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29.05.2024

26.01.2023

Ganz schön träge

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Argon
Mit Argon gefüllte Entladungsröhren
Bild: Pslawinski [CC BY-SA]
Vor ziemlich genau 128 Jahren, am 31. Januar 1895, stellten der Physiker Lord John William Rayleigh und der Chemiker William Ramsay ein neues Element vor, das sie kurz zuvor identifiziert hatten: Das heute als Edelgas mit der Ordnungszahl 18 bekannte Argon.

Im 19. Jahrhundert war noch nicht bekannt, dass Luft außer Sauerstoff und Stickstoff noch andere Bestandteile enthält. Bei ihren Versuchen stellten die beiden Wissenschaftler fest, dass der aus der Luft gewonnene Stickstoff immer ein bisschen mehr wog, als die theoretischen Berechnungen hergaben. Demnach musste also noch ein weiteres, bislang unbekanntes Gas in der Luft enthalten sein.

Um dies zu beweisen, ließen die Wissenschaftler den aus der Luft gewonnenen Stickstoff durch ein geheiztes, mit dem reaktiven Metall Magnesium gefülltes, langes Rohr fließen. Der Stickstoff reagiert in diesem Versuchsaufbau zu festem Magnesiumnitrid. 1 Prozent des eingesetzten Gases reagierte nicht mit dem Magnesium und ging auch mit Kupfer, wodurch anwesender Sauerstoff entzogen wurde, keine Reaktion ein. Es musste sich also um einen bislang unbekannten weiteren gasförmigen Bestandteil der Luft handeln.

Ramsay fand durch weitere Untersuchungen heraus, dass dieses Gas nicht wie Stickstoff und Sauerstoff aus einem Molekül, sondern einatomig - also ein Elementarstoff - sein muss. Durch eine damals noch neue Analysemethode, die Spektroskopie, konnte abschließend bewiesen werden, dass es sich bei dem Gas tatsächlich um ein bisher unbekanntes Element handelte. Passend zu seiner nicht vorhandenen Reaktivität, nannten die Wissenschaftler das Gas "Argon", nach dem griechischen Wort "argos" für "träge".

Aber nicht nur die Trägheit des Elementes machte den Wissenschaftlern Kopfzerbrechen. Auch die Tatsache, dass es sich so gar nicht in das gerade etablierte Periodensystem der Elemente integrieren ließ, stiftete Verwirrung. Letztlich konnten in kurzen Abständen weitere Gase mit ähnlichen Eigenschaften wie Argon ausgemacht werden, und auch das schon 1868 entdeckte Helium reihte sich in diese Gruppe neuer Elemente ein. Heute finden wir sie doch im Periodensystem - nämlich in der 8. Hauptgruppe als Edelgase.

Argon ist aus der technischen Anwendung nicht mehr wegzudenken. Das Schweißen von Aluminium oder hochlegiertem Stahl ist ohne das Schutzgas Argon schwerlich machbar. Durch seine beschriebene Reaktionsträgheit beugt Argon Korrosion der Schweißnaht oder Verbrennungen des Werkstoffs vor. Weitere Anwendung findet Argon unter der Bezeichnung E938 als Schutzatmosphäre zur Konservierung von Lebensmitteln, in der ICP-Spektroskopie oder auch in Leuchtstofflampen als Leuchtgas mit violetter Farbe. Da es mit knapp 1 Prozent recht konzentriert in unserer Atmosphäre vorkommt, kann es im großen Maßstab durch das Lindeverfahren gewonnen werden und ist verhältnismäßig preiswert zu haben.

Mittlerweile macht Argon seinem Namen allerdings nicht mehr uneingeschränkt Ehre: Im Jahr 2000 hat die Arbeitsgruppe um den finnischen Chemiker Markku Räsänen an der Universität Helsinki die für Edelgasverhältnisse verhältnismäßig stabile Verbindung Argonfluorohydrid (HArF) hergestellt, die immerhin bis zu einer Temperatur von 27 K oder bis zum Aufeinandertreffen zweier Moleküle Bestand hat. Aber im Grunde seines Herzens ist das träge Edelgas - so wie seine Kollegen aus der 8. Hauptgruppe - nicht wirklich bereit, Verbindungen mit anderen Elementen einzugehen. So wie der Evolutionsforscher Charles Darwin es auch für andere Bereiche der Natur formuliert hat:

Alles, was gegen die Natur ist, hat auf die Dauer keinen Bestand.
Charles Darwin (1809-1882)

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Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


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