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19.05.2024

24.03.2022

Wie weit geht unsere Solidarität?

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Solidarität
Bild: pixabay[CCO]
Solidarität ist wohl eins der am häufigsten gebrauchten Worte der letzten Wochen. Solidarität mit der Ukraine und den Geflüchteten. Fast genauso oft hört man die Schlagworte Unterstützung und Hilfe. Es gibt niemanden, der dieser Tage nicht fassungslos oder bestürzt ist. Kaum jemanden, der nicht den Wunsch verspürt, zu helfen, wo es eben geht.

Auch ich mache mir Sorgen darüber, dass sich der Krieg in der Ukraine zum Flächenbrand ausweitet, bin fassungslos ob der täglichen Berichte über zivile Ziele und die vielen Opfer auf beiden Seiten.

Aber schon hört man allerorten mahnende Stimmen über drohende Weizenverknappung für deutsche Lebensmittelhersteller (viel schlimmer finde ich, die prognostizierten Hungersnöte für Schwellen- und Entwicklungsländer) und Unkenrufe über explodierende Energiepreise. Schon wieder steht man vor leeren Supermarktregalen - diesmal scheint nicht so sehr Toilettenpapier, sondern Speiseöl begehrt zu sein. Irgendwie ist das mit der Solidarität dann doch nicht so leicht umzusetzen und viele sind sich selbst am nächsten.

Wieder einmal wird uns bewusst, wie abhängig wir (nicht nur in Deutschland) durch die Globalisierung von anderen Staaten und Regionen sind. Ich bin erleichtert darüber, dass - im Gegensatz zum Beginn der Covid-Pandemie - die meisten Staaten und vor allem die europäischen enger zusammenrücken. Auch diejenigen, die sich in der jüngsten Vergangenheit durch Alleingänge und Nationalismus hervorgetan haben, sind sich ihrer Verantwortung bewusst.

Trotzdem sind leider nur zu wenige Menschen bereit, auf Privilegien zu verzichten oder sehen nicht ein, dass finanzielle Einbußen zwar unangenehm, aber als Preis für die Verhinderung einer weiteren Eskalation des Krieges nicht zu hoch sind. Warum wird beispielsweise eine generelle Rabattierung der Spritpreise gefordert? Warum gibt es nicht viel lautere Forderungen nach Entlastung der Geringverdienenden, die durch insgesamt stark steigende Preise gebeutelt sind und am Ende des Geldes noch so viel Monat übrighaben? Nicht (nur) auf Staatskosten, sondern auch auf Kosten der Gut- und Besserverdiener, zu denen ich mich im Übrigen auch zähle.

Wenn wir nicht länger in der Lage sind, eine Situation zu ändern, sind wir gefordert, uns selbst zu ändern.
Viktor Emil Frankl (1905-1997)
wird der österreichische Neurologe und Psychiater Dr. Viktor Frankl zitiert. Wahrscheinlich bezog er sich mit dieser Aussage auf seine Zeit als Häftling verschiedener Konzentrationslager während des Zweiten Weltkrieges. Genauso passend ist dieses Zitat aber in unserer aktuellen weltpolitischen Situation.

Es reicht nicht, Flüchtende mit Sach- und Geldspenden zu unterstützen und ihnen Unterkunft zu gewähren. Um neben der Ausweitung des Krieges auch weitere wirtschaftliche und humanitäre Katastrophen europa- und weltweit zu verhindern, muss jeder und jede dazu bereit sein, auch persönliche und finanzielle Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Zusätzlich müssen wir darauf hoffen, dass die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft den Weitblick und das Standing haben, die Gratwanderung zwischen notwendigen Sanktionen, Verzicht auf russische Energieträger und die damit verbundenen Gewinneinbußen und der Verhinderung eines möglichen Zusammenbruchs unserer Wirtschaftssysteme zu schaffen.

Solidarität ist wohl eins der am häufigsten gebrauchten Worte der letzten Wochen. Nie war es in den letzten Jahrzehnten wichtiger als heute, diesem Wort auch Taten folgen zu lassen, auch wenn es wehtut!

» Über Viktor Frankl

» Nahrungsmittelkrise durch Ukraine-Krieg

Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


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