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20.05.2024

05.09.2013

Hocheffiziente hydrodynamische Trennung von Zellen

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Die Sortierung von Zellen in Miniatur-Laboren ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu neuen Diagnosemöglichkeiten in Medizin und Forschung. Einen Beitrag zu diesem sich rasant entwickelnden Feld der Micro-Total-Analysis-System leisten die Augsburger Biophysiker um Prof. Thomas Franke mit ihrer neuesten Veröffentlichung in der Fachzeitschrift "Biomicrofluidics". Dort stellen sie eine neue Methode zur Zellsortierung vor, das "Non-Inertial Lift Induced Cell Sorting", kurz NILICS. Damit können Zellen anhand ihres unterschiedlichen Verhaltens in einem mikroskopisch kleinen Kanal voneinander getrennt werden, ohne dass man sie speziell markieren muss. Die Effektivität der Methode demonstrieren die Wissenschaftler des Augsburger Lehrstuhls für Experimentalphysik I, indem sie zirkulierende Tumorzellen aus einer Lösung roter Blutkörperchen aussortieren.

Auf der Größenskala weniger Mikrometer verhalten sich Teilchen in Flüssigkeitsströmen anders, als man es aufgrund alltäglicher Erfahrungen erwarten würde. In Kapillaren dieser Größe gibt es nämlich keine Verwirbelungen des Flüssigkeitsstroms, vielmehr liegt ein hochsymmetrisches Flussprofil vor: Die einzelnen Flüssigkeitsschichten fließen störungsfrei nebeneinander her, ohne sich zu vermischen. Wird diese Symmetrie durch ein deformierbares Objekt - wie z. B. durch eine Zelle in der Nähe einer Wand - gestört, versucht das System sich wieder auszugleichen. Dies erzeugt eine abstoßende Kraft, welche die Zelle von der Wand weg- und zur Kanalmitte hindrückt. Aufgrund der physikalischen Eigenschaften der Umgebung, in der dieser Effekt auftritt, wird er "non-inertial lift effect" genannt. Ist eine Zelle größer oder deformierbarer als eine andere, erzeugt sie eine größere Störung des Flussfeldes und erfährt folgerichtig eine stärkere Kraft. Anhand dieser Unterschiede lassen sich verschiedene Zellarten voneinander trennen. Dies konnten die Augsburger Wissenschaftler bereits in einer früheren Publikation für rote Blutkörperchen und Blutplättchen nachweisen.

In ihrer neuen Arbeit untersucht die Gruppe jetzt die Möglichkeit, mit der NILICS-Methode zirkulierende Tumorzellen von roten Blutkörperchen zu trennen. Zirkulierende Tumorzellen sind Krebszellen, die vom Primärtumor abgeschieden werden und im Blutkreislauf durch den Körper wandern. Anhand ihrer Anzahl lassen sich Rückschlüsse auf die schwere der Erkrankung oder das Ansprechen auf Therapien ziehen. Allerdings befinden sich lediglich 1 - 10 Tumorzellen in einem Milliliter Blut - eine verschwindend geringe Zahl im Vergleich zu den ca. 6 Millionen körpereigenen Blutzellen! "Deshalb müssen die Tumorzellen vor einer weiteren Analyse erst aus dieser großen Zellmenge heraussortiert werden. An dieser Stelle kommen wir ins Spiel", erklärt Thomas Geislinger.

Zur Sortierung wird die Blutprobe verdünnt und in den Kanal injiziert. Ein zweiter Fluss fokussiert die Probe an die Wand des Mikrokanals, bevor sie in den eigentlichen Trennbereich fließt. In einem 20 mm langen Kanal mit einem Querschnitt von ca. 60 x 60 Mikrometern wandern die verschiedenen Zellen dann unterschiedlich schnell von der Wand weg. Die Verbreiterung am Ende des Kanals vergrößert schließlich den Abstand zwischen den Zellpopulationen nochmals, bevor sie durch zwei separate Ausgänge in die Auffangbehälter geleitet werden. Mit diesem Aufbau konnten bis zu 100 Prozent der Tumorzellen aus der Probe sortiert werden. Die aussortierten Zellen sind nach der Trennung weiterhin voll lebensfähig und können für anschließende Versuche vermehrt werden.

Als Teil eines Micro-Total-Analysis-Systems ermöglicht die mikrofluidische Zellsortierung viel genauere Ergebnisse, als sie mit konventionellen Methoden erreichbar wären. Zusätzlich spart diese Technik jede Menge Zeit und Kosten. Die Ergebnisse bedürfen keiner tagelangen Labortests, sie liegen schon nach wenigen Minuten vor. Da sie noch dazu billig sind und nahezu überall einsetzbar, ist die weitere Entwicklung von solchen Minilaboren von enormer Bedeutung für die medizinische Versorgung gerade in strukturschwachen Regionen.

» Originalpublikation

Quelle: idw / Universität Augsburg