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19.05.2024

12.08.2021

Wie geht`s eigentlich Schrödingers Katze?

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Katzenversteck
Bild: pixabay [CCO]
Neben dem Ziegenproblem ist das Gedankenexperiment des Physikers Erwin Schrödinger bezüglich des Zustands der Katze in einer verschlossenen Kiste sicherlich eins der kompliziertesten Phänomene. Der Geburtstag Schrödingers am 12. August gibt Anlass dazu, die Katze bzw. das Gedankenexperiment aus dem Jahr 1935 näher zu betrachten.

Der Aufbau ist ganz einfach: Der Zerfall eines radioaktiven Atoms wird von einem Detektor gemessen, der dadurch wiederum einen Hammer in Bewegung setzt. Dieser Hammer zerschlägt eine mit Gift gefüllte Ampulle. Das ausgetretene Gift wird von einer Katze eingeatmet, sodass diese verstirbt.

Die komplette Versuchsapparatur befindet sich samt Katze in einer verschlossenen Kiste und ist - das sei allen Katzenfreunden versichert - ein Gedankenspiel, das nach unserer Vorstellung zwei mögliche Zustände zulässt. Entweder ist das Atom zerfallen und die Katze damit tot oder das Atom ist nicht zerfallen und die Katze lebendig. So einfach ist es aber leider nicht.

Anders als in dem uns bekannten System des Makrokosmos - also der physikalischen Ordnung unseres Alltags - gelten für das einzelne Atom in Schrödingers Kiste die Gesetze der Quantenphysik, die unserem klaren Menschenverstand einiges abverlangen.

Es gibt im Mikrokosmos der Quantentheorie keine eindeutige Festlegung, wo genau und in welchem Zustand sich ein Teilchen befindet; dies nennt man Überlagerungszustand oder Superposition. Erst wenn man das Teilchen genau beobachtet, legt man seine Position und damit seinen Zustand fest. Für Schrödingers Experiment bedeutet dies, dass sich das Atom - solange es nicht beobachtet wird - im Überlagerungszustand befindet und daher gleichzeitig sowohl zerfallen als auch nicht zerfallen ist. Infolgedessen schlägt der Detektor gleichzeitig aus und nicht aus, der Hammer schlägt zu und nicht zu, die Gift-gefüllte Ampulle ist gleichermaßen kaputt und ganz und die Katze demnach sowohl tot als auch lebendig???

Glücklicherweise endet das Wirrwarr in dem Moment, in dem wir die Kiste öffnen und die Szenerie beobachten. Denn dadurch legt man gemäß der Quantentheorie - dem Beobachtereffekt - einen genauen Zustand des Atoms fest und entscheidet damit über das Schicksal der armen Katze.

Sie sind jetzt immer noch verwirrt von dieser merkwürdigen Art, das Universum zu erklären? Dann befinden Sie sich in prominenter Gesellschaft. Denn schon Schrödingers Zeitgenosse Niels Bohr, der sich ebenfalls mit der Quantentheorie beschäftigte, wird zitiert:

Wenn Sie von der Quantenphysik nicht verwirrt sind, dann haben Sie es nicht wirklich verstanden.
Niels Bohr (1885-1962)

Auch Schrödinger wollte mit seinem Experiment darauf hinweisen, dass es sich bei der Quantenphysik um eine völlig neue Theorie handelt und dass im subatomaren Bereich völlig andere Gesetze gelten als die uns bekannten.

Quantentheorie ist für die Mehrheit der Weltbevölkerung nicht nachvollziehbar, da sie sich in so winzigen Dimensionen abspielt, dass sie weder sichtbar noch erlebbar ist. Effekte, die hier zum Tragen kommen stehen unserer Auffassung von Physik und den uns bekannten Naturgesetzen völlig entgegen. Dennoch hat sie sich vielfach bewährt und auch schon Anwendung gefunden.

Den Überlagerungszustand beispielsweise konnten Forscher schon für aus bis zu 60 Atomen bestehenden Molekülen nachweisen und diesen für Quantencomputer nutzen. Hier können die kleinsten Einheiten, sogenannte Qubits, gleichzeitig zwei unterschiedliche Zustände - nämlich null und eins - annehmen. Da mehrere Prozesse gleichzeitig ablaufen, können diese Computer viel schneller arbeiten.

Warum unser Universum so funktioniert wie wir es kennen und nicht mehr der Quantentheorie folgt, erklärt Schrödinger in einem Vortrag, den er 1952 in der Schweiz hielt. Wir wissen zwar, dass die Teilchen im subatomaren Bereich interagieren, aber nicht wann und wie. Letztendlich ist das, was wir wahrnehmen - makroskopische Körper und Zustände - ein Mittelwert dieser Vorgänge oder mit Schrödingers Worten ausgedrückt, "ein statistischer Effekt, der sich auf das Gesetz großer Zahlen stützt."

» Harald Lesch erklärt Schrödingers Gedankenspiel

» Publikation: Dephasing in electron interference by a 'which-path' detector

Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


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