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20.05.2024

16.09.2013

Hohe Wasserentnahmen fördern Arsentransport in sauberes Grundwasser

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Auf die über 6.5 Millionen Einwohner von Vietnams Hauptstadt Hanoi kommt ein wachsendes Problem zu: Weil die Stadt immer mehr Wasser aus dem vermeintlich sauberen tiefen Grundwasser pumpt, strömt arsenbelastetes Wasser aus oberflächennahen Schichten unaufhaltsam näher an die Trinkwasserfassungen. Was schon länger befürchtet wurde, weist eine heute in der Zeitschrift Nature publizierte Studie unter Mitwirkung der Eawag nun nach.

Eine Untersuchung von Forschenden aus den USA, der Schweiz und aus Vietnam, in der Umgebung von Vietnams Hauptstadt Hanoi zeigt, dass durch exzessives Pumpen von Grundwasser langfristig Millionen von Menschen gefährdet werden. Die heute in Nature veröffentlichte Studie weist gemäss dem Erstautoren, Prof. Alexander van Geen von der Columbia University erstmals nach, dass arsenfreies Grundwasser von nachströmendem arsenhaltigen Wasser kontaminiert werden kann. Zwar schreitet dieser Prozess langsam voran, doch er scheint unaufhaltsam.

Das Wachstumstempo von Hanoi ist typisch für viele Metropolen: Allein zwischen 2000 und 2010 hat die städtische Wasserversorgung die täglich gepumpte Grundwassermenge auf über 900 Millionen Liter verdoppelt. In der Stadt wird das Wasser aufbereitet und Arsen zum grössten Teil entfernt. Doch damit ist das Problem nur für diejenigen Einwohner gelöst, welche an eine Wasserleitung angeschlossen sind. In vielen Aussenquartieren ist das nicht der Fall. Dort wird - zum Beispiel entlang des Roten Flusses - aus zahllosen privaten Grundwasserbrunnen Trinkwasser gepumpt und ohne Aufbereitung in den Haushalten verwendet. Bisher haben die hohen Wasserspiegel in benachbarten unbelasteten Grundwasserträgern dafür gesorgt, dass in diesen Brunnen kein arsenhaltiges Wasser gefördert wurde. Doch nun hat Hanois steigender Wasserkonsum dazu geführt, dass sich die Verhältnisse gewendet haben: In die vermeintlich sichere Grundwasserschicht strömt zunehmend kontaminiertes Wasser von arsenbelasteten Schichten und vom Fluss.

"Es ist ein riesiges, unfreiwilliges Experiment. Wir stellen die Systeme an vielen Orten der Welt auf den Kopf", sagt der Geochemiker Michael Berg von der Eawag. Er ist überzeugt: Ähnliche Prozesse wie rund um Hanoi sind auch anderswo im Gang, nicht nur in Bezug auf das Arsen. Zum Beispiel im Umfeld der Megastädte Dhaka (Bangladesh) oder Beijing (China). Fundamental veränderte Verhältnisse im Grundwasser könnten aber auch in Regionen auftreten, wo für die Bewässerung sehr viel Wasser gepumpt wird, zum Beispiel in den Sahara-nahen Zonen Afrikas oder in den Trockengebieten Nordamerikas.

In den untersuchten Zonen um Hanoi liegen die Arsenwerte im Grundwasser schon heute 10 bis 50mal über dem von der WHO empfohlenen Grenzwert von 10 µg/L. An anderen Stellen ist die geologisch bedingte Arsenverschmutzung noch nicht angekommen: Laut Eawag-Professor Rolf Kipfer, der mit Hilfe von Helium- und Wasserstoffisotopen das Alter des Grundwassers bestimmt hat, kommen die gefährlichen Arsenkonzentrationen im Grundwasser deutlich langsamer voran als das Wasser selbst. Während kontaminiertes Wasser in den letzten 40 bis 60 Jahren mehr als 2 Kilometer Richtung Stadtzentrum vorgestossen ist, hat sich die Grenze der kritischen Arsenkonzentrationen erst um rund 120 Meter bewegt. Wo die Wasserqualität heute noch genügend ist, bleibt den Verantwortlichen also wenigstens Zeit, das Problem anzupacken - durch weniger Pumpen oder mit einer Wasseraufbereitung. "Doch die Arsenbelastung rückt konstant vor. Und je grossflächiger sie wird, umso mehr Menschen trinken arsenhaltiges Wasser", mahnt Berg.

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Quelle: Eawag