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18.05.2024

13.08.2019

Neues Projekt gegen antimikrobielle Resistenzen

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Antibiotika-resistente Bakterien wurden 2015 für geschätzt 670.000 Infektionen und 33.110 zurechenbare Todesfälle in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verantwortlich gemacht. Global betrachtet könnten antimikrobielle Resistenzen bis 2050 jährlich zum Tod von bis zu zehn Millionen Menschen führen und Kosten in Höhe von bis zu 94 Billionen € (100 Billionen $) verursachen.

Im Februar 2017 veröffentlichte die WHO eine Prioritätenliste mit Pathogenen zur Entwicklung neuer Antibiotika. Carbapeneme-resistente, gram-negative Bakterien (Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii) standen mit höchster Priorität auf dieser Liste ganz weit oben.

Gram-negative antibakterielle Wirkstoffe NOW ("GNA NOW") ist eine von Evotec geführte gemeinsame Initiative von elf Partnern, die das Ziel hat, neuartige antibakterielle Wirkstoffe zu entwickeln und eine der drei gleichzeitig entwickelten Substanzen bis zum Abschluss von Phase-I-Studien zu bringen, eine weitere bis zur Stufe einer Investigational New Drug (IND) zu entwickeln und/oder bis zu zwei Substanzen bis 2024 zur Stufe eines klinischen Entwicklungskandidaten voranzutreiben. Das Projektmanagement liegt bei Lygature. Das Fraunhofer IME ist einer der insgesamt 11 Partner.

Das Projekt wird durch die Innovative Medicines Initiative (IMI) finanziert. Zu dem aus mehreren Stakeholdern bestehenden Konsortium gehören neun Partner aus akademischen Einrichtungen, der Industrie und KMUs: Nosopharm, BIOASTER, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, North Bristol National Health Service Trust, University of Liverpool, Inserm, Erasmus Medical Center, Medizinische Universität Wien und Fraunhofer IME.

Die Mitglieder von GNA NOW werden gemeinsam drei parallele Programme mit dem Ziel entwickeln, eines bis zum Abschluss von Phase-I-Studien zu bringen, eines bis zur Stufe einer Investigational New Drug (IND) zu entwickeln und/oder bis zu zwei Programme bis 2024 zur Stufe eines klinischen Entwicklungskandidaten voranzutreiben.

GNA NOW wird von IMI unterstützt, einem Joint Venture aus Europäischer Kommission und der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA), in der Evotec Mitglied ist. IMI wird als weltgrößte öffentlich-private Partnerschaft für Life Sciences Evotecs Beitrag um eine Förderung in Höhe von 12 Mio. € über die nächsten sechs Jahre ergänzen, um die Aktivitäten des Konsortiums zu finanzieren.

Damit können die elf Partner dieses Konsortiums zu jedem Abschnitt auf dem Weg der Wirkstoffforschung und -entwicklung europäische Exzellenzplattformen aufbauen. Experten aus Europa werden gemeinsam zur "Aufklärung des Wirkmechanismuses", "Medizinalchemie und Design", "in-vitro-Profiling", "Wirksamkeitsstudien", "PK/PD-Studien", "Sicherheit und ADME", "Chemistry, Manufacturing and Control (CMC)" sowie zu "klinischen Studien und Modellen" beitragen.

Dr. Cord Dohrmann, Chief Scientific Officer von Evotec, kommentierte: "Wir freuen uns außerordentlich, mit Unterstützung der Europäischen Kommission und der EFPIA die Initiative GNA NOW zu starten. Bakterielle Infektionen stellen auf der ganzen Welt eine Bedrohung dar und treiben den Bedarf nach innovativen Therapeutika mit neuen Wirkmechanismen voran. GNA NOW eröffnet die Möglichkeit, uns mit führenden Institutionen des öffentlichen und privaten Sektors europaweit zusammenzuschließen, um so schnell und effizient wie möglich neue gram-negative antibakterielle Wirkstoffe zu entwickeln."

Dr. Kristina Orrling, Programm-Managerin bei Lygature und Koordinatorin des GNA NOW-Projekts sagte dazu: "Durch diesen Zusammenschluss können wir die düstere Aussicht abwenden, dass eine einfache Harnwegsinfektion tödlich sein kann. Gemeinsam werden wir das Arsenal zur Bekämpfung bakterieller Infektionen stärken."

Dieses Projekt erhielt unter der Fördervereinbarung Nr. 853979 Mittel aus der Innovative Medicines Initiative 2 Joint Untertaking (JU). Die JU wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union sowie durch die EFPIA unterstützt.

Über die Innovative Medicines Initiative

Die Innovative Medicines Initiative (IMI) arbeitet an einer Verbesserung der Gesundheit durch die Beschleunigung der Entwicklung von Medikamenten der nächsten Generation und des Zugangs der Patienten, insbesondere in Bereichen mit ungedeckten medizinischen oder sozialen Bedarf.

Dies geschieht durch die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Hauptakteuren der Gesundheitsforschung einschließlich Universitäten, Pharmaunternehmen und anderer Unternehmen, die in der Gesundheitsforschung aktiv sind, kleiner und mittlerer Unternehmen (KMUs), Patientenorganisationen und medizinischer Regulierungsbehörden. Dieser Ansatz hat sich als äußerst erfolgreich erwiesen. IMI-Projekte führen zu interessanten Ergebnissen, mit denen die Entwicklung dringend benötigter neuer Behandlungen in unterschiedlichen Bereichen vorangetrieben werden kann.

IMI ist eine Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der europäischen Pharmaindustrie, die von der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) vertreten wird. Durch das IMI2-Programm verfügt die IMI für den Zeitraum von 2014 bis 2020 über ein Budget von 3,3 Mrd. €. Eine Hälfte davon kommt aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der EU.

Die andere Hälfte stammt von großen Unternehmen, vorwiegend aus der Pharmabranche; diese erhalten keine EU-Mittel, tragen jedoch mit Sachleistungen, z. B. durch die Bereitstellung der Arbeitszeit ihrer Forscher oder durch Zugänge zu Forschungseinrichtungen oder Ressourcen, zu den Projekten bei.

Lygature

Lygature ist eine gemeinnützige Stiftung, die als unabhängiger Koordinator des GNA NOW-Konsortiums agiert und Führung im Sinne von Vorankommen, Finanzierung, Kooperation und Kommunikation anbietet. Seit 2006 hat Lygature über hundert öffentlich-private Partnerschaften im Bereich Life Sciences und Gesundheit mit einem Gesamtbudget von deutlich über 600 Mio. € unterstützt.

Nosopharm

Nosopharm ist ein Biotechnologieunternehmen, das sich auf die Forschung und Entwicklung neuer antimikrobieller Moleküle spezialisiert hat. Nosopharm entdeckte und entwickelte NOSO-502, ein first-in-class-Antibiotikum zur Behandlung multiresistenter Krankenhausinfektionen.

Es entwickelte eine einzigartige Expertise für die Forschung an natürlichen bioaktiven Produkten, die von den Gattungen Xenorhabdus und Photorhabdus abstammen sowie im Bereich Medizinalchemie an Odilorhabdinen, der neuen Antibiotikaklasse, zu der auch NOSO-502 gehört. Nosopharm wurde 2009 gegründet und hat seinen Sitz im französischen Lyon. Es beschäftigt 7 Mitarbeiter. Bis heute hat das Unternehmen insgesamt 4,3 Mio. € (5,2 Mio. $) an Private Equity eingesammelt und 3,8 Mio. € (4,6 Mio. €) an Fördergeldern von Bpifrance, IMI, DGA, Region Languedoc-Roussillon und FEDER erhalten.

BIOASTER

BIOASTER ist ein unabhängiges, gemeinnütziges Technologie-Forschungsinstitut, das 2012 gegründet wurde. Es führt innovative Technologie-Forschungsprojekte in der angewandten Mikrobiologie durch: Besetzt mit hochrangigen Wissenschaftlern und Ingenieuren, setzen die BIOASTER-Teams in 8 integrierten Technologie-Units in den Laboren (BLS2-BLS3) an den Standorten Lyon und Paris modernste technische Geräte ein.

Das HZI

Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an anderen Standorten in Deutschland bakterielle und virale Infektionen sowie die Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Antiinfektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung, um die Grundlagen für die Entwicklung wirksamer neuer Therapien und Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten zu schaffen.

Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) in Saarbrücken gehört zum Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und wurde 2009 durch das HZI und die Universität des Saarlandes gegründet. Die Forscher suchen vor allem nach neuen Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten, optimieren diese Wirkstoffe für die Anwendung bei Menschen und untersuchen Wege, wie diese Wirkstoffe im Körper am besten zum Wirkort transportiert werden können.

NBT

Die mikrobiologische Forschungsabteilung des North Bristol Health Services Trust (NBT) bringt über 25 Jahre Erfahrung bei der Durchführung von PK/PD-in-vitro-Experimenten ein, die Wirkstoffforschungsprogramme unterstützen. Bei GNA NOW werden diese PK/PD-Auswertungen für den Erfolg des Programms entscheidend sein. NBT verfügt über Erfahrungen bei der Durchführung von vorgelagerten Qualitätsmanagementstudien in PK/PD-Programmen.

NBT wird diese Expertise durch die Entwicklung einer Qualitätsmanagement-Vorlage einbringen um sicherzustellen, dass sämtliche PK/PD-Experimente in den GNA NOW-Wirkstoffprogrammen nach derselben Vorlage durchgeführt werden. Damit wird das Ergebnis der Studien abgesichert, die Daten werden belastbar und die Regulierungsbehörden können darauf vertrauen, dass die präklinische Dosis-Bestimmung solide ist.

Die etablierte Gruppe zur Einbeziehung von Patienten und Öffentlichkeit (Patient and Public Involvement; PPI), hat an einer Reihe mikrobiologischer Forschungsprojekte mitgearbeitet. Die Gruppe hat zur Entwicklung eines Instrumentariums und praktischen Leitfadens zur Einbeziehung von Patienten und Öffentlichkeit (PPI) bei der Entwicklung antimikrobieller Wirkstoffe beigetragen und freut sich darauf, das Potenzial von PPI bei den präklinischen Aspekten des Entwicklungszyklus für antimikrobielle Medikamente zu untersuchen.

University of Liverpool

Das Centre for Antimicrobial Pharmacodynamics (CAP) hat seinen Sitz im Department of Clinical and Molecular Pharmacology des Institute of Translational Medicine der University of Liverpool. Das CAP ist eines der relativ wenigen akademischen Labore weltweit, die pharmakodynamische Pakete für neue antimikrobielle Wirkstoffe entwickeln können. Das CAP verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit präklinischen pharmakokinetischen/pharmakodynamischen (PK/PD) Auswertungen von Substanzen und bei der frühphasigen klinischen Unterstützung um sicherzustellen, dass neue Wirkstoffe auf rationalisierte Weise entwickelt werden.

Inserm

Die Forschungseinheit "Inserm U1070 - Pharmacology of Antimicrobial Agents" ist mit der Universität Poitiers verbunden. Sie wurde 2012 gegründet und umfasst 20 feste Mitarbeiter (Kliniker, Pharmazeuten, Wissenschaftler) und 13 Studenten (Doktoranden und Master-Studenten).

Es befindet sich auf dem Gelände der Universität Poitiers (Frankreich). Ziel von Inserm U1070 ist es, innovative PK/PD-Modellansätze zu finden, um für allein oder kombiniert verabreichte Antibiotika das beste Dosierungsschema sowie den besten Verabreichungsweg und die beste Formulierung auszuwählen, um die antimikrobielle Wirksamkeit zu erhöhen und die bakterielle Resistenz zu begrenzen.

Inserm U1070 führt translationale Forschungen durch, von Zellkulturmodellen bis zu Patienten, und integriert dabei Mikrobiologie, analytische Chemie, Wirkstoffformulierung und präklinische in-vivo-Experimente. Inserm U1070 wurde bisher durch die Region Nouvelle Aquitaine, ANR, PHRC, JPIAMR, IMI und CPER-FEDER gefördert. Sie hat Kooperationen mit ANSES, verschiedenen Universitäten in Frankreich (Paris Sud, Paris Diderot) und im Ausland (Dublin, Erasmus MC, Uppsala, Hamburg, Katholische Universität Louvain) sowie mit führenden Pharmaunternehmen etabliert.

Das Erasmus Medical Center

Das Erasmus Medical Center ist eines der größten akademischen Krankenhäuser Westeuropas, in dem über 14.000 Menschen beschäftigt sind. Seine Forscher sind an über 221 von der EU finanzierten Projekten beteiligt. Die Abteilung für medizinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten verfügt über Expertise in Pharmakologie und innovativen PK/PD-Ansätzen und forscht intensiv zu den Mechanismen antimikrobieller Resistenzen, ihrer Entdeckung und Charaktersierung. Sie hat über 40 Jahre Erfahrung mit Infektions-Tiermodellen in Verbindung mit antimikrobielen Resistenzen und Wirkstoffwirksamkeitsstudien.

Die medizinische Universität Wien

Die Medizinische Universität Wien (MUW) hat ihren Sitz in einem der größten europäischen Krankenhäuser. Innerhalb der Universität hat sich die Abteilung für klinische Pharmakologie auf klinische Studien mit antimikrobiellen Wirkstoffen spezialisiert. So wurden dort innerhalb der letzten 25 Jahre fast 1.000 Wirkstoffstudien durchgeführt und das Spektrum umfasst die gesamte Bandbreite an Phase-I-Studien, von Erststudien mit Patienten bis zu speziellen PK-Studien.

Damit wird die MUW das Wissen des Konsortiums auf die schnellstmögliche Weise und unter strengster Einhaltung der Vorschriften für Studien, an denen Menschen beteiligt sind, mit den Patienten verbinden. Die gewonnenen Daten schaffen die Grundlage für die Optimierung mittels PK/PD, um die Wirksamkeit zu verbessern und gleichzeitig Nebenwirkungen und die Entwicklung bakterieller Resistenzen zu verhindern.

Evotec SE

Evotec ist ein Wirkstoffforschungs- und -entwicklungsunternehmen, das in Forschungsallianzen und Entwicklungspartnerschaften mit führenden Pharma- und Biotechnologieunternehmen, akademischen Einrichtungen, Patientenorganisationen und Risikokapitalgesellschaften innovative Ansätze zur Entwicklung neuer pharmazeutischer Produkte zügig vorantreibt. Das Unternehmen ist weltweit tätig und bietet Lösungen im Bereich der Wirkstoffforschung und -entwicklung an. Dabei werden alle Aktivitäten vom Target bis zur klinischen Entwicklung abgedeckt. Evotec arbeitet in langjährigen Allianzen mit Partnern wie Bayer, Boehringer Ingelheim, Celgene, CHDI, Novartis, Novo Nordisk, Pfizer, Sanofi, Takeda, UCB und weiteren zusammen.

Quelle: Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME)