Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
02.05.2024

04.10.2023

Verhalten von Oberflächen auf atomarer Skala untersuchen

Teilen:


Egal ob man Mikrochips erzeugt, bessere Katalysatoren entwickelt, oder die Korrosion von Metallteilen besser verstehen will: In vielen technischen Anwendungen, die in unserer Industrie eine wichtige Rolle spielen, geht es um chemische Reaktionen an der Grenzfläche zwischen zwei verschiedenen Substanzen - zwischen zwei festen Materialien, oder auch zwischen etwas Festem und etwas Flüssigem oder Gasförmigem.

Solche Prozesse sind physikalisch aber oft sehr schwer zu untersuchen. Viele von ihnen sind bis heute auf atomarer Skala nicht verstanden. Dadurch wird es schwierig, industrielle Verfahren zu verbessern. Ein neues CD-Labor an der TU Wien, geleitet von Prof. Markus Valtiner (Institut für Angewandte Physik), wird solche Oberflächen- und Grenzschichtphänomene nun genau unter die Lupe nehmen.

Am 27. September 2023 wurde das Labor eröffnet, unterstützt wird es von den Unternehmenspartnern Infineon und Voestalpine sowie vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW).

"Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten sind typisch für anwendungsorientierte Grundlagenforschung", betont Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher. "Tieferes Verständnis für die Chemie von Grenzflächenreaktionen klingt unspektakulär, ist aber die Basis für Innovationen im Halbleiter- und im Stahlsektor - sei es nun für Hochleistungselektronik für erneuerbare Energieerzeugung und -speicherung oder für hochfesten Stahl für leichtere, ressourcenschonende Fahrzeuge. Beide Sektoren sind hochkompetitiv, innovative Verfahren sichern heimische Arbeitsplätze und bringen unserem Standort einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem asiatischen und amerikanischen Raum."

Niemand ist perfekt - auch Oberflächen nicht

Wenn man chemische Reaktionen auf Grenzflächen nur in der Theorie untersucht, mit Papier und Bleistift, hat das Ergebnis mit der Realität oft wenig zu tun. "Oft arbeitet man mit unterschiedlichen Effekten, die auf komplexe Weise ineinandergreifen. Außerdem ist die Oberfläche in der Realität nie perfekt - vielleicht sitzt an manchen Stellen ein Atom, das dort eigentlich gar nicht hingehört", sagt Markus Valtiner. "Das kann einen großen Einfluss auf die Reaktivität der Oberfläche haben. Aber all diese Effekte exakt zu verstehen und vielleicht sogar gezielt zu nutzen, ist eine extrem schwierige Aufgabe."

Markus Valtiner hat allerdings mit solchen Aufgaben viel Erfahrung: Er entwickelte und verbesserte neue Messmethoden, um Oberflächeneffekte auf atomarer Skala zu untersuchen, etwa mit speziell modifizierten Rasterkraftmikroskopen oder verschiedenen spektroskopischen Techniken.

Halbleiter und Stahl

Im neuen CD-Labor sollen nun Erkenntnisse gewonnen werden, die für ganz unterschiedliche Industriebereiche wichtig sind: So möchte man verstehen, wie sich wichtige Halbleitermaterialien wie Siliziumcarbid oder Galliumnitrid beim Verarbeiten im Detail verhalten, um die Qualität mikroelektronischer Schaltungen verbessern zu können.

Außerdem wird man Stahloberflächen analysieren, die ebenfalls noch wichtige Geheimnisse bergen: So weiß man etwa bis heute nicht, warum unterschiedliche Zinkbeschichtungen zu unterschiedlichem Ausmaß von Versprödung führen. Durch Analysen auf atomarer Skala will man dieses Rätsel nun lösen.

Über Christian Doppler Labors

Das "CD-Labor für Oberflächen und Grenzflächen Technologie " wurde am 27. September 2023 offiziell eröffnet. In Christian Doppler Labors wird anwendungsorientierte Grundlagenforschung auf hohem Niveau betrieben. Hervorragende Wissenschaftler kooperieren dazu mit innovativen Unternehmen. Für die Förderung dieser Zusammenarbeit gilt die Christian Doppler Forschungsgesellschaft international als Best-Practice-Beispiel.

Christian Doppler Labors werden von der öffentlichen Hand und den beteiligten Unternehmen gemeinsam finanziert. Wichtigster öffentlicher Fördergeber ist das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW).

Quelle: Technische Universität Wien