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20.05.2024

12.05.2021

Oxidationsstufe Null - Magnesium-Chemie auf den Kopf gestellt

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Die internationale Wissenschaftsgemeinschaft ist sich einig: Die neuesten Ergebnisse eines Forschungsteams der FAU stellen die komplette Magnesium-Chemie auf den Kopf. Die Forschenden haben Magnesium, das in chemischen Verbindungen normalerweise zweifach positiv geladen ist, in der elementaren Oxidationsstufe Null entdeckt. Ihre bahnbrechenden Erkenntnisse veröffentlichten sie in der renommierten Fachzeitschrift Nature.

Magnesium ist im Periodensystem der Elemente ein Metall mit niedriger Elektronegativität: Das heißt, es zieht Elektronen kaum an und verliert bei chemischen Reaktionen beide in der äußeren Schale vorhandenen Elektronen leicht.

In Verbindung mit anderen Elementen kommt es in der Natur daher nur als positiv geladenes Mg2+-Kation vor. In dieser stabilsten Form findet man Mg2+ auch in verschiedenen Mineralien oder in Chlorophyll, dem Farbstoff, der Pflanzen grün macht.

Normalerweise zweifach positiv geladen, nun Oxidationsstufe Null

Das FAU-Team um Prof. Dr. Sjoerd Harder, Lehrstuhl für Anorganische und Metallorganische Chemie, entdeckte nun erste Mg Komplexe, in denen das Metall die Oxidationsstufe Null hat. Oxidationszahlen in chemischen Verbindungen geben die Ionenladung der Atome an, das heißt hier, dass es den Forschenden sozusagen gelungen ist, elementares Mg in Komplexverbindungen zu isolieren.

Wie so oft in der Wissenschaft handelte es sich auch hierbei um eine zufällige Entdeckung: Das Forschungsteam hatte vor, Magnesium-Magnesium-Bindungen zu spalten, um Magnesium-Radikale herzustellen. Bei dieser Synthese wurde Natriummetall eingesetzt. Der Versuchsaufbau sah vor, dass Natrium ein Elektron an Magnesium abgeben sollte. Doch erstaunlicherweise gaben zwei Natrium-Atome Elektronen an Magnesium ab und es bildete sich ein zuvor noch nie beobachteter Mg0-Komplex.

Die Mg-Zentren in diesen Komplexen tragen aufgrund von einer einzigartigen Magnesium-Natrium-Bindung formal sogar eine negative Ladung und reagieren dadurch völlig anders als gewöhnliche Mg2+-Verbindungen. Während die elektronenarmen Mg2+-Kationen Elektronen aufnehmen können, reagiert das elektronenreiche Mg0 wie ein negativ geladenes Anion durch Elektronenabgabe.

Dieser Komplex ist in organischen Lösungsmitteln wie Toluol oder Benzol löslich und ein extrem starkes Reduktionsmittel, also ein Stoff, der Elektronen an einen anderen Stoff abgibt. Bereits leichtes Erhitzen führte in den Experimenten dazu, dass Mg0 seine Elektronen teilweise an das positiv geladene Natrium-Kation abgab, welches hierdurch zu elementarem Natriummetall wurde. Dabei ist Natrium ein Metall, das normalerweise selbst eine starke Tendenz zur Abgabe von Elektronen hat.

Bei dieser Reaktion entstand ein neuartiger Komplex: drei Magnesium-Atome, die sich wie Perlen auf einer Kette hintereinander aufreihen. Dieser dreikernige Magnesium-Cluster reagiert wie atomares Mg und kann als das kleinste Stück Magnesiummetall angesehen werden - ein Stück Metall, das in dieser Form in organischen Lösungsmitteln löslich ist. Diese neue Klasse der Magnesium-Komplexe stellt die Magnesium-Chemie komplett auf den Kopf. Die FAU-Forschenden um Prof. Harder erwarten eine weitere ungewöhnliche Reaktivität dieses löslichen, extrem starken Reduktionsmittels.

» Originalpublikation

Quelle: Universität Erlangen-Nürnberg