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20.05.2024

25.03.2015

Das "Fitnesshormon" Irisin ist ein Mythos

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Im Jahr 2012 sorgte ein Artikel in der Zeitschrift Nature mit der Beschreibung eines bis dahin unbekannten Faktors, der weißes in braunes Fettgewebe umwandelt und gespeichertes Fett "verbrennt", weltweit für großes Aufsehen. Dieses in Anlehnung an die griechische Götterbotin Iris "Irisin" genannte Hormon soll durch Abspaltung eines Teils von einem schon länger bekannten Membranprotein vor allem nach sportlicher Betätigung in den Blutkreislauf gelangen. Damit schien Irisin eine Verbindung zwischen körperlicher Aktivität und metabolischer Gesundheit herzustellen und ein großes therapeutisches Potenzial im Kampf gegen Übergewicht und Diabetes zu besitzen. Besonders verlockend erschien die Möglichkeit, durch Gabe einer "Irisin-Fitness-Pille" und ohne größere Anstrengungen Fettpolster zum Schmelzen bringen zu können.

Widersprüchliche Studienergebnisse ließen erste Zweifel aufkommen

Innerhalb von drei Jahren erschienen mehr als 200 wissenschaftliche Publikationen, die sich mit dem neuen Hormon, oft in Verbindung mit Krankheitsbildern wie Diabetes, Adipositas und chronischen Nierenerkrankungen auseinandersetzten. Die dabei publizierten Ergebnisse ergaben ein durchaus widersprüchliches Bild, so dass einige Zweifel an der Relevanz von Irisin zumindest für den Menschen aufkamen. In den meisten Studien wurden kommerziell angebotene ELISAs (Enzyme-linked Immunosorbent Assay) verwendet, ein antikörperbasiertes Nachweisverfahren. Die bei dieser Methode verwendeten Antikörper zur Bindung des im Blut zirkulierenden Irisins wurden nur mit reinem, künstlich hergestellten Irisin getestet, jedoch wurde nicht berücksichtigt, das zahlreiche Blutserumproteine ebenfalls unspezifisch an den Antikörper binden und falsch positive Signale liefern können. Solche falsch positiven Ergebnisse können die starken Schwankungen in den Angaben zur zirkulierenden Irisinmenge im Blut erklären, die in den zahlreichen Publikationen zu finden sind.

Mit Dr. Elke Albrecht und Prof. Steffen Maak interessierten sich zwei Dummerstorfer Wissenschaftler für Irisin, da es Hinweise gab, dass das Hormon stark von der Muskelmasse abhängig sei. Sie nutzten eine andere, Antikörper-basierte Methode, den Western Blot, um bei Rindern mit hoher oder niedriger Muskelmasse Irisin zu finden. Der Vorteil des Western Blots gegenüber dem ELISA ist die Tatsache, dass die Proteine zunächst nach der Größe aufgetrennt werden und anschließend mit Hilfe eines Markers die Größe des vom Antikörper erkannten Proteins abgeschätzt werden kann. Im Rinderblut konnte jedoch kein Protein in der für Irisin erwarteten Größe gefunden werden.

Kombinierte Blutproben-Untersuchungen von Menschen und Nutztieren liefern keinen Beleg für physiologische Bedeutung

Auf Basis dieser und einer weiteren eigenen Studie wurde eine internationale Kooperation initiiert. Gemeinsam mit weiteren Forschern aus dem Leibniz-Institut, den Gruppen um Harold P. Erickson (Duke University, Durham, USA), Christian A. Drevon (Universität Oslo, Norwegen) und Vincenz Gerber (Universität Bern, Schweiz) wurden verschiedene Methoden zu Untersuchungen an Blutproben von Mensch und Nutztieren kombiniert. Dabei konnte gezeigt werden, dass Irisin höchstwahrscheinlich keine physiologische Bedeutung bei den untersuchten Spezies hat.

In Zellkulturen erzeugtes, künstliches Irisin wurde mit verschiedenen Antikörpern durchaus schon in geringen Konzentrationen nachgewiesen, wenn es Rinderblutproben zugegeben wurde. Jedoch war in keiner der Proben von den untersuchten Spezies "natürliches" Irisin vorhanden. "Die Tatsache, dass weder bei Menschen nach Absolvierung eines Trainingsprogrammes noch bei Pferden nach einem Langstreckenrennen über 160 km Irisin im Blutkreislauf zu finden war, zeigt, dass Irisin doch eher ein Mythos als ein Fakt ist", erklärte Steffen Maak. "Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass eine umfassende Validierung von Messmethoden im Zielgewebe unverzichtbar ist und tragen hoffentlich zur Beendigung der kontroversen Diskussion um das scheinbare Wundermolekül Irisin bei."

» Originalpublikation

Quelle: Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN)