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09.05.2024

21.08.2017

Chancen und Risiken von "Open Science" untersucht

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"Open Science" soll Wissenschaft transparenter und demokratischer machen und Forschenden neue Perspektiven eröffnen. Was genau sich hinter dem Schlagwort der "Offenen Wissenschaft" verbirgt und ob die enormen Erwartungen realistisch sind, haben Experten für Technikfolgenabschätzung des Karlsruher Instituts für Technologie und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften untersucht. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt in der Fachzeitschirft TATuP - Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis veröffentlicht.

"In Zeiten von Fake News, Klimaleugnern und Impfgegnern steht die Wissenschaft zunehmend unter Druck", stellt Ulrich Riehm vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT fest. "Es ist gut vorstellbar, dass eine breitere Verfügbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse und eine engere Zusammenarbeit von Forschern und Bürgern dabei helfen, die gesellschaftliche Relevanz von Forschung und damit auch ihre Legitimation zu verbessern".

Die Europäische Union und andere Akteure versprächen sich von der Idee der Open Science nicht weniger als eine große Transformation der Wissenschaft und eine gänzlich neue Art wissenschaftlichen Arbeitens, so Riehm weiter. Digitale Kommunikationstechnologien machen es möglich. Weitestgehend offen sei hingegen, wodurch genau sich eine offene Wissenschaft künftig auszeichnen solle. Gemeinsam mit Michael Nentwich, Leiter des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, unterscheidet er verschiedene Dimensionen von Open Science: Angefangen beim kostenfreien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsdaten unter dem Stichwort Open Access, über die gemeinschaftliche Wissensproduktion - das heißt die Zusammenarbeit auf Plattformen wie Wikipedia - bis hin zur Öffnung des Wissenschaftssystems durch eine enge Zusammenarbeit mit der Bevölkerung.

Es gibt viele mitunter stark divergierende Vorstellungen davon, was unter einer offenen Wissenschaft zu verstehen ist und wie sie sich entwickeln könnte. Positiven Folgen, wie einer Erhöhung der Glaubwürdigkeit von Forschung, könnten auch unerwünschte Effekte gegenüberstehen, etwa eine Beschneidung wissenschaftlicher Freiheiten. Die beiden Forscher warnen deshalb davor, mögliche unerwünschte Effekte aus dem Auge zu verlieren. "Man muss sich bewusst sein, dass eine größere Transparenz wissenschaftlicher Praxis ab einem gewissen Punkt auch in Überwachung umschlagen kann", so Michael Nentwich. Es habe sich auch noch kein Finanzierungsmodell etabliert, das die qualitätsgeprüfte Erstellung wissenschaftlicher Publikationen, deren Verbreitung und langfristige Archivierung garantiere, wenn sämtliche Inhalte kostenlos gelesen und weiterverbreitet werden können. Auch wie eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit an Forschungsprojekten in der Praxis organisiert werden kann, wirft etwa Fragen der Qualitätssicherung auf.

Aus der Perspektive der Technikfolgenabschätzung sind so ganz unterschiedliche Szenarien denkbar, in welcher Weise die Potenziale von Open Science künftig genützt werden. "Es ist gut möglich, dass Open Science sich zu einem neuen Typus von Wissenschaft entwickelt, der neben der herkömmlichen wissenschaftlichen Praxis existiert", resümiert Ulrich Riehm. "Das Konzept der Offenen Wissenschaft habe aber durchaus das Potenzial, unser über Jahrhunderte gewachsenes Wissenschaftssystem nachhaltig und unumkehrbar zu verändern." Entscheidend sei, dass sich Forschung und Gesellschaft schon heute mit möglichen Konsequenzen auseinandersetzen.

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Quelle: Karlsruher Institut für Technologie (KIT)