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10.05.2024

15.02.2016

Verbesserte Technik gegen Mikroverunreinigungen im Trinkwasser

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Mit zunehmender Lebenserwartung der Menschen steigen die Konzentrationen und die Vielfalt von Arzneimitteln im Abwasser. Kosmetika, Zusatzstoffe von Nahrungsmitteln und Pflanzenschutzmittel, die sich zum Beispiel aus modernen Hausfassaden lösen, sind weitere Quellen von Mikroschadstoffen. Dieser Begriff umschreibt eine breite Palette von Stoffen, welche bereits bei tiefen Konzentrationen von wenigen Nanogramm bis Mikrogramm pro Liter Wasser biochemisch auf Wasserorganismen einwirken.

In Europa sind über 100.000 Stoffe kommerziell registriert. Einige dieser Chemikalien hemmen die Fortpflanzung von Fischen, andere führen zu Missbildungen bei Amphibien. Viele Herbizide hemmen die Photosynthese von Algen und verändern damit die Struktur von ganzen Lebensgemeinschaften.

Pionierleistung in der Abwasserreinigung

Konventionelle Kläranlagen entfernen leicht abbaubare organische Substanzen und die Nährstoffe Phosphor und Stickstoff sehr effizient. Auch Schadstoffe, welche leicht an Partikel binden, werden mit dem Klärschlamm aus dem Wasser eliminiert. Viele Mikroschadstoffe wie Medikamente und Pflanzenschutzmittel bleiben jedoch im Wasser gelöst und sind beständig - sie werden von Bakterien nur sehr langsam abgebaut. Deshalb können sie vom Fluss ins Grundwasser und danach in die Trinkwasserversorgung gelangen.

Zwei Techniken führen zum Ziel

Mikroschadstoffe lassen sich auf zwei unterschiedlichen Wegen aus dem Wasser entfernen: Oxidationsverfahren zersetzten die Moleküle in ungefährliche Produkte wie Wasser und Kohlendioxid; Adsorptionsverfahren lassen die Substanz intakt, binden diese aber an Partikel, welche man in einem zweiten Schritt aus dem Wasser abtrennen muss.

Mit Ozon oxidieren

Für die Oxidation von Mikroschadstoffen hat sich die Ozonierung bewährt. Entsprechende Generatoren produzieren die benötigten 3 bis 5 Gramm Ozon pro Kubikmeter Wasser direkt in der Kläranlage. Das erhöht den Energiebedarf der Abwasserreinigung um 10 bis 30 Prozent. Weil ein Ozonreaktor viele Substanzen nur unvollständig oxidiert, hängt man einen weiteren mikrobiologischen Reinigungsschritt an, zum Beispiel mittels Sandfilter, was die Schadstoffe um 80 Prozent reduziert. Ein weiterer Vorteil der Ozonierung ist, dass sie das Abwasser desinfiziert. Weil Antibiotika im Abwasser die Entwicklung von resistenten Bakterien fördern, erhöht die Ozonierung so die Sicherheit für Mensch und Umwelt.

Mit Aktivkohle binden

Zur Adsorption von Mikroschadstoffen eignet sich pulverförmige Aktivkohle. Dieser poröse Stoff hat eine große Oberfläche von über 1000 Quadratmetern pro Gramm. Daran binden die Mikroschadstoffe, welche im Belüftungsbecken auf biologischem Weg nicht entfernt wurden. Um die Aktivkohle wieder abzutrennen, stehen verschiedene Filtrationstechniken bereit. Die benötigten 12 bis 15 Gramm Aktivkohle pro Kubikmeter Wasser werden am Schluss des Reinigungsverfahrens zusammen mit dem Klärschlamm verbrannt. Ähnlich wie die Ozonierung erreicht auch die Adsorptionstechnik einen Wirkungsgrad von etwa 80 Prozent und reduziert damit die Gewässerbelastung massiv.

Mit Teamwork realisieren

Von 700 Kläranlagen in der Schweiz sollen nun deren 100 mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe ausgebaut werden. Die Priorität liegt bei großen Anlagen mit einem schlechten Verdünnungsverhältnis beim Auslauf oder die in Fließgewässer münden, welche auch Trinkwasservorkommen speisen. Die durchschnittlichen Kosten für die Abwasserreinigung betragen heute ungefähr 130 Franken pro Einwohner und Jahr. Sie werden durch diese "Nachrüstung" zum Schutz vor Mikroschadstoffen um etwa 13 Prozent ansteigen. Die Schweiz übernimmt damit eine Pionierrolle in Europa. Unsere Erfahrungen mit dieser zusätzlichen Reinigungsstufe werden für andere Länder wegweisend sein.

Um die Schweizer Kläranlagen mit der zusätzlichen Reinigungsstufe aufzurüsten, arbeiten Umweltchemiker, Toxikologinnen und Verfahrenstechniker der Eawag, der ETH und EPFL eng mit Ingenieurbüros und dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) zusammen. Die Kantone und die Betreiber der Kläranlagen sorgen ihrerseits dafür, dass das investierte Geld einen möglichst großen Nutzen für die Trinkwassersicherheit, die Fischerei und die Gewässerökologie entfaltet. International gesehen nimmt die Schweiz damit eine Führungsrolle in der Abwassertechnologie ein.

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Quelle: ETH Zürich