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03.05.2024

12.08.2022

Zeitkapseln aus der Frühzeit der Erde

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Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Leitung von Prof. Dr. Christoph Heubeck von der Friedrich-Schiller-Universität Jena führte in Südafrika Bohrungen durch, mit deren Hilfe sich viele Fragen aus der Frühzeit unseres Planeten beantworten lassen. Das Besondere an den dabei gewonnenen Bohrkernen ist ihr Alter: Sie stammen aus dem "Barberton Grünsteingürtel" nahe Südafrikas Grenze zu Eswatini (dem früheren Swasiland) und lassen sich auf etwa 3,2 Milliarden Jahre datieren.

"Diese Bohrkerne sind gewissermaßen Zeitkapseln, in denen Informationen aus der Frühzeit der Erde gespeichert sind", sagt Prof. Dr. Christoph Heubeck. Die Bohrungen begannen, zeitweilig mit drei Bohrgeräten gleichzeitig, im November 2021. Ende Juli ist die Bohrkampagne des Projekts BASE (Barberton Archean Surface Environments) mit der letzten von insgesamt acht Bohrungen abgeschlossen worden. Ab September werden 3.131 Meter Kernmaterial durch ein internationales Team unter Heubecks Leitung wissenschaftlich detailliert ausgewertet.

Erkenntnisse der frühesten Erdgeschichte helfen der Raumfahrt

"Diese Gesteinsfolgen repräsentieren eine extrem hochauflösende Aufzeichnung eines kurzen Abschnitts der frühesten Erdgeschichte", sagt Christoph Heubeck. Die Ablagerungsrate der Sedimente schätzt der Geologe auf etwa einen Meter pro tausend Jahre, vergleichbar mit Ablagerungsraten an vielen heutigen Küsten. Aus den Bohrkernen lässt sich eine Vielzahl von Informationen gewinnen, beispielsweise über die Mondumlaufbahn, Tiden, Vulkanismus, UV-Strahlung, Meteoriteneinschläge, Temperatur der Ozeane und Atmosphäre sowie die Intensität chemischer Verwitterung.

Ein Hauptziel der Bohrungen waren fossile mikrobielle Matten, die auf küstennahen Sanden und Geröllflächen weit verbreitet waren und gelegentlich austrockneten. "Wie konnte sich Leben in dieser herausfordernden, hochenergetischen Umgebung halten und ausbreiten?", fragt Christoph Heubeck. Antworten auf diese Fragen erlauben auch Rückschlüsse auf die Frage nach Leben auf anderen Planeten. Nicht von ungefähr habe sich die US-amerikanische Raumfahrtagentur NASA an den Kosten des Projekts beteiligt. Das Projekt BASE nahm in einem siebenjährigen Qualifikationsprozess Gestalt an.

Hauptfinanzier ist das in Potsdam ansässige International Continental Scientific Drilling Program (ICDP), ein Konsortium für wissenschaftliches Bohren mit 21 Mitgliedsstaaten. Insgesamt wurden 1,8 Millionen Euro für die Bohrkosten und ein Mehrfaches dieser Summe für die Gehälter der beteiligten Doktoranden sowie Postdocs eingeworben.

Die Bohrkrone frisst sich vom ältesten Gestein in jüngere Schichten

Um die Bohrkerne zu gewinnen, fraß sich ein Diamantkernbohrer ins Gestein. Weil die Gesteinsschichten stark verfaltet sind und die Schichten senkrecht stehen, bohrte sich der Kernmeißel in einem Winkel von 45 Grad bis in eine Tiefe von etwa 300 Metern in das Gestein, oft von älteren in jüngere Gesteinsschichten. "Pro Tag wurden etwa 20 bis 40 Meter Kerne gezogen", sagt Christoph Heubeck.

Diese werden markiert, in Längsrichtung zersägt, fotografiert und beschrieben. Eine Hälfte verbleibt im nationalen Kernlager Südafrikas, faktisch eine "Bibliothek des Untergrunds", die andere Hälfte wird in das Kernlager des ICDP-Konsortiums nach Berlin-Spandau verschifft. Dort werden sie nochmals detailliert dokumentiert und nach einem Beprobungs-Workshop den beteiligten Forschungseinrichtungen zur Verfügung gestellt.

Schon jetzt kann Prof. Heubeck erste Erkenntnisse an den Bohrkernen ablesen. So zeigen etwa Gezeitenablagerungen, dass die Entfernung zwischen Erde und Mond viel geringer war als heute. "Der Mond kreiste näher und schneller um die Erde; zugleich rotierte die Erde schneller", sagt Prof. Christoph Heubeck. Als schwarze Streifen finden sich zudem Lagen mikrobieller Matten, die im Flachwasser wuchsen. Ungestört von heutigen tierischen Fressfeinden wie Würmern oder Schnecken betrieben sie Fotosynthese.

Dabei entstand als Abfallprodukt Sauerstoff, der für höherentwickeltes Leben unabdingbare Voraussetzung ist. Es sei einfach erstaunlich, in welcher - für uns - lebensfeindlichen Umgebung diese Mikrobenmatten gediehen, sagt Christoph Heubeck. Der Geologe rechnet mit zahlreichen weiteren spannenden Entdeckungen aus den Bohrkernen; ihre Auswertung wird die nächsten Jahre in Anspruch nehmen.

Quelle: Universität Innsbruck