen Eindruck hervorrufen, sind bekannt. Dies sind z.B. Isothiocyanate aus Senf, Meerrettich und Wasabi, Piperin aus Pfeffer und Shogaol aus Ingwer. Die wichtigste und die am breitesten Verwendung findende Gruppe der Scharfstoffe wird jedoch aus Paprikagewächsen gewonnen. Leitsubstanz neben einer Reihe von Begleitstoffen ist hierbei das Capsaicin (Abbildung 1).

Messen des Schärfegrades mittels der Scoville-Scala

Früchte von California Reaper
Abb.2: Früchte von California Reaper
©Wikipedia
Da es sich, wie oben schon angedeutet, bei dem Geschmackseindruck "scharf" wie bei allen Sinneswahrnehmungen um sehr subjektive Empfindungen handelt, wurde schon vor 100 Jahren versucht, für die aus Paprika und Chili resultierende Schärfe objektive Daten zu gewinnen. Die hierfür dienende sogenannte Scoville-Scala (benannt nach dem Pharmakologen Wilbur Scoville) kann letztendlich auf den Gehalt an Capsaicin zurückgeführt werden. Zur Ermittlung eines Scoville-Wertes oder einer Scoville unit (SCU) wurden ursprünglich 1 Gramm gemahlener Chili in 100 Milliliter Alkohol suspendiert und das klare Filtrat so lange mit Wasser verdünnt, bis keine Schärfe mehr festzustellen ist. Reines Capsaicin hat demnach 16,1 Millionen Scoville-Einheiten, es würden 16,1 Millionen Milliliter, also 16.100 Liter, Wasser benötigt, um die Schärfe von 1 g Capsaicin zu neutralisieren [1].

Bei den zahlreich auf dem Markt verbreiteten Chili- und Paprikasorten ergibt sich ein breit gefächerter Schärfebereich, der von einem Scoville-Grad von 0 für "Gemüsepaprika" bis zu 2,2 Millionen für den aktuellen Spitzenreiter "California Reaper" (Abbildung 2) reicht.

Gesundheitliche Wirkungen von scharfen Speisen

Neben den bekannten temporären Effekten von scharfen Speisen wie Brennen auf der Zunge, Taubheitsgefühl und Augentränen können beim Verzehr von sehr scharfen Produkten ernste Gesundheitsschäden, wie Schleimhautreizungen, Übelkeit, Erbrechen, Bluthochdruck oder allergisch bedingte Unverträglichkeiten auftreten [1]. Auch sind schwerwiegendere Folgen bei kleinen Kindern in der Literatur beschrieben [2].

mit Chilipulver bestreuter Tortillachip
Abb.3: Ein mit Chilipulver bestreuter
Tortillachip der "Hot Chip Challenge" ©LHL
Wettbewerb beim Verzehr von besonders scharfen Zubereitungen

Dennoch ist immer wieder der Verzehr von besonders scharfen Gerichten und Zubereitungen Bestandteil von Wettbewerben oder sogenannte Challenges. In der Vergangenheit wurde dies insbesondere über extrem scharfe Würzen und Saucen erzielt, beispielsweise bei "Currywurst".

Der neueste Trend in diesem Bereich ist die sogenannte "Hot Chips Challenge", bei der ein mit extrem scharfen Chilipulver (u.a. laut Angaben aus California Reaper) bestreuter Tortillachip (Abbildung 3) am Stück verzehrt werden soll. Im Anschluss darf fünf Minuten nichts mehr zu sich genommen werden, um eventuell die eintretende Wirkung abzuschwächen.

Es ist vorgesehen, die Reaktionen filmisch festzuhalten und der so entstandene Clip auf ein Internetportal hochzuladen. Zusätzlich befindet sich weiteres Material wie Kunststoffhandschuhe und Aufkleber in der Packung. Diese ist mit Warnhinweisen zum Verzehr und zur vorgesehenen Altersgrenze von 18 Jahren versehen. Allerdings sind diese Hinweise teilweise in Englisch abgefasst, sodass insbesondere für kleinere Kinder die Gefahr des Nichtverstehens besteht.

Ergebnisse und Fazit

Im Zuge des risikoorientierten Verbraucherschutzes wurden im LHL bisher 27 Proben (Stand Oktober 2023) der "Hot Chip Challenge" auf ihren Capsaicingehalt untersucht. Dabei ergaben sich Gesamtcapsaicingehalte von ca. 4.000 bis 19.700 mg/kg für den jeweils enthaltenen Chip. Neben der auffallend hohen Schwankungsbreite ist die offensichtlich erreichbare absolute Höhe der Capsaicingehalte besorgniserregend. Bisher wurden nach einer Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) Produkte (hier Würzsaucen) ab einem Gehalt von 6.000 mg/kg Capsaicin als potenziell gesundheitsschädlich angesehen [2].

Für den Tortillachip in der Hot Chip Challenge kann diese Abschätzung nur bedingt herangezogen werden, da sich die "Verzehrgewohnheiten" von Würzsoße und der "Hot Chip Challenge" stark unterscheiden. So kann beispielsweise davon ausgegangen werden, dass Würzsoße kaum direkt verzehrt werden, vor dem Kontakt mit der Mundschleimhaut also noch ein gewisser Verdünnungseffekt stattfindet. Bei mit den Vorgaben übereinstimmender Durchführung der Hot Chip Challenge, siehe oben, tritt jedoch eine bis zu mehr als dreifach erhöhte Capsaicinkonzentration direkt mit der Mundschleimhaut in Kontakt. Derzeit werden vom BfR weitere toxikologische Studien hierzu geprüft.

Literatur

  1. Zu scharf ist nicht gesund - Lebensmittel mit sehr hohen Capsaicingehalten können der Gesundheit schaden, Stellungnahme Nr. 053/2011 des BfR vom 18. Oktober 2011,
  2. Scharfe Mutprobe: Extrem scharfe Speisen können besonders Kindern gesundheitlich schaden, Mitteilung 39/2023, BfR vom 7. September 2023


» Artikel als pdf (279 KByte)