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09.05.2024

22.02.2024

Plutonium - das Element des Anthropozäns

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Schalenmodell Plutonium
Schalenmodell von Plutonium
[CC BY-SA]
Als Anthropozän bezeichnet man das neue geologische Zeitalter, das vom Menschen bestimmt und geprägt ist. Der Mensch greift so massiv in biologische, atmosphärische und geologische Prozesse unseres Planeten ein, dass diese Auswirkungen voraussichtlich über mehrere Hunderttausend Jahre spürbar sein werden. Der Begriff selbst wurde im Jahr 2000 von den Wissenschaftlern Paul Crutzen und Eugene Stoermer eingebracht.

Führende Wissenschaftler einigten sich darauf, den Beginn dieses Zeitalters auf Mitte des 20. Jahrhunderts festzulegen, auch wenn andere Marker, wie der Beginn der Industriellen Revolution, zur Diskussion standen. Am 16. Juli 1945 nämlich wurde zu Testzwecken die erste Atombombe gezündet. Die bei diesem und anderen oberirdischen Kernwaffentests freigesetzten radioaktiven Isotope des Elements Plutonium sind seit den 1950er Jahren ubiquitär und in immer größeren Mengen zu finden und gelten daher als Marker des Anthropozäns.

Plutonium wurde Ende 1940 im Strahlungslabor der Berkeley-Universität von Kalifornien von Wissenschaftlern um Glenn Seaborg durch den Beschuss von Uran mit Deuteronen in winzigen Mengen hergestellt. Der erste eindeutige Nachweis des Plutoniumisotops 238Pu gelang dem amerikanischen Chemiker Arthur Wahl am 23. Februar 1941. Da sich die Forscher der Bedeutung ihrer Entdeckung für die Entwicklung der Atombombe bewusst waren, blieben ihre Forschungsergebnisse bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges unter Verschluss.

Dass Plutonium als Isotop 244Pu eigentlich das schwerste natürlich vorkommende Element des Periodensystems ist, fand man allerdings erst 1971, viele Jahre nach der künstlichen Erzeugung von Plutonium, heraus. Nur noch winzige Reste dieses Isotops sind aus der Entstehungszeit des Sonnensystems übriggeblieben und auf der Erde zu finden.

Das Plutonium, das mittlerweile überall auf unserem Planeten vorhanden ist und sozusagen das Anthropozän eingeläutet hat, entstand und entsteht hauptsächlich in Kernwaffen und in Kernreaktoren durch den radioaktiven Zerfall von Uran. Für militärische und zivile Zwecke haben Nuklearmächte und Betreiber von Kernkraftwerken weltweit mehrere Hundert Tonnen Plutonium künstlich erzeugt. Einiges davon gelangte nicht nur durch Atomwaffentests und -abwürfe, sondern auch durch Unfälle in Kernkraftanlagen oder durch deren Abwasser, durch illegale Verklappung radioaktiver Abfälle in den Weltmeeren und fehlgeschlagene Weltraummissionen wie Apollo 13 in die Umwelt.

Im Periodensystem der Elemente findet man Plutonium mit der Ordnungszahl 94 bei den Actinoiden als sogenanntes Transuran, das heißt rechts neben Uran. Die Halbwertszeiten der 20 bekannten künstlichen Plutonium-Isotope liegen zwischen wenigen Stunden und 375.000 Jahren. Das oben erwähnte einzige natürlich vorkommende Plutonium-Isotop 244Pu hat sogar eine Halbwertzeit von 80 Millionen Jahren.

Nicht nur die langen Halbwertszeiten des Elements sind bei der Entsorgung des in Kernkraftwerken anfallenden Plutonium-Abfalls problematisch. Auch die gesundheitlichen Auswirkungen auf Lebewesen sind ein echtes Problem. Plutonium ist ein Schwermetall und für Menschen ähnlich giftig wie beispielsweise Blei oder Quecksilber. Aber auch die beim radioaktiven Zerfall entstehenden Alpha- und Gamma-Strahlen haben es in sich:

Alphastrahlung, eine Teilchenstrahlung aus Heliumatomkernen, ist zwar außerhalb des Körpers weitgehend ungefährlich, da die Teilchen nur die obersten Hautschichten durchdringen können. Gelangt sie durch Einatmen oder Verschlucken aber in den Körper, verursacht die hohe Energie der Teilchen erheblichen Schäden an Körperzellen und sie zerstören das Gewebe nachhaltig.

Gammastrahlung ist eine sehr kurzwellige, energiereiche, elektromagnetische Wellenstrahlung mit sehr hoher Durchdringungskraft. Sie durchdringt Materie noch besser als Röntgenstrahlen, so dass es keinen Stoff gibt, der vollständig vor Gammastrahlung schützt. Treffen Gamma-Strahlen auf den Körper, verursachen sie in geringen Mengen Übelkeit, führen zu Schädigung des inneren Gewebes und des Erbgutes und führen bei intensiver Bestrahlung zum Tod.

Der Durchbruch der Wissenschaftler im Jahr 1941 hat also unsere Welt nachhaltig verändert. Ebenso wie die Industrielle Revolution, Gentechnik und sicher auch - heute noch nicht endgültig absehbar - die Künstliche Intelligenz. Diese und unzählige andere Beispiele an wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften haben neben ihren positiven Einflüssen aber immer auch ihre Schattenseiten. Oft erkennen wir diese allerdings erst, nachdem der Hype über eine Erfindung wieder abgeflaut ist. Oder mit den Worten des Schriftstellers Robert Kroiß ausgedrückt:

Wenn Wissenschaft tatsächlich Wissen schafft, weshalb werden dann die Probleme der Menschheit immer größer?
Robert Kroiß (*1949)

» Artikel zum Beginn des Anthropozäns

» Mehr zur Geschichte des Plutoniums

Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


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