01.12.2022
Ich weiß Bescheid - glaube ich
- Dunning-Kruger-Effekt [CCO]
Doch wie kommt es dazu, dass Menschen ihre Fähigkeiten höher einschätzen als sie - objektiv betrachtet - sind? Dieser Frage gingen die US-amerikanischen Sozialpsychologen David Dunning und Justin Kruger in verschiedenen Studien nach. Dabei fanden Sie heraus, dass Unwissenheit, insbesondere beim Erfassen von Texten, Schach spielen und - wen wundert es - beim Autofahren, oft dazu führt, dass man überhöhtes Selbstvertrauen entwickelt, anstatt dazuzulernen.
Sie kamen zu dem Ergebnis "wenn man inkompetent ist, kann man nicht wissen, dass man inkompetent ist [...]. Die Fähigkeiten, die Sie benötigen, um eine richtige Antwort zu geben, sind genau die Fähigkeiten, die Sie benötigen, um zu erkennen, was eine richtige Antwort ist." Das heißt: Umso geringer das Wissen mancher Leute - leider auch von Führungskräften - über ein Fachgebiet ist, desto schlechter sind sie in der Lage, objektiv zu beurteilen, dass sie wenig bis nichts davon verstehen und umso beharrlicher bestehen auf ihrer unrealistischen Darstellung des Sachverhalts.
Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten Kruger und Dunning unter dem Titel "Ungeschickt und unbewusst: Wie Schwierigkeiten beim Erkennen der eigenen Inkompetenz zu einer überhöhten Selbsteinschätzung führen" und erhielten dafür im Jahr 2000 als hochrangige satirische Auszeichnung den Ig® Nobel Prize of Improbable Recearch about research that makes people LAUGH, then THINK im Fachbereich Psychologie.
Auch wenn der Begriff Overclaiming eine recht neue Wortschöpfung ist, so ist die Selbstüberschätzung selbsternannter Fachleute nichts Neues. Wahrscheinlich hat jeder schon das eine oder andere Mal mit Zeitgenossen zu tun gehabt, der sich mit unausgegorenem Halbwissen sehr weit aus dem Fenster lehnt und voller Überzeugung auch den größten Unsinn verbreiten und nahezu plausibel darstellen können. Ein leider wieder recht aktuelles Beispiel ist der Come-Back Versuch von Donald Trump.
Problematisch ist die Selbstüberschätzung, wenn sie dazu führt, dass selbsternannte "Experten" Verschwörungstheorien verbreiten und überzeugend darlegen. Oder wenn man voller Überzeugung in riskante Projekte einsteigt und die fehlende Sachkunde zum persönlichen oder finanziellen Desaster führt.
Jemand, der an sich glaubt und das überzeugend vermittelt, hat allerdings - auch das bestätigen Studien - bessere Chancen im Job weiterzukommen. Unter Umständen schafft man es dadurch, dass man sich gut verkaufen und überzeugend präsentieren kann in Positionen, in die man es aufgrund der tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten nicht ohne Weiteres geschafft hätte. Sitzt man erst einmal auf einem höheren Posten und hat entsprechende Machtstrukturen aufgebaut, so ergibt sich das Problem, dass nur solche Personen im eigenen Umfeld "überleben", die einem nach der Nase reden. Und das ist ausgesprochen kontraproduktiv, wenn man Inkompetenz bekämpfen möchte.
Es ist definitiv besser, die Overclaimer im Vorfeld zu entdecken, ihnen ihre Inkompetenz nachzuweisen und sie bestenfalls durch beharrliches und konstruktives Feedback bei der Entwicklung zum tatsächlichen Fachmann zu unterstützen. Natürlich ist es auch erlaubt und durchaus sinnvoll, sich selbst in ehrlicher und schonungsloser Selbstreflexion zu üben.
Wie man einen wirklichen Experten erkennt, dafür hat der Physiker Werner Heisenberg eine einfache Gebrauchsanweisung geliefert:
Ein Fachmann ist ein Mann, der einige der gröbsten Fehler kennt, die man in dem betreffenden Fach machen kann und der sie deshalb zu vermeiden versteht.
Werner Heisenberg (1901-1976)
» Der Dunning-Kruger-Effekt: 4 Phasen der Selbstüberschätzung
» Handbuch: Falschinformationen - Widerlegen, aber richtig
Autor: