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20.05.2024

23.02.2023

Lebst du noch oder bist du schon süchtig?

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Digital detox
Digital detox (Quelle: Adobe Stock)
Bei so ziemlich jeden Menschen, den ich kenne, beginnt der Morgen mit dem Blick auf das Handy. Entweder, um die verpassten Chat-Nachrichten zu lesen, um sich zu informieren, was über Nacht auf der Welt passiert ist, oder um den Wecker noch ein paar Minuten schlummern zu lassen. Für uns ist es völlig normal geworden, direkt nach dem Aufwachen auf unser Smartphone zu schauen. Ab diesem Zeitpunkt blinkt, rattert und pfeift es quasi am laufenden Band - den ganzen Tag lang und wir werden einfach nicht müde davon. Oder vielleicht doch - und wir merken es nur nicht?

Soziale Medien aktivieren unser Belohnungszentrum und verursachen die Ausschüttung des Glückshormons Dopamin, ähnlich wie bei Suchtpatienten. Jedes "Bing!" am Handy löst Hochgefühle aus und wird dementsprechend sofort mit Aufmerksamkeit belohnt. Wir haben fast keine Kontrolle darüber. Im Durchschnitt schauen wir laut einer britischen Studie 221-mal pro Tag auf das Smartphone, um die neuesten Nachrichten zu checken. Alle 18 Minuten unterbrechen wir eine Tätigkeit, um Mails zu lesen, Facebook oder Instagram zu besuchen. So manch einer könnte auf die Idee kommen, dies Multitasking zu nennen, doch in Wahrheit kostet es uns unsere Nerven. Das Gehirn ist überreizt. Man weiß zwar jetzt den neusten Klatsch über die High Society, hat aber vollkommen vergessen, in den letzten 3 Stunden mal ein Glas Wasser zu trinken oder einfach 10 Minuten am Stück eine Pause zu machen.

Es fehlt der Ausgleich durch wirkliche Ruhephasen, es fehlen Offline-Zeiten. Diese Phasen brauchen wir, um fokussiert zu sein, unsere Mitte zu finden, auch um besser zu schlafen. "Zur Muße kommen" nannten die Menschen diesen Zustand früher - heute nennt sich dieser "Digital Detox" - eine digitale Entgiftung und der zeitweise Verzicht auf Smartphone, Notebook und Tablet. "Ernsthaft jetzt?", denkt sich so manch einer. "Ja!". Gleich vorweg: Es ist fast niemandem im 21. Jahrhundert realistisch möglich, spontan das Handy abzuschalten und online nicht mehr erreichbar zu sein. Dennoch gibt es verschiedene Wege, digitale Pausen einzulegen. Auch ich bin dazu gekommen, wenn auch eher unfreiwillig. Dafür muss man nicht in ein teures Digital Detox Camp. Mein Tipp: Beim nächsten Ausflug, der geplanten Wochenendreise oder gar im Urlaub einfach mal das Handy zu Hause lassen.

Im Urlaub ohne tagesaktuelle Nachrichten? Und ohne Freunden permanent Fotos zu schicken oder die eigene Meinung in sozialen Netzwerken kundzutun? Beim Nachdenken über all diese Fragen merkt man erst, wie weit die eigene Smartphone-Abhängigkeit bereits fortgeschritten ist. Höchste Zeit also, den smarten Alltagsbegleiter auch einmal in den Urlaub zu schicken und ihn einfach zu Hause zu lassen. Sind Sie erst mal aus der Tür und sitzen im Taxi, gibt es auch schon kein Zurück mehr und schon ist die Gefahr doch noch zum Handy zu greifen, gebannt.

Glauben Sie es mir. Ich spreche aus Erfahrung! Sie denken sich jetzt, wie soll man Fotos schießen, die Sehenswürdigkeiten planen und finden und Freunden und Bekannten die vielen Fotos schicken? Fotos hat man vor dem iPhone mit Kameras gemacht, Sehenswürdigkeiten kann man zur Not an der Rezeption erfragen und Ihre Freunde sehen die ganzen Fotos erst nach dem Urlaub. Spätestens nach dem 2. Tag werden Sie sehen, wie viel entspannter der Urlaub sogar ohne Handy sein kann. Nach so einem Kaltentzug kann man wunderbar reflektieren, wie viel sinnlose Energie ohne Mehrwert das ständige Rumhängen am Smartphone verschwendet. Und das andere Plus ist: Sie verbringen plötzlich entspannte Abende mit dem Partner oder der Familie, ohne ständig auf das Handy zu schauen, was so ziemlich jedes anregende Gespräch tötet.

Das erinnert mich an ein interessantes Zitat des Österreichers Peter Cerwenka:

Das Handy fungiert als Herzschrittmacher ersterbender Gesprächskultur der Postmoderne.
Peter Cerwenka (1942-2020)

Sicher ist die Gefahr nach dem Urlaub rückfällig zu werden sehr hoch. Doch damit Ihr Handy nicht als Herzschrittmacher Ihres Sozial- und Privatlebens fungiert, ist es wichtig das Gelernte aus dem Urlaub auch im Alltag nach der Reise umsetzen, um so langfristig weniger am Smartphone zu hängen.

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