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05.05.2024

06.04.2023

Milde Phytopharmaka am Wegesrand - Breit- und Spitzwegerich

Prof. Wolfgang Hasenpusch , CLB Chemie in Labor und Biotechnik

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Die Wegerich-Pflanzen aus der Familie der Bedecktsamigen Pflanzen sind in allen Klimazonen zu finden. Auf unseren heimischen Wiesen und an Wegesrändern sind der Breitwegerich und der Spitzwegerich unverkennbar leicht zu entdecken. Vielen Menschen sind die medizinischen Anwendungen, wie beispielsweise die Spitzwegerich- Auszüge als Hustensaft, bekannt. Weniger vielleicht, dass auch die Inhaltsstoffe dieser Phytopharmaka eine Gratwanderung zwischen wünschenswerter Linderung und ihrer toxischen Eigenschaften darstellen, so sie im Übermaß oder in aufkonzentrierter Form zum Einsatz kommen.

Inhaltsstoffe

Erstaunlicherweise beschreibt die Literatur für den Breitwegerich und den Spitzwegerich, trotz ihrer nahen Verwandtschaft, auch unterschiedliche Inhaltsstoffe: im Breitwegerich Aucubin, Catalpol, Allantoin, Asperulosid, Loganin und Salicylsäure, neben Alkaloiden, Bitter-, Schleim- und Gerbstoffen sowie Kalium, Zink und Kieselsäure (SiO2) u. a. [5, 7, 8]. Im Spitzwegerich findet man zwar ebenso Aucubin, Catalpol, Allantoin, Asperulosid, Loganin und Salicylsäure aber auch Chlorogensäure und Ursolsäure [3, 9, 10].

Aucubin und Catapol

Breit- und Spitzwegerich
Breitwegerich (A) und Spitzwegerich (B)
am Wegesrand

Aucubin ist ein häufig vorkommendes, für die Pflanze nicht lebensnotwendiges Glykosid, das aus dem "Aglycon" (= Nicht-Zucker-Teil) Aucubigenin und einem Glucose-Molekül besteht. Als Monoterpen wird das Aucubigenin aus zwei Isopren-Einheiten (2-Methylbuta-1,3-dien; H2C=C(CH3)-CH=CH2) mit je fünf Kohlenstoffatomen in der Pflanze synthetisiert. Da eine Methylgruppe während der Biosynthese zur Carbonsäure-Gruppe oxidiert und sich dann als Kohlenstoffdioxid abspaltet, besitzt das Aglycon Aucubigenin nur neun Kohlenstoffatome.

Da Aucubin antibiotisch wirkt, schimmeln die Säfte der Wegerich-Pflanzen nicht, wie die der
meisten anderen Pflanzen. Augentrost und die Königskerze enthalten ebenfalls das entzündungshemmende Aucubin. Wenn das bitter schmeckende Aucubin nicht schon durch unsachgemäße Trocknung oder Aufbewahrung von Wegerich-Blättern verloren geht, zersetzen es auch die Darmbakterien, so dass es in Tee-Zubereitungen oft ohne pharmakologische Wirkung bleibt [11, 12].

Aufgrund der Gesundheitsschädlichkeit sind ohnehin nur kurze Konsum-Intervalle angeraten. Nicht weniger zur Vorsicht gemahnt das analoge Epoxidierungs-Produkt Catalpol. Viele Epoxide besitzen ein hohes Allergisierungs-Potenzial. Allerdings weist die Literatur auf der Grundlage der Europäischen GHS-Verordnung (GHS = Globally Harmonized System) noch keine aktuelle Gefahrstoff-Einstufung für Catapol aus.

Allantoin

Das Allantoin untersuchte bereits Friedrich Wöhler (1800-1882) in Zusammenarbeit mit Justus von Liebig (1803-1873). Sie synthetisierten das Allantoin durch Oxidation mit Bleioxid aus der Harnsäure. Durch Erhitzen von Glyoxylsäure (Glyoxalsäure) mit Harnstoff bei 100 °C ist die Verbindung ebenfalls herstellbar.

Allantoin ist als Wirkstoff auch in anderen heimischen Pflanzen enthalten, besonders im Beinwell. Die Kosmetik-Industrie nutzt die Verbindung in Hautcremes, Duschgels, Sonnenschutzmitteln, Rasierwässern, Zahncreme und Deos. Auch das Allantoin zählt zu den gesundheitsschädlichen Verbindungen [13].

Asperulosid

Neben den Wegerich-Pflanzen enthält vor allem das Labkraut [14], der Waldmeister, nennenswerte Mengen, ca. 0,3 % an Asperulosid im frischen Kraut. Asperulosid ist ein Glykosid mit relativ niedrigem Schmelzpunkt. Als Gefahrstoff zitieren Sicherheits-Datenblätter die Verbindung mit dem Piktogramm und dem "Hazardous Statement" (Gefahren-Hinweis; H-Satz 302) als "gesundheitsschädlich bei Verschlucken" [15].

Loganin

Der Inhaltsstoff Logan löst sich gut in Wasser und reinem Alkohol, nicht dagegen in Ether, Essigester und Aceton. Obwohl das Glykosid als gesundheitsschädlich eingestuft wurde, besitzt es ein umfangreiches medizinisches Wirkungsspektrum. Beispielsweise hat es ausgewiesene Eigenschaften als Radikal-Fänger, festigt die Knochenstruktur und tötet Hepatitis C-Viren ab: IC50 = 41 µM [16, 17].

Weitere Inhaltsstoffe und die medizinischen Anwendungen des Wegerichs sind im vollständigen Artikel beschrieben.


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