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19.05.2024

08.01.2018

Materialauswahl und Funktionsweise von organischen Solarzellen verbessern

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Molekulare Halbleiter gelten als innovative Lösungen für optoelektronische Bauelemente und haben sich auf dem Markt längst durchgesetzt. Als organische Leuchtdioden (OLEDs) werden sie in high-end Displays eingesetzt, sind aber auch in der Photovoltaik nicht mehr wegzudenken. Hier gelten ihre einfache Verarbeitbarkeit und die große Absorption in dünnen Filmen als herausragende Eigenschaften; ihre Wirkungsgrade bleiben jedoch hinter etablierten siliziumbasierten Solarzellen zurück. Die Ursachen werden in der Fachliteratur kontrovers diskutiert, was auf die komplexen physikalischen Eigenschaften zurückzuführen ist. Dank einer erfolgreichen internationalen und interdisziplinären Kooperation sind Gießener und Marburger Wissenschaftlerteams jetzt auf der richtigen Spur, damit in Zukunft sowohl die Materialauswahl als auch die Funktionsweise von organischen Solarzellen verbessert werden kann.

Die einzelnen molekularen Bausteine der molekularen Halbleiter sind untereinander nur schwach gebunden, ähnlich wie beim Wachs in einer Kerze. Zudem können Festkörper desselben Moleküls mitunter verschiedene Kristallstrukturen, sogenannte Polymorphismen, annehmen. Diese unterscheiden sich unter Umständen stark in ihren optischen und elektronischen Eigenschaften, treten jedoch häufig als nanokristalline Gemische auf. Die Beschreibung der elektronischen Festkörpereigenschaften stellt daher noch immer eine große Herausforderung dar; man behilft sich häufig mit einer molekularen Beschreibung.

An diesem Punkt setzen die gemeinsamen Forschungsarbeiten von Gießener und Marburger Physikern in Kooperation mit Kollegen aus den USA und Israel an. Die Forscher konnten zeigen, dass es in kristallinen molekularen Festkörpern starke Effekte gibt - und zwar durch räumlich ausgedehnte, über mehrere Moleküle delokalisierte Anregungen, die einer vollkommenen quantenmechanischen Beschreibung mit festkörpertheoretischen Methoden bedürfen. Die Ergebnisse ihrer Arbeiten wurden jetzt in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) unter dem Titel Low-lying excited states in crystalline perylene: Experiment and theory publiziert.

Das Team um Prof. Dr. Sangam Chatterjee, I. Physikalisches Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), konnte die optischen Eigenschaften der fundamentalen Anregungen detailliert untersuchen und eine Referenz für die theoretisch arbeitenden Teams aus Übersee vorgeben. Dies wurde erst durch die gezielte Herstellung hochgeordneter Perylen-Einkristalle der beiden kristallinen Modifikationen in der Arbeitsgruppe "Molekulare Festkörper" von Prof. Dr. Gregor Witte am Fachbereich Physik der Philipps-Universität Marburg (UMR) überhaupt möglich. Dem Marburger Team war es gelungen, molekular glatte Kristallplättchen mit Dicken von weniger als 0.2 µm herzustellen, die deshalb noch halbtransparent sind. Präziseste Berechnungen an der Universität Berkeley und dem Lawrence-Berkeley Laboratory wurden in Kooperation mit den Forschern aus Israel und Boston entwickelt, um die benötigte Genauigkeit zu erzielen. Letztlich ist es in gemeinsamer Anstrengung gelungen, anhand einer detaillierten Analyse einerseits die optischen Signaturen den Festkörpereigenschaften zuzuordnen und andererseits die Validität der theoretischen Beschreibung sicherzustellen.

Es stellte sich heraus, dass für hochgeordnete Strukturen eine signifikante Delokalisierung der Anregungen zu beobachten ist, so dass eine Beschreibung auf molekularer Ebene - also für die einzelnen Baugruppen der Einkristalle - unzureichend ist. Ein Experiment-Theorie-Vergleich zeigte weiterhin, dass Molekülkristalle einer der beiden Modifikationen trotz ihrer geringen Dicke in einem bestimmten Spektralbereich als perfekter Spiegel fungieren und das Licht reflektieren. Dank dieser Kombination aus Experiment und Theorie konnte ein besseres Verständnis der Licht-Materie-Wechselwirkung in organischen Halbleitern erreicht werden. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen in Zukunft dazu genutzt werden, die Materialauswahl und Funktionsweise von organischen Solarzellen zu verbessern.

Die beteiligten Arbeitsgruppen aus Gießen und Marburg sind Mitglieder des Sonderforschungsbereichs "Structure and Dynamics of Internal Interfaces" (SFB 1083), der die Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen erforscht. Weiterhin kooperieren Gießener und Marburger Wissenschaftler regelmäßig im Rahmen des Campus-Schwerpunkts "Materialforschung" des Forschungscampus Mittelhessen, der gemeinsamen Einrichtung der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Philipps-Universität Marburg und der Technischen Hochschule Mittelhessen zur Stärkung der regionalen Verbundbildung insbesondere in der Forschung und der Nachwuchsförderung.

» Originalpublikation

Quelle: Universität Marburg