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19.05.2024

29.11.2018

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Bringt es die Gleichstellung der Frauen voran, wenn gendergerecht gesprochen und geschrieben wird? Man sollte es meinen, so konsequent wie Texte oder Reden mittlerweile politisch korrekt formuliert werden. Kaum jemand (oder muss es jefraud heißen?) kommt noch ohne "Binnen-I", Unterstrich oder Gendersternchen aus. Mich - weiblich, Chemieingenieurin, also in einem so genannten "Männerberuf" zu Hause - nervt es zunehmend, dass so auf der vermeintlich frauenfeindlichen deutschen Sprache herum gehackt wird und dadurch vor allem längere Texte immer umständlicher zu lesen sind.

Bereits Mark Twain hat sich auf einer seiner Deutschlandreisen schwer darüber den Kopf zerbrochen, warum die deutsche Sprache sich dreierlei Artikel bedient und mit welcher Begründung beispielsweise DIE Nase im Gesicht des Mannes weiblich, dagegen DER Mund im Gesicht (übrigens Neutrum) der Frau männlich sei.

Ob nun Forscherinnen und Forscher, Forschende oder eine Forschungsgruppe etwas Neues entwickelt haben ändert doch nichts am Ergebnis oder an der Wertigkeit der geleisteten Arbeit jedes Einzelnen. Dass sich historisch bedingt männliche Formen in unserer Sprache etabliert haben, die heutzutage überholt sind, darüber sollte frau meiner Meinung nach gelassen hinweg sehen. Vielleicht können wir im Gegenteil stolz darauf sein, dass wir uns unserer "eigenen", weiblichen, Form bedienen können, wenn es wichtig ist, diese hervorzuheben.

Anne Louise Germain de Staël, eine politisch und intellektuell aktive Schriftstellerin aus der Zeit Napoleons hatte dazu eine wie ich finde sehr gute Meinung:

Das Genie hat kein Geschlecht.
Anne Louise Germaine de Staël (1766-1817)
Frauen haben doch wahrlich schwerwiegendere Probleme, als sich darüber aufzuregen, ob die weibliche Form eines Nomens mitgesprochen oder geschrieben wird, solange es einen Equal Pay Day gibt, über "Frauenquoten" diskutiert werden muss, so genannte "Frauenberufe" in sozialen Bereichen schlecht bezahlt werden und sich Frauen und Männer oftmals zwischen Beruf und Familie entscheiden müssen, weil Teilzeitarbeit das Karriere-Aus bedeutet oder gleich ganz den Job kostet. Auch, dass sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen nicht nur auf Grund körperlicher Überlegenheit sondern auch auf Grund von Machtverhältnissen immer noch an der Tagesordnung ist, ist ein wichtiger Grund, sich für Frauenrechte einzusetzen.

Diese Missstände werden sich höchstwahrscheinlich nicht dadurch ändern, dass über Wortkonstrukte wie Professox oder "Zu Fuß gehende" diskutiert wird. Meiner Meinung nach lenkt diese Diskussion eher vom Wesentlichen ab. Im Zuge der Gleichberechtigung ist es mir gerade wichtig, dass meine Arbeit und Leistung vollkommen unabhängig von meinem Geschlecht bewertet wird. Ist es da - ketzerisch gefragt - nicht kontraproduktiv, extra darauf hinzuweisen, dass ich weiblich bin?

Und ist es - nebenbei bemerkt - nicht durchaus möglich, dass X und Y Chromosom neben den augenscheinlichen Unterschieden auch solche bewirken, die wir nicht sehen? Dass Männer und Frauen und alle anderen tatsächlich unterschiedliche Stärken und Schwächen haben, die genetisch bedingt sind? Dann lasst uns doch gemeinsam und gleichberechtigt das Beste aus unserem Anderssein herausholen. Ob unsere Unterschiede durch das Geschlecht, die Erziehung oder andere Einflüsse entstanden sind: Vielfältigkeit birgt immer mehr Chancen als Risiken.

» Mark Twain über die deutsche Sprache

» Mehr über Anne Louise Germaine de Staël

Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


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