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20.05.2024

30.10.2013

Molekülen bei der Arbeit zusehen: Computersimulation chemischer Prozesse

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Chemische Prozesse bestimmen alles. Versteht man, wie diese detailliert ablaufen, versteht man, was die Welt im Innersten zusammenhält. Hochkomplexe Computersimulationen machen das möglich. "Sie veranschaulichen chemische Reaktionen, wie sie auch in der Natur oder im Reagenzglas ablaufen", sagt Dr. Dietmar Paschek von der Abteilung Theoretische und Physikalische Chemie der Universität Rostock. Die Simulationen sind so realistisch, dass sie die Ergebnisse traditionell durchgeführter Experimente vorhersagen. "Dass wir wissen, wie Proteine genau mit ihrer Umgebung in Wechselwirkung treten, ist die Voraussetzung für das Verstehen auch der Alzheimerkrankheit", so Paschek.

Dietmar Paschek gehört zu den wenigen Experten für die Simulationstechnik in Deutschland und entwickelt sehr erfolgreich Methoden im Bereich der Computerchemie und molekulardynamischen Simulationen. Für diese Methoden haben die Amerikaner Karplus, Levitt und Warshel erst kürzlich den Nobelpreis für Chemie erhalten. Paschek wiederum hat während zwei längerer Forschungsaufenthalte in New York und New Mexiko (USA) solche interdisziplinären Computermodelle mit entwickelt, die in der Lage sind, das reale Leben widerzuspiegeln.

"Die Computersimulation ist ein relativ neues Werkzeug im Werkzeugkasten der Chemiker", erklärt der 46-jährige Wissenschaftler, der in einem internationalen Forschungsnetzwerk tätig ist. Paschek sieht sich in seinem Fachgebiet, wie er mit Augenzwinkern sagt, "als Vertreter der Simulanten-Gemeinde" und kümmert sich seit nahezu drei Jahren an der Universität Rostock darum, dass chemische Vorgänge im virtuellen Labor nachvollzogen werden können. "Wenn wir verstehen wollen, wie die chemischen Vorgänge auf der Molekülebene ablaufen, ist es am besten, wenn wir den Molekülen direkt dabei zusehen können", betont der Chemiker. Er hat seine Doktorarbeit in Physikalischer Chemie beim Pionier der Simulationstechnik in Deutschland, Prof. Alfons Geiger, an der Uni Dortmund geschrieben und sie mit Auszeichnung beendet. Er brennt für sein Fach und sagt: "Im Prinzip können wir mit unseren Molekulardynamischen Simulationen sämtliche lebensrelevanten molekularen Prozesse beschreiben".

Pascheks Arbeitsgruppe an der Uni Rostock benutzt Computersimulationen als eine Art Supermikroskop mit Superzeitlupe, um die Bewegungen der Moleküle sichtbar zu machen. Der Computer, den sie dazu verwenden, hat allerdings wenig mit dem typischen Schreibtisch-PC gemeinsam. In einem Keller des Instituts für Chemie rackert sich ein Supercomputer-Cluster mit mehr als 1.200 Prozessoren an den Simulationen ab.

"Experimente der Computer-Chemiker im virtuellen Labor werden künftig immer wichtiger", ist Paschek überzeugt. Seine Arbeitsgruppe beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wie die Stabilität von Biomolekülen beeinflusst werden kann. Er nennt ein Beispiel: Nehmen wir ein Protein in wässriger Lösung und fügen ein wenig Harnstoff hinzu, dann werden wir beobachten, dass das Protein seine Struktur verändert, sich entfaltet. Paschek bezeichnet diese Reaktion als "bemerkenswert". Die Ursache aber für diese schon seit mehr als einhundert Jahren bekannte Reaktion war nie genau verstanden worden. "Erst mit Hilfe der Computersimulation haben wir aufklären können, was da genau passiert."

Quelle: Universität Rostock