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30.04.2024

10.10.2022

Größe eines exotischen Nickel-Isotops gemessen

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Eine internationale Forschungskooperation unter Leitung eines Kernphysik-Teams der TU Darmstadt hat den Ladungsradius des Isotops Nickel-56 bestimmt. Damit lässt sich erstmals der Verlauf des Ladungsradius entlang einer Isotopenkette über einen neutronenarmen doppelt-magischen Kern hinweg verfolgen. Das Ergebnis war für die Forschenden überraschend, liegt aber in guter Übereinstimmung mit den Ergebnissen modernster Kerntheorien.

Das Isotop Nickel-56 ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Es ist ein sogenannter Spiegelkern, weil er aus genauso vielen Protonen wie Neutronen (N=Z=28) besteht. Außerdem handelt es sich bei 28 um eine sogenannte "magische" Zahl, bei der im Schalenmodell des Atomkerns gerade eine Schale vollständig besetzt ist und der Kern damit eine erhöhte Stabilität besitzt.

Solche doppelt-magischen Kerne sind kugelförmig und lassen sich nur schwer verformen. Für Nickel-56 trifft dies allerdings nur zum Teil zu. Das Isotop lässt sich beispielsweise leichter verformen als sein ebenfalls doppelt-magischer "Verwandter", das Isotop Calcium-48, das ebenfalls 28 Neutronen, aber nur 20 Protonen besitzt. Die "Güte" oder "Stärke" des Schalenabschlusses bei N=28 ist für Calcium-48 also höher als bei Nickel-56. Ziel der Messung war es festzustellen, ob sich diese "Stärke" auch im Verlauf der Ladungsradien ablesen lässt.

Erhöht man die Zahl der Neutronen eines Kerns, wächst in den meisten Fällen auch der Ladungsradius - also die mittlere Größe der Verteilung der positiv geladenen Protonen - gleichmäßig an. Erreicht man allerdings eine magische Neutronenzahl, so wächst der Ladungsradius beim weiteren Hinzufügen von Neutronen sehr viel rascher an als zuvor.

Diese abrupte Änderung der Steigung äußert sich in einem "Knick" im Verlauf der Ladungsradien. Dies ist für alle herkömmlichen magischen Zahlen, bei denen die Ladungsradien bislang gemessen wurden (N=28, 50, 82, 126) mit Ausnahme von N=20, experimentell belegt. Allerdings handelt es sich dabei in allen Fällen um Schalenabschlüsse in neutronenreichen Kernen, da diese leichter zu produzieren sind. Durch die Messung der Ladungsradien von Nickel-56 und Nickel-55 sollte jetzt erstmals ein direkter Vergleich eines neutronenreichen und eines neutronenarmen doppelt-magischen Isotops erreicht werden, um festzustellen, ob sich die Güte des Schalenabschlusses auch anhand der Ladungsradien bestimmen lässt.

Am National Superconducting Cyclotron Laboratory an der Michigan State University (NSCL/MSU) fanden die Forscherenden exzellente Bedingungen zur Erzeugung und laserspektroskopischen Messung der Ladungsradien dieser Isotope am Experiment BECOLA (Beam Cooling and Laser spectroscopy). "Zu unserer Überraschung stellten wir fest, dass der Knick in den Ladungsradien bei Nickel-56 exakt genauso stark ist wie bei Calcium-48," erläutert Felix Sommer, der als Doktorand in der Arbeitsgruppe von Professor Wilfried Nörtershäuser die Daten analysiert hat und Erstautor der Veröffentlichung ist.

Theoretische Berechnungen dieser Kerne wurden sowohl mit ab-initio-Theorien - also auf Basis individueller Neutronen und Protonen - durchgeführt (Arbeitsgruppen von Professor Achim Schwenk und Professor Robert Roth, TU Darmstadt) als auch mit Dichtefunktionalrechnungen, die auf kontinuierlichen Dichte- und Stromverteilungen der Nukleonen beruhen (Professor P.-G. Reinhardt, Universität Erlangen-Nürnberg).

In beiden Fällen ergab sich eine exzellente Übereinstimmung mit den experimentellen Daten. Damit weisen die experimentellen und die theoretischen Ergebnisse darauf hin, dass die Steigungsänderung der Ladungsradien am magischen Schalenabschluss nicht unmittelbar als Maß der Güte des Schalenabschlusses herangezogen werden kann.

Der Betrieb des NSCL an der MSU wurde mittlerweile eingestellt und durch die neue Anlage FRIB (Facility for Radioactive Ion Beams) ersetzt, die in Zukunft noch exotischere Isotope erzeugen wird. Die Kernphysiker der TU Darmstadt planen bereits weitere Arbeiten, mit denen sie die neuen Forschungsmöglichkeiten nutzen können.

» Originalpublikation

Quelle: Technische Universität Darmstadt