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19.05.2024

31.08.2023

Ziele überdenken - nicht leicht, aber notwendig!

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Veränderung
Bild: pixabay [CCO]
Nicht aufgeben, weitermachen, das schaffst du schon, streng dich an - das alles sind Parolen, die wir nur allzu gut kennen. Bereits seit Kindertagen wurde uns "üben, üben, üben" als Erfolgsgarant mit auf den Weg gegeben.

Das macht ja auch Sinn. Aufstehen, Laufen, Sprechen oder Radfahren lernen wir durch sehr viel Geduld und Hartnäckigkeit. Lesen und das Kleine 1x1 brauchen viel Übung, damit man sie anwenden kann, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. Erfinder - allen voran Thomas Alva Edison - brauchten unzählige Versuche, bis ihre Idee reibungslos funktionierten. Und auch Forscher und Wissenschaftler sind für gewöhnlich nicht im ersten Anlauf erfolgreich, wenn sie beispielsweise an neuen Medikamenten, Materialien oder Analysemethoden arbeiten.

Durchhaltevermögen ist also ein echter Erfolgsgarant für die Karriere und das Leben ganz allgemein. Zusätzlich belohnt unser Gehirn uns durch die Ausschüttung des Glückshormons Dopamin, wenn wir eine Aufgabe erfolgreich abgeschlossen haben. Daher setzen wir alles daran, unsere Ziele zu erreichen, auch wenn es schwerfällt und unsere ganze Kraft kostet - schließlich wollen wir nicht als Versager dastehen. Die Menschen, die uns mental oder finanziell unterstützt haben, die an uns glauben, für die wir Verantwortung tragen und letzten Endes uns selbst wollen wir auf gar keinen Fall enttäuschen. Aufgeben? Keine Option! Ganz anders sieht das zum Beispiel die deutsche Lyrikerin Else Pannek:

Es gibt Aufgaben, die man besser aufgeben sollte. Zum Beispiel die, bei denen man sich aufgibt.
Else Pannek (1932 - 2010)

Mit dieser Ansicht ist sie glücklicherweise nicht mehr allein. Psychologen wie Veronika Brandstätter oder Roman Soucek unterstützen wohlüberlegtes Aufgeben. Als sinnvolle Alternative zum sturen Festhalten an unerreichbaren Zielen oder an der eigenen Selbstüberschätzung, ob man einer Aufgabe tatsächlich gewachsen ist oder genügend Talent für seine Idee hat. Mit dem Begriff "exzessive Persistenz" hat die Physiologie diesem Phänomen sogar einen Namen gegeben.

Wann ist es aber sinnvoll, seine Ziele aufzugeben und wie bewerkstelligt man dies am besten? Schließlich verschaffen uns Ziele neben einer Aufgabe nicht selten auch eine Identität. Sich davon zu trennen, kann durchaus schwer und schmerzhaft sein.

Ganz klar: Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz sind wichtige Softskills. Wenn wir aber an Unerreichbarem krampfhaft festhalten, schadet das nicht nur unserem seelischen Wohlbefinden, sondern auch unserer Gesundheit erheblich. Ein fulminanter Burnout ist nur eine vieler möglichen Konsequenzen.

Energisches Verfolgen eines Ziels oder Projektes zeugt fraglos von Stärke. Ein unerreichbares Ziel oder Projekt aufgeben zu können, das sich überlebt hat, erfordert mindestens ebenso viel Mut. Die schwerste Aufgabe ist es aber definitiv, eine Entscheidung zu treffen, ob Durchhalten oder Aufgeben die bessere Alternative ist.

Stockende Projekte und Ziele müssen regelmäßig möglichst objektiv und realistisch daraufhin betrachtet werden, in welchem Verhältnis Aufwand und Nutzen weiterhin stehen. Manchmal ist es wichtig, sein Scheitern zu akzeptieren, so schmerzlich dies auch sein mag. Wichtig dabei ist, nach vorne zu schauen. Nicht mit Zeit und Ressourcen hadern, die vergeudet scheinen, sondern gewonnene Zeit und freigewordene Ressourcen nutzen, um wieder in Balance zu kommen und Neues zu beginnen.

Aufgeben - vielleicht besser: die Reißleine ziehen - erfordert viel Mut und mentale Stärke, bietet aber Chancen und Möglichkeiten für neue Perspektiven, die man anderenfalls vermutlich gar nicht wahrgenommen hätte.

Der Psychologe und Ökonom Johannes Haushofer hat es mit seinem CV of Failures auf den Punkt gebracht. Hierin veröffentlicht er neben seinem eigentlichen Lebenslauf alles, was er nicht geschafft hat, wie misslungene Bewerbungen und abgelehnte Arbeiten. Damit will er jungen Wissenschaftlern Mut machen, die vor der Entscheidung des Aufgebens stehen. Auf sogenannten Fuck-up-Nights berichten Unternehmensgründer und bekannte Persönlichkeiten über ihre Misserfolge und was sie daraus gelernt haben.

Dass Ziele manchmal aufgegeben werden müssen, ist keine Erkenntnis der Neuzeit. Redewendungen wie "man soll kein totes Pferd reiten" kannten schon die Dakota und "gutes Geld dem schlechten hinterherwerfen" vermied man schon im 19. Jahrhundert. Die Balance zwischen Durchhalten und Aufgeben muss aber letztlich jeder für sich selbst und ganz persönlich finden. Im beruflichen, wie auch im privaten Umfeld. Die Antwort auf die Schlüsselfragen "Lohnt sich der Aufwand?" und "Besteht überhaupt eine Chance, das Ziel zu erreichen?" hängt allein von der eigenen Persönlichkeit ab.

» Johannes Haushover - CV of Failures

» Zur FUN FFM

Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


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