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20.05.2024

02.10.2013

Ein Moos als Minikläranlage für Arzneimittelbestandteile und Chemikalien

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Sauberes Wasser ist ein Menschenrecht - jedoch sind weltweit noch rund 780 Millionen Menschen von dieser Ressource abgeschnitten. In den Schwellenländern schreitet die Industrialisierung schnell voran: Ungeklärte Abwässer verunreinigen dort das Trinkwasser. Doch auch Kläranlagen filtern längst nicht alle Rückstände heraus. Das gilt für Pestizide, Medikamente und Hormone. Mit diesen "ungeklärten Fällen" beschäftigen sich jetzt junge Forscher an der Technischen Universität München (TUM). Sie wollen eine verbreitete Moospflanze genetisch verändern - und sie zur kostengünstigen Minikläranlage für Arzneimittelbestandteile und Chemikalien machen.

Das Moos-Projekt ist der diesjährige Beitrag von TUM-Studierenden am internationalen iGEM-Wettbewerb für Synthetische Biologie, der 2013 zum neunten Mal am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ausgetragen wird. Ziel des Wettbewerbs: Organismen sollen gentechnisch modifiziert werden - und mit neuen Eigenschaften einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen.

Abbauen und filtern: Wie wird das Wasser Chemikalien-frei?

Für ihre Experimente verwenden die Studierenden das Kleine Blasenmützenmoos (Physcomitrella patens). Um damit Schadstoffe aus dem Wasser zu entfernen erprobt das iGEM-Team zwei Ansätze: "Zum einen wollen wir das Moos dazu bringen, gefährliche Substanzen zu harmlosen Stoffen abzubauen (Biodegradation); zum anderen soll es biologisch nicht-abbaubare Substanzen binden und so als Filter arbeiten (Bioakkumulation)", erklärt Katrin Fischer. Sie studiert im 5. Semester Biochemie.

Für diese beiden Verfahren schleusen die jungen Forscher selbst entworfene DNA-Bausteine in das Erbmaterial des Mooses ein. Diese kodieren für Proteine, die Chemikalien aufspalten oder die Schadstoffe binden. Damit ist das Moos unter anderem in der Lage, die weitverbreitete Gruppe der Makrolid-Antibiotika und Hormone aus der Antibabypille abzubauen. Außerdem bindet das Moos das Insektizid DDT. Diese Stoffgruppen können in herkömmlichen Kläranlagen nur unzureichend abgebaut werden.

Sicheres Moos durch genetischen Schalter

"Das Moos Physcomitrella patens ist auch in der Natur ein wichtiger Wasserfilter - und damit der ideale Organismus für unser Projekt", sagt Fischer. Obwohl die Studierenden in ihrem Projekt lediglich zeigen wollen, dass ein Moosfilter funktionieren kann, haben sie den möglichen Einsatz in der Praxis im Blick.

Damit das modifizierte Moos keinesfalls unkontrolliert ins Freiland gelangt, haben die Studierenden eine ebenso simple wie effektive Lösung gefunden: Sie verwenden Moos, das aufgrund einer Mutation keine reifen Sporen bilden kann und bauen zusätzlich einen Selbstzerstörungs-Mechanismus in die Pflanze ein.

"Dieser biologische Schalter reagiert sensibel auf Licht im roten Wellenlängenbereich", erklärt Jeffery Truong, Masterstudent der Molekularen Biotechnologie und Entwickler des Filters. "Man könnte dann einen Filter für das Sonnenlicht verwenden, der den Rotlichtanteil gezielt entfernt. Wenn die Pflanze versehentlich freigesetzt wird, ist sie dem Sonnenlicht ausgesetzt, das Licht aller Wellenlängen enthält - das heißt, sie kann nicht überleben."

Austausch über synthetische Biologie

Die technisch-wissenschaftliche Umsetzung ist jedoch nur ein Teilaspekt im iGEM-Projekt. Die Studierenden wollen auch die Öffentlichkeit über den Moosfilter informieren und an diesem Beispiel das umstrittene Thema Gentechnik diskutieren. Dazu sind verschiedene Aktivitäten geplant, darunter ein Stand auf den Münchner Wissenschaftstagen im November 2013 sowie Veranstaltungen mit Schülern.

Außerdem testet das Team, ob sich der "PhyscoFilter" in der industriellen Abwasseraufbereitung einsetzen lässt. Dafür haben die Studierenden bereits einen Prototyp entwickelt. Und mit einer Machbarkeitsstudie überprüfen sie, wie aus der vielversprechenden Idee eine unternehmerische Anwendung werden kann.

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Quelle: Technische Universität München