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20.05.2024

26.07.2019

Trennung von Wasserstoff und Deuterium in einem Gasgemisch gelungen

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Einer Kooperation zwischen Augsburger Physikern und Chemikern und einem Theorie-Kollegen aus Valencia ist es jetzt gelungen, einen neuartigen Sensor zu entwickeln, der es möglich macht, winzigste Massen und Massenänderungen in Echtzeit nachzuweisen und zur Isotopentrennung zu verwenden.

Forscher an den Augsburger Lehrstühlen für Experimentalphysik I und für Festkörperchemie haben die Nanobeben bzw. die Surface Acoustic Waves-Technologie (SAW) dazu genutzt, ultra-mikroporöse Nanokristallite aus so genannten MOF, das sind metallorganischen Gerüstverbindungen/Metal Organic Frameworks, dann zu wiegen, wenn sie ganz spezifisch mit Gasen beladen werden.

Die Oberflächenwellen registrieren bei ihrem Durchgang durch diese "Nano-Schwämmchen" in kürzester Zeit nicht nur jegliche Massenveränderung der Kristallite sondern auch deren Selektivität. Auf diese Weise konnten die Augsburger Wissenschaftler jetzt die schwierige Trennung der Isotope eines Gasgemischs aus Wasserstoff (H2) und seines natürlichen Isotops Deuterium (D2, "schwerer Wasserstoff") erfolgreich realisieren und nachweisen.

Die MOF sieben, die SAW wiegen

Der Atomkern von Deuterium besitzt im Gegensatz zu Wasserstoff ein zusätzliches Neutron, die Masse von D2 entspricht deshalb etwa der doppelten von H2, allerdings ohne dass sich dabei die Größe der Atome bzw. Moleküle wesentlich ändern würde. Begibt man sich in tiefen Temperaturen, in die Welt der Quanten also, so zeigt sich, dass die MOF-Schwämmchen sich ab 64°K bzw -209°C preferentiell mit D2 vollsaugen. Grund dafür ist ein Quanteneffekt, nach dem diese selektive Gastrennung auch benannt ist: Die MOF agieren unter diesen extremen Bedingungen nämlich als so genanntes "Quantensieb".

Wesentlich für das Quantensieben ist, dass sich das Diffusionverhalten von Gasen bei sehr tiefen Temperaturen und durch Bewegung in einem regelmäßigen Gitter auf den Kopf stellt: In vollständigem Widerspruch zu unseren Alltagserfahrungen beim Sieben bzw. Filtern verteilen sich die schwereren Teilchen im Quantensieb schneller als die leichteren. Und diese Veränderung des Diffusionsverhaltens können die SAW auf einem dazu speziell entworfenen Chip nicht nur sehr schnell, sondern auch mit höchster Präzison erfassen.

Die eine Welle ungehindert über die Chipoberfläche, die andere durch den MOF-Filter

Wie die beigefügte Grafik verdeutlicht, werden dazu im Zentrum dieses Chips zwei akustische Wellen (Nanobeben) per Hochfrequenzsignal (≈)durch einen zentralen interdigitalen Transducer generiert. Die eine der beiden Welle wird über einen unbedeckten, nicht 'sensibilisierten' Teil der Chipoberfläche gejagt, die andere durch den selektiven MOF-Quantensieb.

Beide Wellen breiten sich dabei mit einer extrem hohen Geschwindigkeit von mehreren Kilometern pro Sekunde nach links und rechts zu den beiden Enden des Chips hin aus. Die dünne Schicht aus ultraporösen, metallorganischen Gerüstverbindungen (MOF), durch die die eine Welle hindurch muss, agiert dabei hoch selektiv als Filterschwämmchen für Gase. Unterhalb einer bestimmten Temperatur entsteht aufgrund der oben beschriebenen Quanteneffekte die Selektivität dieses Filters für die schwerere D2-Komponente und ermöglicht dadurch deren effektive Trennung von der H2-Komponente. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten mit denen die quantengesiebte bzw. gefilterte Welle einerseits und die ungefilterte andererseits an den Enden des Chips ankommen, um dort detektiert und miteinander verglichen (x) werden zu können, weisen das Quantensieben in Echtzeit und mit bislang unerreichter Präzision nach.

Echzeit-Detektion von Schadstoffen und Umweltgiften

"Beflügelt von diesen hervorragenden Ergebnissen unserer gemeinsamen Experimente, insbesondere davon, dass uns mit ihnen sogar die extrem schwierige Trennung von H2 und D2 in einem Gasgemisch gelungen ist, sehen wir jetzt eine Vielzahl neuer und industriell sowie gesellschaftlich relevanter Anwendungen voraus", sagt Prof. Dr. Dirk Volkmer, der Chemiker im Team. "Wir werden unsere neuartigen Sensoren nach ihrer Feuertaufe nun für die Echtzeit-Detektion von Schadstoffen und Umweltgiften weiterentwickeln und optimieren."

Der Plan ist, die Sensoren mit einer Vielzahl von unterschiedlich synthetisierten und funktionalisierten MOF-Pixeln zu versehen, die mit dem Miniaturerdbeben auf dem Chip dann selektiv gewogen werden können. Volkmer: "Von solch einer präzisen MOF@SAW-Analyse von Atemluft etwa wird dann auch die medizinische Diagnostik profitieren können."

"Überfälliger" Einzug auch in die Chemie

Für Volkmers Physik-Partner, den Nanowissenschaftler und SAW-Pionier Prof. Dr. Achim Wixforth, ist es eine große Genugtuung, "dass unsere Nanoerdbeben über die Nanoelektronik, die Nanomechanik, die Photonik und die Mikrofluidik für medizinische und biophysikalische Fragestellungen hinaus nun endlich auch Einzug in die Chemie gefunden haben - zumal wir kaum zu hoffen gewagt hätten, dass die Kombination MOF@SAW derart gut funktioniert."

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Quelle: Universität Augsburg