10.06.2020
Der Irrtum von morgen
- Bild: Pixabay [CCO]
Manchmal erweist sich das, was heute als wissenschaftliche Erkenntnis publiziert wird, morgen als wissenschaftlicher Irrtum. Sei es, weil es inzwischen genauere Messmethoden gibt, weil Forscher manchmal falsche Schlussfolgerungen ziehen oder sich schlichtweg verrechnen.
Beispiele dazu findet man bereits in grauer Vorzeit: beispielsweise die Phlogiston-Theorie, um die trefflich gestritten wurde und die unterschiedlichen und heiß diskutierten Evolutionstheorien von Lamarck und Darwin. Auch die Relativitätstheorie, wird bis heute von sogenannten "Antirelativisten" angezweifelt und seit ihrer Veröffentlichung wissenschaftlich, philosophisch aber auch ideologisch diskutiert. Sie wurde bislang allerdings nicht widerlegt. Ein ganz banales Beispiel ist der Spinat, der jahrzehntelang als besonders eisenhaltig galt, weil ein Komma verrutscht war.
Für gewöhnlich bekommt "Otto Normalverbraucher" von solchen wissenschaftlichen Aktivitäten und kontroversen Diskussionen der Forschungsergebnisse herzlich wenig mit und interessiert sich in der Regel auch nicht weiter dafür. Bahnbrechende neue Erkenntnisse werden in den aktuellen Nachrichten verkündet und zur Kenntnis genommen, was man als völlig ausreichend empfindet.
Wie so Vieles ist derzeit aber auch der Umgang mit wissenschaftlicher Forschung ein anderer. Seit der Ausbreitung des COVID-19-Erregers sind viele Menschen zu Naturwissenschaftlern geworden, die sich bislang nur während der Schulzeit - gezwungenermaßen - mit dieser Fachrichtung auseinandergesetzt haben. Im schlimmsten Fall vereint sich hier Halbwissen mit Verschwörungstheorien.
Die - völlig übliche und sogar gewünschte - strittige Diskussion unter den Virologen wird momentan medial ausgeschlachtet und reicht bis zur Diffamierung der Wissenschaftler, deren Forschungs- und Studienergebnisse sich teilweise selbst überholen. Vielleicht auch deshalb, weil Publikationen mit der berühmten "heißen Nadel gestrickt" wurden, aber vor allem wohl darum, weil zum einen in einen fast unüberschaubaren Rahmen geforscht und zum anderen immer wieder komplettes Neuland betreten wird. Dabei werden dann auch gerade eben noch plausibel erscheinende Theorien und Studien widerlegt und verworfen. Das ist auch gut so!
Einen Irrtum auszumerzen ist manchmal wertvoller, als eine neue Wahrheit oder neue Fakten festzuschreiben.
Charles Darwin (1809-1882)
schrieb Charles Darwin Ende des 19. Jahrhunderts an einen Kollegen, weil auch er sich bewusst war, dass sich wissenschaftliche Forschung nur weiterentwickeln kann, wenn man seine Arbeiten immer wieder kritisch hinterfragt und diskutiert. Das Eingestehen und Akzeptieren von Fehlern macht nämlich im besten Fall den Weg frei für ganz neue Erkenntnisse. Und das ist es, was wir auch jetzt in der Diskussion um die Bekämpfung des COVID-19-Erregers brauchen: Neue und weiterführende Schlussfolgerungen sind das Ziel und keine Diskriminierung oder Schuldzuweisungen von und an Forschenden.
» Wo man sich beim Coronavirus geirrt hat
» Wissenschaftliche Datenanalyse: verschiedene Experten - unterschiedliche Prognosen
Autor: