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29.04.2024

01.08.2023

Bisher 4,2 Millionen Tierversuche im Zuge der europäischen Chemikalienverordnung REACH

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Vor 16 Jahren trat die Chemikalienverordnung REACH europaweit in Kraft. REACH verpflichtet die chemische Industrie, die Gesundheitsrisiken sämtlicher Chemikalien zu identifizieren, die in ihren Produkten zum Einsatz kommen.

Die Kehrseite von REACH ist, dass diese Gefahrenbewertung eine große Zahl an Tierversuchen erfordert. Wie viele genau, war bisher nicht klar. Das "Center for Alternatives to Animal Testing" (CAAT) mit Sitz in Baltimore und an der Universität Konstanz will nun Zahlen in die Debatte um REACH bringen.

In einer aktuellen Studie zeigen die Forscher auf Grundlage von Daten der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), dass bisher nach Hochrechnungen rund 4,2 Millionen Tiere für die Gefahrenbewertung im Zuge von REACH eingesetzt wurden (davon 1,3 Millionen Tiere in laufenden Studien). Weitere 3,5 bis 6,9 Millionen Tierversuche werden aufgrund der Novellierung von REACH aus dem Jahr 2022 erwartet.

Tierversuchsfreie, alternative Testmethoden kamen vergleichsweise selten zum Einsatz. So wurden sogenannte Read-Across-Methoden (Vorhersage der Toxizität aus dem Vergleich zu strukturell ähnlichen, bereits getesteten Chemikalien) in 75 Prozent der Fälle abgelehnt.

Tierversuchsfreie Ersatzmethoden

Die Forscher aus Konstanz und Baltimore setzen sich für den Einsatz von tierversuchsfreien Ersatzmethoden (New Approach Methodologies, NAMs) ein. "Einige dieser neuen Methoden sind nicht nur für großflächige Chemikalien-Screenings geeignet, sondern liefern zudem aussagekräftigere Ergebnisse als Tierversuche. Die Chemikalien werden dabei an menschlichen Zellen getestet - natürlich im Reagenzglas - oder die Wirkungen werden mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) durch Computerprogramme vorhergesagt", schildert Thomas Hartung, Direktor des Center for Alternatives to Animal Testing (CAAT) und Professor an der Universität Konstanz.

"Tierversuchsfreie Ersatzmethoden sind für eine zunehmende Breite an Testzwecken verfügbar. Das Ziel muss sein, die Gesetzgebung an den aktuellen wissenschaftlichen Stand anzugleichen", fordert Marcel Leist, Professor für In-vitro-Toxikologie an der Universität Konstanz und Co-Direktor des Center for Alternatives to Animal Testing Europe. Die Forscher des CAAT betonen dabei die Bedeutung davon, Wissenschaftler, Behörden und Industrie an denselben Tisch zu bringen, um die Einführung von Ersatzmethoden voranzubringen.

Über CAAT-Europe

Das Center for Alternatives to Animal Testing Europe (CAAT-Europe) mit Sitz in Konstanz wurde gemeinsam von Thomas Hartung und Marcel Leist gegründet. Es setzt sich weltweit für die Reduzierung von Tierversuchen durch die Entwicklung und Einführung von Ersatzmethoden ein. Hierfür kombiniert es Forschung, Informationsarbeit und schafft Austausch zwischen Wissenschaftler, Behörden und Industrie. Die Wissenschaftler des CAAT sind auch selbst direkt an der Entwicklung von tierversuchsfreien Ersatzmethoden beteiligt. Sie erfahren dabei Unterstützung durch das Landesnetzwerk Baden-Württemberg für Alternativmethoden (BW-3R) und durch die schweizerische Doerenkamp-Zbinden Stiftung. Mit der Professur von Marcel Leist wurde an der Universität Konstanz 2006 die erste Professur für Alternativmethoden zu Tierversuchen eingerichtet. Dem Forschungsteam gelang unter anderem die Entwicklung des weltweit ersten in vitro-Toxizitätstest für das periphere Nervensystem.

Datengrundlage

Daten der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zu Studien im Zuge von REACH seit 2009. Es wurden ausschließlich Studien im Bereich der Reproduktionstoxizität, Entwicklungstoxizität und zur wiederholten Verabreichung der Chemikalien erfasst.

Ergebnisse

Gemäß den Studien haben im Zuge von REACH seit 2009 Tierversuche mit 2,9 Millionen Tieren stattgefunden, hinzu kommen 1,3 Millionen Tiere in derzeit laufenden Tierversuchen. Weitere 3,5 bis 6,9 Millionen Tierversuche werden aufgrund der Novellierung von REACH aus dem Jahr 2022 erwartet.

» Originalpublikation 1

» Originalpublikation 2

Quelle: Universität Konstanz