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17.05.2024

23.07.2012

RIZIN, nicht nur ein Wissenschaftskrimi

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Der unpolitische Mikrobiologe Leo Schneider wird durch Veränderungen an seinem Institut von seinen Vorgesetzten gezwungen, seine Forschung auf Abwehr von Biowaffen umzustellen. Dass Abwehrforschung sich prinzipiell nicht von Biowaffenentwicklung unterscheidet, muss Schneider schnell lernen, mit den mörderischen Konsequenzen, die sich für ihn daraus ergeben. Nachdem Schneider wider eigenen Willen eine Biowaffe (Rizin 51) entwickelt hat, geraten er und sein Umfeld ins Fadenkreuz von skrupellosen Konzernen, Terroristen und Geheimdiensten, die bereit sind, für diese Erfindung über Leichen zu gehen. Ein Prozess, an dem Schneider und seine Leute nicht unbeteiligt bleiben können.

Der Roman RIZIN ist mehr als nur ein Wissenschaftskrimi, sondern führt Sie in einer spannenden Kriminalgeschichte an die Grenzen einer Wissenschaft, die unser Leben immer mehr bestimmt. Der aktuelle Fall eines im Labor hergestellten Vogelgrippevirus, der für Menschen viel gefährlicher ist, als die in der Natur vorkommende Variante zeigt den schmalen Grat, auf dem wissenschaftliche Forschung und Biowaffenentwicklung sich heute mehr denn je begegnen. Dies macht den Roman RIZIN hochaktuell. Biowaffen sind Realität. Sie spielen im Kalkül der Macht eine wichtige Rolle und allein die Annahme, ein Staat könnte sie einsetzen, reichte und reicht aus, um Kriege zu entfachen.

Wieviel Realität steckt in der Geschichte von RIZIN? Ist die Gefahr des Bioterrorismus größer, als sie bisher in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird?

Zur Realität: Obwohl es sich bei RIZIN um eine fiktive Erzählung handelt, steckt in dem Roman viel Realität. Zwar wurden vereinzelt bioterroristische Anschläge mit z.B. Rizin und Anthrax unternommen, aber eine wichtigere Rolle als Einzelkämpfer oder Desperadoorganisationen spielten dabei reguläre Staaten (Anthrax Einsatz in China vom japanischen Militär im zweiten Weltkrieg, Rizinanschlag auf den bulgarischen Dissidenten Markov vom bulgarischen Geheimdienst. Auch die Anthraxbriefe, die in den USA nach den 9/11 Anschlägen an Politiker verschickt wurden, trugen die Handschrift eines professionellen Labors und zumindest ein Beschäftigter des amerikanischen Biowaffeninstitutes in Fort Detrick, wurde in Zusammenhang mit den Anthraxanschlägen gebracht. Bevor er befragt werden konnte, hatte er Selbstmord begangen. Ein bekannter Bioterrorismus Experte soll sinngemäß gesagt haben, "ein Biologe, der die entsprechenden Techniken kennt und durchdreht und so etwas herstellt, wäre ein wahrscheinlicheres Szenario eines Bioterroristen als religiös/ideologisch motivierte Fundamentalisten, die keinen materiellen und intellektuellen Zugang zu diesen Waffen haben, dagegen aber leicht an Sprengstoff herankommen können.

Die Gratwanderung der Wissenschaftler die auf dem Gebiet von Infektionserregern, und somit auch potentiellen Biowaffen forschen, wird am jüngsten Beispiel des Vogelgrippevirus (H5N1) deutlich. Ein Team aus Holland und den USA hat im Oktober 2011 das Vogelgrippevirus genetisch verändert, sodass es leichter auf Säugetiere und somit auch auf den Menschen übertragbar ist. Die Argumentation der beteiligten Wissenschaftler ist sinngemäß so "man würde etwas herstellen, was in der Natur sowieso entstehen wird/oder schon entstanden ist und man könnte an diesem veränderten Virus Abwehrstrategien (wie Impfungen) erproben, die dann, wenn wirklich so ein mutiertes Virus in der Natur entsteht, schon zur Verfügung stehen würden. Das ist meines Erachtens eine sehr diskutable Argumentation, sinngemäß eine Axt mit zwei Schneiden.

Bekannte Fachzeitschriften haben sich übrigens geweigert, die genaue Strategie zur Herstellung des mutierten Vogelgrippevirus zu veröffentlichen, um potentielle Terroristen nicht mit Informationen zu versorgen. Angeblich wurden die Ergebnisse vorher aber schon auf einer Konferenz vorgestellt, womit die Möglichkeit zu Proliferation des Wissens auch in üble Hände, gegeben ist. Auch wenn solches Wissen "staatlich geheim" bleibt, heißt es nicht, dass es nicht zu üblen Zwecken missbraucht werden kann. Eine andere Sache.

Zunehmend kommen auch synthetisch hergestellte Biowaffen ins Spiel. So können Virusgenome nach ihrer DNA-Sequenz, falls sie bekannt ist, nachsynthetisiert werden und als Matrize für infektiöse Viren dienen. Man braucht dafür gar keine Viren mehr sondern nur noch ein Labor, dass die geeigneten DNA Moleküle synthetisiert. Ein Beispiel für ein solches Szenario wären Pockenviren, oder die "spanische" Grippe, die Anfang der 1920er Jahre Millionen Menschen dahinraffte. Die erforderlichen Laborkapazitäten zur Herstellung solcher und anderer Biowaffen sind sicherlich in jedem Staat auf der Welt vorhanden. Nach soviel Schwarzmalerei auch etwas positives. Selbst verbrecherische Regierungen setzten solche Waffen nicht ohne weiteres ein. Wahrscheinlich, weil die enorme Gegenrepressalien befürchten müssten (Deutschland tat das im 2.Weltkrieg nicht und Japan setzte Biowaffen nicht gegen gegnerisches Militär ein). Allerdings sollte man sich darauf auch nicht 100%ig verlassen.

Zur Gefahr von Biowaffen: ich halte Laborunfälle, ungewollte Konstruktion gefährlicher Erreger verbunden mit einer zu starken Profilierungssucht von Forschern, mit dem Resultat einer (ungewollter) Freisetzung von potentiellen "Biowaffen" zur Zeit jedenfalls für gefährlicher als politisch/fundamentalistisch motivierte Anschläge mit solchen Waffen. Am wenigsten weiß man natürlich, was in militärisch ausgerichteten Forschungseinrichtungen in aller Welt geplant ist und dort bereits vor sich geht.

Der Roman-Autor Lothar Beutin ist Diplom-Biologe sowie Autor und Koautor von über 127 wissenschaftlichen Veröffentlichungen mit Themen zu bakteriellen Giftstoffen (Toxine) und Krankheitserreger in Lebensmitteln (enterohämorrhagische E. coli (EHEC)) und ist Leiter des Nationalen Referenzlabor für Escherichia coli einschließlich verotoxinbildende E. coli.

RIZIN von Lothar Beutin, Taschenbuch, 416 Seiten

Quelle: chemoLine®-Shop