Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
20.05.2024

21.04.2022

Die Geister, die ich rief...

Teilen:


JR Oppenheimer
J.R. Oppenheimer [CCO]
Am 22. April vor 118 Jahren erblickte Julius Robert Oppenheimer als Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer in New York das Licht der Welt. Der Physiker machte als Vater der Atombombe Karriere und bis heute Schlagzeilen. Ebenso hoch, wie er dekoriert wurde, fiel er auch tief in Ungnade bei der amerikanischen Regierung.

Die unter seiner wissenschaftlichen Leitung entwickelte Bombe machte ihn, wie er selbst - entsprechend der hinduistischen Lehre Bhagavad Gita - über sich sagte, "zum Tod, den Zerstörer der Welten". Was hat er sich eigentlich dabei gedacht?

Ein Blick in die Biographie von J.R. Oppenheimer zeigt ihn nicht nur als talentierten Physiker, der sich mit namhaften Kollegen wie Max Born, Enrico Fermi, Werner Heisenberg oder Wolfgang Pauli austauschte und von ihnen sehr geschätzt wurde, sondern auch als politisch interessierten Menschen.

Wohl aufgrund seiner jüdischen Abstammung verachtete er die Faschisten und orientierte sich eher am linken politischen Spektrum. Während der 1930er Jahre sympathisierte er mit den Kommunisten, was ihm an Ende seiner Karriere einigen Ärger einbrachte.

Der zwischen Russland und Nazi-Deutschland geschlossene Nichtangriffspakt änderte Oppenheimers Einstellung zum Kommunismus. Er übernahm die wissenschaftliche Leitung des "Manhattan Projects". In diesem geheimen Unterfangen wurde ab 1942 mit Hochdruck an einer nuklearen Bombe getüftelt, um den Deutschen damit zuvorzukommen.

Obwohl bereits zwei Jahre später abzusehen war, dass Deutschland den Krieg nicht gewinnen würde und auch keine Atombombe im Arsenal hatte, vollendeten Oppenheimer und seine Mitarbeiter ihre Entwicklung und testeten am 16. Juli 1945 unter dem Codenamen Trinity die weltweit erste Atombombe.

Damit hätte es eigentlich genug sein sollen... die Welt wusste nun um die Macht Amerikas. Immer mehr Stimmen wurden laut, die Waffe unter Verschluss zu halten. Unter anderem der Physiker Leo Szilard, der ursprünglich gemeinsam mit Albert Einstein aus Angst vor den Nazis die Entwicklung forciert und Präsident Roosevelt zur Forschung und Entwicklung nuklearer Waffen überredet hatte, versuchte den neuen Präsidenten Truman jetzt davon zu überzeugen, weitere Pläne zur Atombombe zu verwerfen.

Trotz aller Zweifel vieler Wissenschaftler wurde die verheerende Waffe dennoch gegen Japan eingesetzt, um das Land zur Kapitulation zu zwingen. Am 3. August 1945 wurde Hiroshima in Schutt und Asche gelegt, nur drei Tage später die Stadt Nagasaki. Mehr als 200.000 Menschen sollen den Angriffen zum Opfer gefallen sein. Bis heute sterben Menschen an den Spätfolgen.

Präsident Truman soll die Zerstörung Hiroshimas laut der New York Times mit den Worten "Wir haben zwei Milliarden Dollar im größten wissenschaftlichen Spiel in der Geschichte gesetzt und gewonnen." kommentiert haben. Oppenheimers Konsequenz aus dem (von ihm mit geplanten) Einsatz der Bomben war sein Rücktritt als Leiter des Manhattan Projects. Er sprach davon, Blut an den Händen zu haben und engagierte sich als Berater der 1946 gegründeten Atomenergiekommission gegen das Wettrüsten mit der UdSSR und gegen den Bau der Wasserstoffbombe. Oppenheimers Kritiker holten jetzt seine kommunistischen Kontakte aus den 1930 Jahren aus der Schublade und diskreditierten ihn, so dass er jeglichen politischen Einfluss verlor.

Mehrere Politiker und auch einige Wissenschaftler hielten den Einsatz der Atombombe gegen Japan für unabdingbar, um den Schrecken der Waffe zu demonstrieren und so alle Verantwortlichen - insbesondere in der Sowjetunion, wo ebenso eifrig an deren Entwicklung gearbeitet wurde - davor zu warnen und zu bewahren, die Bombe jemals wieder einzusetzen. Das "Gleichgewicht des Schreckens" hat ja bislang funktioniert. Aktuell fragt man sich leider wieder, wie lange noch. Aber rechtfertigt das die unzähligen Opfer?

Der amerikanische Politikwissenschaftler und Autor Graham T. Allison sagt im Trailer zu dem für Juli 2023 geplanten Film über Oppenheimer "Wäre die Welt besser dran, wenn wir nie verstanden hätten, wie man Atome spaltet? Ja, natürlich wäre sie das. Aber ist es möglich, das Rad zurückzudrehend? Darauf lautet die Antwort: Nein!" Kürzer, aber genauso passend hat bereits J. W. Goethe im Jahr 1797 in seiner Ballade vom Zauberlehrling solch ein Dilemma kommentiert:

Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los.
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

» Über J.R. Oppenheimer

» Weitere Hintergründe

Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


» Kommentieren