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20.05.2024

22.06.2018

Auswirkung von künstlichen und natürlichen Nanopartikeln auf die Umwelt untersucht

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Nanomaterialien bestehen aus winzigen Partikeln verschiedener Zusammensetzung. Sie kommen zum Beispiel in Textilien zum Einsatz und können sowohl aus der Fabrik als auch beim Tragen oder bei der Entsorgung ins Wasser gelangen. Seit Jahren untersuchen Forschungsgruppen der Eawag die Auswirkungen solch künstlich hergestellter Nanopartikel auf Mensch und Umwelt. Vorläufiges Fazit: Nanopartikel haben einen schlechteren Ruf, als sie verdienen.

Sie machen Kunststoffe stärker, halten UV-Strahlen ab, reduzieren den Schweissgeruch in T-Shirts oder sorgen für ein besseres Abperlen des Wassers: Künstliche Nanopartikel kommen in zahlreichen Produkten zum Einsatz. Sie sind einen bis hundert Nanometer klein - ein Haar hat bereits einen Durchmesser von etwa 10.000 Nanometern. Damit sind die Partikel schlecht fassbar, was vielleicht mit ein Grund ist für ihren oft zweifelhaften Ruf in der breiten Bevölkerung. Doch die Winzlinge sind keineswegs nur eine Erfindung des Menschen. Natürliche Nanopartikel finden sich in Vulkanasche oder im Rauch von Holzfeuern, und auch biologische und chemische Teilchen wie Fetttröpfchen in der Milch oder kleine Eiweiße im Blut sind nanoskalig.

Umwandlung in Kläranlage

Auch künstlich hergestellte Nanopartikel können in die Umwelt gelangen - während des gesamten Lebenszyklus eines Produkts. Wie sich die Partikel dort verhalten und welche Effekte sie auslösen, sind Fragen, mit denen sich Forschende weltweit seit Jahren auseinandersetzen. Einer von ihnen ist Ralf Kägi, Experte für Nanopartikel an der Eawag. In einer 2017 erschienenen Studie untersuchte er mit seinem Team beispielsweise die Umwandlung von Kupferoxid-Nanopartikeln im Abwasser. Diese kommen in Schalt- und Leiterbahnen oder auch bei der Holzimprägnierung zum Einsatz. Man vermutete, dass Kupferoxid in Kläranlagen zu Kupfersulfid umgewandelt wird und damit seine Toxizität weitgehend verliert. Tatsächlich: Innerhalb von Minuten werden Kupferpartikel zu Covellin, einem Kupfersulfid, umgebaut. Dieses Mineral findet sich in der Natur oft als dünne Schicht auf anderen Gesteinen. Dazu Kägi: "So werden die gelösten Kupfer-Ionen gebunden und die Partikel verlieren ihre nanospezifischen Eigenschaften."

Viele landen im Klärschlamm

Auch andere Nanopartikel werden in Kläranlagen schnell umgewandelt und gelangen zu 95 % bis 99 % in den Klärschlamm. "Dieser wird verbrannt und deponiert - damit sind die künstlichen Nanopartikel nicht mehr im Umlauf", sagt Kägi. Mit seinem Team hat er in verschiedenen Studien die Risiken mehrerer Nanomaterialien für Mensch und Umwelt analysiert. "Mit Silber, das vor allem in Textilien verwendet wird, haben wir angefangen. Unter realitätsnahen Bedingungen haben wir in Experimenten auf Pilotanlagen der Eawag auch Nanopartikel mit Kupfer, Zink, Titan oder Cer angeschaut", erzählt er. Letzteres wird in Schleifpulver und Glaslinsen verwendet, Titan ist ein Bestandteil von Sonnencremes und mit Kupfer werden Boote angestrichen. Die Resultate glichen sich: "Kläranlagen bauen die reaktiven Nanopartikel, die derzeit verwendet werden, relativ schnell in weniger bedenkliche Partikel um und entfernen sie so sehr effizient aus dem Abwasser."

Ökotoxikologie untersucht biologische Reaktionen

Eher mit fundamentalen Prozessen befasst sich die Abteilung Umwelttoxikologie unter der Leitung von Kristin Schirmer. "Wir erforschen den Einfluss insbesondere von häufig verwendeten metallischen Nanopartikeln auf Lebewesen verschiedener ökologischer Organisationsstufen: Von Algen über Biofilme, Zelllinien, Embryonen bis hin zu Fischen", erklärt Ökotoxikologe Ahmed Tlili. Diese Untersuchungen finden im Labor statt. Obwohl eine Reihe von Effekten bei sehr niedrigen Konzentrationen auftreten, sind die Konzentrationen in der Regel höher als jene in der Umwelt.

Die Ökotoxikologen haben beispielsweise untersucht, wie gut die Alge Chlamydomonas reinhardtii Cer und Ceroxid-Nanopartikel aufnimmt. Diese werden als Zusatzstoffe verwendet, zum Beispiel in Keramik für Zahnfüllungen, in der Beschichtung selbstreinigender Backöfen oder als Enttrübungsmittel in Spezialgläsern wie Windschutzscheiben. Für ihre Studie verglichen die Forschenden, wie der Wildtyp der Alge und ein Mutant ohne Zellwand gelöstes Cer und Cerdioxid-Nanopartikel aufnehmen. Beim Cerdioxid zeigte sich kein Unterschied, das gelöste Cer hingegen wurde vom Mutanten besser aufgenommen. Dies ließ die Forschenden vermuten, dass das zelluläre Cerium im Wildtyp stark an die Zellwand anhaftet und diese deshalb weniger passiert.

"Algen können Nanopartikel oft nicht aufnehmen", bestätigt Ahmed Tlili. "Sind allerdings metallische Bestandteile im Wasser gelöst, können diese bei Algen und Bakterien Effekte hervorrufen. Diese werden demnach indirekt von den Nanopartikeln hervorgerufen." Biofilme hingegen zeigen eine Reaktion auf die Nanopartikel: "Mikrobiologische Organismengruppen wachsen weniger und die Atmungsrate sinkt. Dadurch steht für höhere Organismen weniger Nahrung zur Verfügung", erklärt Tlili.

Künstliche und natürliche Quellen unterscheiden

Dank der umfassenden Forschung in verschiedene Stossrichtungen ist mittlerweile für die gängigen Nanopartikel besser bekannt, wie sie in die Umwelt gelangen und wo sie zum Schluss enden. Auch eine große Zahl an Analysemethoden steht heute zur Verfügung. Diese machen zum Beispiel möglich, künstliche und natürliche Nanopartikel zu unterscheiden. Ein Beispiel ist Titandioxid, das in Sonnencreme verwendet und beim Baden von der Haut abgewaschen wird. Filter von Schwimmbädern entfernen das Titan fast vollständig aus dem Wasser. Im Freibad, in Seen und Flüssen gibt es diese Barriere nicht. Titanhaltige Nanopartikel kommen aber auch natürlicherweise vor - in Gewässern in einer Konzentration von rund 5.000 Partikeln pro Milliliter.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie untersuchten Forschende der Universität Wien, der Eawag und der Schwedischen Hochschule für Landwirtschaft gemeinsam, ob und wie viel Titandioxid beim Baden aus Sonnencreme in Flüsse und Seen gelangt und später im Sediment abgelagert wird. Sie nutzten die Tatsache, dass natürliche Titanpartikel oft gemeinsam mit Eisen, Mangan, Blei oder Aluminium vorkommen, während bei künstlichen Titannanopartikeln kein typischer "Hintergrund" erkennbar ist. "Dadurch können wir unterscheiden, woher die Partikel kommen", sagt Kägi. In der Donau stellten die Forschenden fest, dass die Titanoxidkonzentration in der Badesaison anstieg. Dieser Eintrag via Sonnencreme war allerdings viel kleiner als der natürlich vorhandene Anteil.

Auch bei Ceroxid kann mittlerweile künstliches von natürlichem Nanomaterial unterschieden werden. Kägi erklärt: "Natürliches Ceroxid kommt im Gegensatz zu künstlichem meist zusammen mit Lanthan vor. Diese Tatsache macht eine Unterscheidung möglich."

Keine akuten Effekte unter natürlichen Bedingungen

Welche Fortschritte die Nano-Forschung in den letzten 10 Jahren gemacht hat und wie es weitergehen soll, dazu tauschten sich internationale Experten unter der Leitung der Empa und der Eawag im März 2017 auf dem Monte Verita aus. Sie hielten fest, dass sich in Laborexperimenten Effekte von Nanopartikeln auf diverse Organismen nach einer kurzen Exposition beobachten lassen. Diese treten aber vor allem bei hohen Konzentrationen auf, die sich in der Umwelt nicht beobachten lassen. "Solche Laborversuche sind wichtig, um grundlegende Prozesse zu verstehen. Aber oft sind sie relativ weit weg von der Realität", sagt Kägi. "Unter realitätsnahen Bedingungen sehen wir keine akuten Effekte auf Organismen und Ökosysteme - immer unter der Voraussetzung, dass die Nanomaterialien nicht aus toxischen Materialien wie Schwermetallen bestehen."

Forschungsfokus verlagert sich

Künftig möchten sich die Forschenden der Eawag auf die vielen noch offenen Fragen konzentrieren: Welche chronischen Effekte können künstliche Nanopartikel auslösen? Wie reagieren Lebensgemeinschaften und Ökosysteme, die langfristig einer Kombination verschiedener Nanomaterialien ausgesetzt sind? Was geschieht mit Nanomaterialien, wenn sie verbrannt werden? "Mit den großen vorhandenen Datenmengen wollen wir die Risikomodellierung verbessern", ergänzt Tlili. "Zudem wollen wir künftig weniger ursprüngliche Nanomaterialien erforschen und uns eher auf Partikel konzentrieren, die in der Umwelt gealtert sind." Letzteres gilt auch für die Forschung der Gruppe um Kägi. Geplant ist eine Untersuchung, wie Cerdioxid-Nanopartikel während des Klärprozesses sowie der Schlammbehandlung und -verbrennung umgewandelt werden. Zudem wollen die Forschenden herausfinden, ob die Nanopartikel aus der deponierten Asche des Klärschlamms wieder mobilisiert wird.

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Quelle: Eawag