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10.05.2024

11.03.2016

Verfahren zur Beseitigung von Arzneimittelrückständen im Wasser

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Dank medizinischer Fortschritte und der Versorgung mit Medikamenten haben sich die Lebensqualität und das Durchschnittsalter in Deutschland beträchtlich erhöht. In der Folge werden jährlich etwa 8.000 Tonnen Humanarzneimittel mit rund 1.200 verschiedenen Wirkstoffen umgesetzt. Rückstände dieser Medikamente gelangen durch menschliche Ausscheidungen ins Abwasser. Hinzu kommt eine nicht sachgerechte Entsorgung unverbrauchter Medikamente über die Toilette oder den Ausguss. Tierarzneimittel kommen unter anderem mit der Gülle auf Felder oder Weiden. Mit dem Regen können sie ebenfalls in den Wasserkreislauf geraten.

Da für einige pharmazeutische Wirkstoffe toxikologische Auswirkungen bekannt sind und teilweise ihre Umweltwirkung bereits nachgewiesen wurden beziehungsweise nicht ausgeschlossen werden können, rücken diese Rückstände von Mikroschadstoffen im Wasser zunehmend ins öffentliche Visier. Auf verschiedenen Ebenen wird versucht, diese Belastungen zu verringern. Auch das RWTH-Institut für Siedlungswasserwirtschaft Aachen mit dem Kurznamen ISA untersucht in diesem Rahmen Verfahren und Verfahrenskombinationen vom Labormaßstab bis hin zur Großtechnik.

Schwerpunkte der Aachener Forschung sind die Bestimmung der Effizienz der Verfahren und der optimalen Betriebseinstellungen wie etwa Verweilzeit, Kontaktzeit oder Dosis. Auch Fragen der Prozessführung und der Integration neuartiger Verfahren in den Kläranlagenprozess stehen im Mittelpunkt. Bei Oxidationsverfahren sind beispielsweise der Ozoneintrag und eine ausreichende Reaktionszeit von großer Bedeutung für die Effizienz. Ozon ist sehr instabil, es wird erst kurz vor seiner Anwendung auf der Kläranlage erzeugt und direkt in Kontakt mit dem Abwasser gebracht.

In der Anlage Aachen-Soers begleitet das ISA wissenschaftlich die großtechnische Ozonbehandlung erstmalig mit dem gesamten Volumenstrom einer Kläranlage. Neben den ingenieurwissenschaftlichen Themen steht im Institut auch die Identifizierung von unbekannten Umwandlungsprodukten dieser Mikroschadstoffe im Fokus.

Verfahrensoptimierung am ISA

Die Aachener Wissenschaftler untersuchen ebenfalls die Eignung unterschiedlicher Aktivkohlen für adsorptive Verfahren. Es zeigt sich ein komplexer Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung des Abwassers und der Elimination einzelner Stoffe. Betriebsparameter wie die notwendige Dosiermenge, Kontaktzeit oder Filtergeschwindigkeit werden optimiert, Kosten sowie Energie- und Betriebsmittelbedarf sollen minimal gehalten werden. Verfahrenstechnisch stehen Fragen zur Bauweise und Rückspülung von Filtern, zur Abtrennung der pulverisierten Kohle zum, Beispiel mit Sandfiltern, Tuchfiltern oder Membranen, und deren Rückführung in die biologische Stufe im Mittelpunkt. Bei der Verwendung von granulierter Kohle ist es möglich, sie nach Erschöpfung ihrer Aufnahmefähigkeit zu reaktivieren. Hierzu werden thermische und andere Verfahren unter anderem mit Mikrowellen erprobt.

Bei starken Niederschlägen kann ein Teil des Abwassers, das mit Regenwasser gemischt ist, wegen bautechnischer Beschränkungen nicht in der Kläranlage gereinigt werden. In solchen Situationen erfolgt in der Regel lediglich ein Rückhalt der Feststoffe und somit keine Elimination der gelösten Arzneimittelrückstände aus dem Abwasser. Untersucht wird daher der Einsatz von Bodenfiltern als Technik zur Mischwasserbehandlung mit dem Ziel, diese Stoffe zurückzuhalten und gegebenenfalls abzubauen.

Verunreinigungen entdecken und besser vermeiden

In manchen Fällen ist es sinnvoll, die Emissionen von Arzneimittelrückständen schon an der Eintragsquelle zu verringern. Dies wurde für allgemeine Krankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens in verschiedenen Projekten betrachtet. Dazu untersuchte man im Pilotmaßstab die Leistungsfähigkeit einer Membrananlage mit nachgeschalteten Behandlungsstufen. Alle betrachteten Verfahrenskombinationen eignen sich zur Elimination der Arzneimittelrückstände, keines ist jedoch in der Lage, bei vertretbarem Aufwand alle Verunreinigungen vollständig zu eliminieren.

Aus Vorsorgesicht ist es bedeutend, künftig umweltfreundlichere Arzneimittel zu entwickeln, die bei gleicher Wirksamkeit im Körper besser abbaubar sind. Gesundheitsförderung trägt ebenfalls dazu bei, den Bedarf an Arzneimitteln zu reduzieren. Zu diesem Zweck sind eine angemessene Kommunikation mit den Patienten sowie die Fortbildungen der Ärzte und des pflegenden Personals notwendig. Solche Maßnahmen wurden ebenfalls in einem vom ISA koordinierten Projekt entwickelt.

Um Rückstände in Umweltproben in sehr niedriger Konzentration untersuchen zu können, verfügt das ISA über ein modernes Laboratorium. Ein interdisziplinäres Team aus Biologen, Ökotoxikologen und Chemikern führt unter anderem an Großgeräten Analysen zu organischen Spurenstoffen, Elementen, Nährstoffen und summarischen Parametern sowie mikrobiologische und ökotoxikologische Tests durch. Seit 2014 gilt das umweltanalytische Labor als ein Gerätezentrum der RWTH. Es stellt internen und externen Forschergruppen, unter anderem in DFG-Vorhaben, sein Know-how zur Verfügung.

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Quelle: RWTH Aachen