Analytik NEWS
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31.05.2024

26.10.2023

...und plötzlich war der Wurm drin

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Security Alert
Bild: pixabay [CCO]
Im August dieses Jahres veröffentlichte das Bundeskriminalamt das Bundeslagebild Cyberkriminalität 2022. Demnach wurden mehr als 130.000 Fälle von Cyberkriminalität zur Anzeige gebracht und untersucht. Statista prognostiziert den wirtschaftlichen Schaden für deutsche Unternehmen im Jahr 2023 mit über 200 Milliarden Euro.

Auch ich stoße bei meinen Recherchen für Analytik NEWS immer häufiger auf Webseiten renommierter Unternehmen und Institutionen, die statt die gewünschten Inhalte zu liefern, mit Informationen zu aktuellen Hackerangriffen aufwarten oder schon seit Wochen offline sind.

Mein heimischer PC blieb - toi, toi, toi - bislang glücklicherweise von Viren oder Würmern verschont. Aber die Tatsache, dass systemrelevante Infrastruktur von kriminellen Menschen aus Geldgier oder politischen Motiven lahmgelegt werden kann, verunsichert mich zugegebenermaßen.

Hackerangriffe sind allerdings kein neuzeitliches Phänomen. Bereits vor 35 Jahren gab es einen Computerwurm, der großen Schaden und erhebliche Aufregung verursachte. Am 2. November 1988 nämlich ließ ein junger, talentierter MIT Student namens Robert T. Morris den ersten großen "Wurm" in das noch im Entstehen begriffene Internet.

Zu dieser Zeit gab es ungefähr 60.000 vernetzte Computer, von denen 6.000 durch das Einschleusen der Malware außer Gefecht gesetzt wurden oder abgeschaltete werden mussten. Eigentlich sollte das zugrunde liegende Schadprogramm selbst überprüfen, ob ein PC bereits infiziert sei und sich in diesem Fall nicht erneut installieren. Durch einen Programmierfehler allerdings, gab es bei der jeweils siebten Überprüfung die Falschmeldung, dass der PC noch "sauber" sei. So kopierte sich das Programm nicht nur auf alle erreichbaren PC, sondern auch unzählige Male auf ein und denselben Computer. Der Wurm zerstörte zwar keine Dateien, verlangsamte den infizierten Rechner allerdings dermaßen, dass er unbrauchbar wurde.

Wie Sie sicher und ganz richtig vermuten, standen vernetzte PC damals weniger in Privathaushalten, als in wichtigen Institutionen. Neben der Universität Berkeley, die zuerst Alarm schlug, waren in den USA die Universitäten Harvard, Princeton, Stanford und Johns Hopkins sowie die NASA und das für die Planung und Entwicklung von Kernwaffen verantwortliche Lawrence Livermore National Laboratory von diesem Angriff betroffen. Die Aufregung war entsprechend groß und Computerexperten und FBI gleichermaßen alarmiert.

Quellcode Morris Worm
Quellcode des Morris Worm
Bild: Wikipedia[CCO]
Morris, der das Ausmaß seiner Aktion so nicht vorausgesehen und auch nicht gewollt hatte - seinen Programmierfehler hatte er schließlich nicht geplant -, wurde es sehr bald ziemlich mulmig. Daher vertraute er sich Freunden an. Einer seiner Freunde wandte sich an die New York Times, um zu erklären, dass der Wurm ein an sich harmloses aber außer Kontrolle geratenes Experiment sei. Leider verplapperte sich der Informant und gab versehentlich die Initialen R.M.T. preis, wodurch Morris ausfindig gemacht und festgenommen werden konnte.

Man sollte viel öfter nachdenken; und zwar vorher.
Werner Mitsch (1936-2009)
hätte der Aphoristiker Werner Mitsch Robert Morris sicher als Ratschlag mit auf den Weg gegeben. Denn als erste Person überhaupt wurde Morris nach dem 1986 eingeführten "Computer Fraud and Abuse Act" zu einer Bewährungsstrafe von drei Jahren und einer Geldstrafe verurteilt.

Morris' misslungenes Experiment oder unbedachter Scherz - dazu findet man unterschiedliche Auslegungen - hatte aber auch eine positive Seite. Denn der Morris-Wurm, wie er mittlerweile genannt wird, führte der Welt vor Augen, dass Cybersicherheit ein absolut wichtiges Thema ist.

Bedauerlicherweise findet man auch heute noch unsichere Passwörter, Sicherheitslücken in gängigen Softwareprogrammen oder veraltete Systeme in sensiblen Bereichen. Und auch die Hacker-Community hat sich gemeinsam mit den Cyber-Sicherheitsbeauftragten weiterentwickelt. Meist ist sie sogar mehrere Schritte voraus, wie das oben genannte Bundeslagebild Cyberkriminalität beweist.

Die Liste der betroffenen Unternehmen in Deutschland ist lang und voller bekannter Namen. Solange "nur" Unternehmen um Geld erpresst werden, bleibt der Schaden riesig und ärgerlich, aber für die Allgemeinheit erträglich. Hoffentlich sind die sensiblen Infrastrukturen von militärischen Einrichtungen, Krankenhäusern und Energieversorgern mittlerweile besser geschützt als 1988.

» The FIRST Computer Worm: The Morris Worm (1988) - WhatTheHack

» Bundeslagebild Cyberkriminalität 2022

» Weitere Zitate von Werner Mitsch

Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


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