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20.05.2024

03.06.2019

Ein Würfel gefrorenes Licht

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Viele Menschen lachen über die Geschichten der Schildbürger. Einmal vergaßen sie, Fenster in eine Kirche zu bauen. Was schafft Abhilfe? Tageslicht in Säcken zu sammeln und in die Kirche zu tragen, so zumindest die Idee.

Aber die Erfahrung lehrt den Menschen: Licht lässt sich nicht festhalten. Physiker hingegen zeigen, dass das sehr wohl geht - mit ein paar Tricks. Einen neuen, theoretischen Weg dafür hat jetzt Prof. Dr. Klaus Morawetz vom Fachbereich Physikalische Technik der FH Münster errechnet.

"Licht ist als Welle sehr bekannt. Aber wir betrachten Licht auch als eine Menge Teilchen, also umherschwirrende Photonen", sagt Morawetz. "Licht ist einfach so klein, dass wir Physiker uns überlegen müssen, wie wir es sehen wollen."

Von diesem Teilchenhaufen lassen sich beliebig viele entfernen und hinzufügen, ohne dass es Energie kostet. "Wir können die Teilchen also nicht festhalten." Vor zehn Jahren wurde dieses Verhalten der Teilchen aber in einer Gruppe aus Bonn manipuliert, und zwar mithilfe von Farbstoffmolekülen.

Die Forscher um Jan Klärs, Julian Schmitt, Frank Vewinger und Martin Weitz brachten Material mit Farbstoffmolekülen zwischen zwei Spiegel. Die Moleküle nehmen Licht auf, absorbieren es also, und senden das Licht direkt danach wieder aus, emittieren es. "Dieses ständige Wechselspiel aus Absorbieren und Emittieren sorgt dafür, dass die Lichtteilchen plötzlich miteinander in Verbindung stehen, also es jetzt Energie kostet, eins dazuzugeben oder wegzunehmen. Deshalb haben sie jetzt ein chemisches Potenzial", erklärt Morawetz.

Da Lichtteilchen zu den sogenannten Bosonen gehören, mögen sie sich und können alle in einem niedrigsten Energiezustand vorliegen. Diese besondere Eigenschaft ist zum ersten Mal 1995 an Alkali-Atomen gemessen worden. 2001 erhielten Eric Cornell, Carl Wieman und Wolfgan Ketterle dafür den Nobelpreis für Physik - Albert Einstein und sein Kollege Satyendranath Bose hatten dieses Verhalten bereits um 1925 theoretisch vorhergesagt, weshalb das Ergebnis auch als Bose-Einstein-Kondensat bekannt ist.

Eine dieser Eigenschaft wird jetzt benutzt, um das Licht festzuhalten: Die Lichtteilchen bewegen sich nicht mehr, sobald es sehr kalt wird - sie gefrieren also. Deshalb kühlten die Forscher in Bonn die eingesperrten Teilchen herunter und sahen schlussendlich tatsächlich eingesperrtes, gefrorenes Licht, also ein Bosekondensat von Licht.

Morawetz hat sich nun ebenfalls auf das Kondensat konzentriert und einen weiteren theoretischen Weg gefunden, wie man es erzeugen, also Licht einsperren könnte. "Ich mache mir dafür die in der Physik bekannte Möglichkeit zunutze, Licht zu quetschen", erklärt der theoretische Physiker. Licht zu quetschen bedeutet stark vereinfacht, die Schwankungen des Lichts zu verändern. Genauer gesagt entweder die Amplitude oder die Phase der Welle. "Das hat den Effekt, dass die Lichtteilchen - und jetzt sind wir wieder in der anderen Betrachtungsweise von Licht - ebenfalls die Wechselwirkung entwickeln, die es für das Bose-Einstein-Kondensat braucht. Jedoch ohne das ständige Absorbieren und Emittieren, also ohne das besondere Material."

Für seine Theorie berechnete Morawetz auch noch Energieskalen und mögliche Temperaturbereiche, in denen die Quetschung die gleichen Formeln wie die Wechselwirkung liefert. Mehr als ein halbes Jahr hat es dann gebraucht, um auch die Gutachter des Journals zu überzeugen. "Der Vorteil des Gutachter-Systems in referierten Journalen ist, sich jeder kritischen Frage stellen zu müssen.

Das ermöglicht, Fehler zu finden und zu korrigieren, und diese kritische Methode ermöglicht eine wissenschaftliche Entwicklung." Jetzt wird seine Theorie im renommierten Journal Physical Review B (Festkörperphysik) veröffentlicht - und sicherlich von vielen Kollegen diskutiert. "Ob sich diese theoretische Vorhersage bewahrheitet, werden zukünftige Experimente aber erst noch zeigen müssen", sagt Morawetz.

» Originalpublikation

Quelle: Fachhochschule Münster