Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
19.05.2024

29.07.2021

Kaum noch Ozonalarm - aber keine Entwarnung!

Teilen:


Ozon-Molekül
Ozon-Molekül [CCO]
Ende Juli 1994 gab es den ersten Ozonalarm im Deutschland. Nachdem an 33 Messstellen in Hessen der Wert von 240 µg pro Kubikmeter Luft überschritten wurde, entschied die damalige Landesregierung ein Tempolimit von 90 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen zu verhängen, das drei Tage lang andauerte.

1995 wurde ein bundesweites "Sommersmoggesetz" verabschiedet, dass im Jahr 1998 sogar zu Fahrverboten für Autos ohne geregelten Katalysator führte. Allerdings brachten die Einschränkungen immer nur kurzfristig Erfolge.

Sinnvoller und wirksamer war schließlich der von der Bundesregierung vorgegeben Weg, durch verbesserte Technik wie Rauchgas-Entstickungsanlagen, lösemittelfreie Lacke und Farben und geregelte Katalysatoren die Entstehung von Ozon bereits im Vorfeld zu verhindern oder zumindest zu verringern.

Mit gewissem Erfolg, denn seit mehreren Jahren hört man nicht mehr allzu viel über Ozon als Luftschadstoff. Aber es ist mitnichten ganz verschwunden!

Warum gibt es eigentlich keinen Ozonalarm mehr?

In erster Linie sind Abgase aus Verkehr, Industrie aber auch Privathaushalten für die Bildung des bodennahen Ozons verantwortlich. Das Reizgas entsteht bei hoher UV-Strahlung - also Sonnenlicht - durch die Reaktion von gasförmigen Schadstoffen wie Stickstoffdioxid, Kohlenwasserstoffen und flüchtigen organischen Verbindungen mit dem Luft-Sauerstoff.

Durch die Verbesserung von Filter- und Abgasanlagen in der Industrie und bei KFZ sind die Schadstoffwerte in der Luft so weit gesunken, dass die Alarmschwelle von 240 µg/m³ Ozon fast gar nicht mehr erreicht wird. Auch der Wert von 180 µg/m³ Ozon, ab dem die Bevölkerung informiert werden muss, wird nur noch selten überschritten.

Diese Tatsache ist aber kein Grund, sich entspannt zurückzulehnen. Statt einzelner Extremwerte gibt es heute eine Dauerbelastung, oft nur knapp unterhalb der Gesundheitsschwelle. Das Umweltbundesamt hat für Ozon einen maximalen 8-Stunden-Wert von 120 µg/m³ festgelegt, der an höchstens 25 Tagen pro Kalenderjahr überschritten werden darf. Obwohl das Umweltbundesamt empfiehlt, dass es überhaupt keine Überschreitung dieses Wertes geben sollte, wird diese Vorgabe leider noch immer nicht eingehalten - meist unbemerkt von der Bevölkerung, da eine Information über erhöhte Werte bzw. ein Alarm ja erst bei höheren Konzentrationen erfolgen muss. In Löcknitz in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise wurde der Wert von 120 µg/m³ in diesem Jahr (Stand 21.07.2021) bereits an 24 Tagen überschritten.

Warum Höchstwerte auf dem Land?

Die Gemeinde Löcknitz ist wahrscheinlich den Wenigsten bekannt, und auch ich habe erst während der Recherchen zu diesem Beitrag von ihr erfahren. Sie liegt etwa 140 km nördlich von Berlin auf dem "platten Land". Auch im Südschwarzwald und anderen ländlichen Gegenden steigt die Ozonbelastung im 3-Jahres-Mittel deutlich öfter als 25-mal im Jahr über den angestrebten Grenzwert von 120 µg/m³.

Eigentlich würde man die hohe Ozonkonzentration doch eher in den Ballungsgebieten vermuten und ins Grüne fahren, um dort die frische Luft zu genießen. Das ist leider ein Trugschluss. Da die Sonnenstrahlung als Energiequelle zur Ozonbildung nötig ist, ist die Ozonkonzentration umso höher, je höher gelegen und je sonniger eine Region ist. Auch in bewaldeten Regionen ist die Belastung besonders hoch.

Was paradox klingt, hat eine ganz simple Ursache: Das in Autoabgasen enthaltene Stickstoffmonoxid reagiert mit dem Ozon. Dabei wird Ozon abgebaut und es entstehen wiederum Stickstoffdioxid und Sauerstoff. In ländlichen und naturbelassenen Gebieten ist die Konzentration an Autoabgasen bekanntermaßen eher gering und somit auch die Konzentration an Ozon-reduzierendem Stickstoffmonoxid. Andererseits werden die anderen Ozon-bildenden Schadstoffe und auch das Ozon selbst aus den Städten ins Umland geweht.

Das trägt weit ab von den eigentlichen Quellen zur Ozonbelastung ländlicher Gebiete bei - getreu der Feststellung des Österreichers Ernst Ferstl:

Die Luftverschmutzung ist auch so ein Problem, das sich einfach nicht in Luft auflösen will.
Ernst Ferstl (*1955)

Und die Folgen?

In der Stratosphäre ist Ozon als schützende Schicht für unseren Planeten überlebenswichtig, dagegen richtet es in den tieferen Schichten der Troposphäre Schaden an: Menschen reagieren unterschiedlich auf Ozonbelastung. Laut Umweltbundesamt sind ungefähr 10 bis 15 Prozent der Menschen sehr sensibel für das Gas. Aber auch bei der übrigen Bevölkerung können Kopfschmerzen, Husten oder Reizung der Atemwege auftreten.

Und auch für die Vegetation ist Ozon eine große Belastung. Pflanzen die zu viel Ozon über ihre Blätter aufnehmen nehmen Schaden, so dass es zu Einbußen bei Ernteerträgen kommen kann, oder Bäume nachhaltig geschwächt werden.

Also heißt es auch ohne Sommersmog und Ozonalarm: Lieber mal das Auto stehen lassen, weniger Abgase produzieren, den Stromverbrauch drosseln und Energie sparen, wo immer es möglich ist. Das schont unsere geplagte Umwelt und ganz nebenbei auch den Geldbeutel.

» Überschreitung von Ozonwerten für das aktuelle Jahr 2021

» Ozon - Stress für Bäume

» Webseite von Ernst Ferstl

Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


» Kommentieren