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20.05.2024

25.10.2019

Ferroelektrizität in Aluminiumscandiumnitrid nutzbar machen

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Forscher an der Christian-Albrechts-Universität CAU zu Kiel entdeckten im vergangenen Jahr erstmals Ferroelektrizität in einem III-V-Halbleiter-basierten Material. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 2,3 Mio. Euro geförderten Projekt untersucht das Fraunhofer IAF zusammen mit dem Fraunhofer ISIT in Itzehoe und der CAU in Kiel, inwieweit diese vielversprechende Entdeckung technisch nutzbar gemacht werden kann.

Piezoelektrische Materialien erzeugen elektrische Spannungen, wenn sie verformt werden und umgekehrt ändern sie ihre Form, wenn man an sie eine elektrische Spannung anlegt. Mit diesen Materialien können also Bewegungen in elektrische Signale und elektrische Signale in Bewegung gewandelt werden.

Sie werden für Mikroantriebe genutzt, um beispielsweise Chiplautsprecher anzutreiben oder winzig kleine Laserscannerspiegel in Bewegung zu setzen. Den umgekehrten Effekt verwenden die Entwickler, wenn es darum geht, aus Bewegungen elektrische Signale zu erzeugen, wie beispielsweise in Mikrofonen oder magnetisch arbeitenden Sensoren.

An der CAU in Kiel am Institut für Materialwissenschaften wird unter anderem Aluminiumscandiumnitrid (AlScN), ein III-V-Verbindungshalbleiter, als vielversprechendes piezoelektrisches Material erforscht. Bei diesen Untersuchungen hat der Materialwissenschaftler Simon Fichtner die Entdeckung gemacht, dass dieses Material auch ferroelektrische Eigenschaften besitzt. Das bedeutet, dass Kristalle aus AlScN eine permanente, räumliche elektrische Ausrichtung besitzen können, die man beim Anlegen einer elektrischen Spannung schalten kann.

"Diese Eigenschaft kann beispielsweise dazu verwendet werden, Informationen zu speichern oder besonders große Kräfte für hocheffiziente Aktuatoren bereitzustellen. Damit kann diese Entdeckung in der Welt der Technik eine große Tragweite haben. Dies gilt insbesondere, da AlScN in Bezug auf wichtige ferroelektrische Parameter in Bereiche vorstößt, welche mit etablierten Materialien zuvor nicht möglich waren", erläutert Dr. Fabian Lofink, Geschäftsfeldleiter MEMS-Anwendungen am Fraunhofer ISIT.

In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 2,3 Mio. Euro geförderten Projekt "Ferroelektrizität in AlScN: Von der Entdeckung des Effekts zu disruptiven Bauelementen" soll nun in den kommenden vier Jahren das Innovationspotential dieser Entdeckung ausgelotet werden. Zusammen mit Kollegen vom Fraunhofer ISIT und dem Fraunhofer IAF konzentrieren die Wissenschaftler der CAU Kiel sich bei diesem Projekt auf zwei Typen von Bauelementen: einen Chiplautsprecher und einen speziellen Leistungstransistor. An dem Projekt sind darüber hinaus vier Firmen beteiligt, um den Transfer der wissenschaftlichen Ergebnisse in zukünftige Anwendungen zu beschleunigen.

Unter Nutzung des ferroelektrischen Effektes lassen sich verschiedene Schichten von AlScN ohne zusätzliche Ansteuerungen und Zwischenisolierungen übereinanderlegen. So werden Mikroantriebe erzeugt, welche deutlich leistungsfähiger sind als herkömmliche Piezoelektrika. In dem Projekt wird unter anderem der Ansatz verfolgt, einen mit AlScN-Strukturen angetriebenen effizienten Lautsprecher zu entwickeln.

Aber auch die Welt der elektrischen Mikrochips könnte mit dieser Entdeckung einen Innovationsschub erfahren. So arbeitet das Fraunhofer IAF im Rahmen des Projekts daran, auf Basis der ferroelektrischen Eigenschaft nichtflüchtige Transistoren zu entwickeln, die im Gegensatz zu herkömmlichen Transistoren ihren Schaltungzustand erhalten, auch wenn die elektrische Steuer-Spannung abgestellt wird. "Damit könnte es zum Beispiel im Bereich der Leistungselektronik möglich sein, Schaltfunktionen zu integrieren. ", erläutert Dr. Michael Mikulla, Geschäftsfeldleiter der Leistungselektronik am Fraunhofer IAF. Im Projekt sollen dazu ferroelektrische AlScN-Schichten mit Galliumnitrid-basierten Bauelementen für die moderne Mikroelektronik kombiniert werden.

"Mit dem Projekt wollen wir gleichermaßen unseren wissenschaftlichen Vorsprung aufrecht halten und die Ergebnisse zeitnah in Anwendungsprojekte transferieren, die das Potential für Sprunginnovationen haben", erläutert Prof. Bernhard Wagner, Leiter der Forschungsgruppe an der CAU und stellvertretender Leiter des Fraunhofer ISIT die Ziele des gemeinsamen Vorhabens. Aber auch die materialwissenschaftlichen Arbeiten sind noch längst nicht abgeschlossen. Entdecker Simon Fichtner: "Wir werden neben diesem Projekt natürlich auch weitere piezoelektrische Materialien in Betracht ziehen und untersuchen, ob nicht vielleicht auch diese Stoffe so verändert werden können, dass sie ferroelektrische Eigenschaften besitzen."

Quelle: Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie (ISIT)