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20.05.2024

01.04.2019

Hauchdünne, dehnbare Folie als Sinnesorgan für die Technik

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Mensch und Maschine können buchstäblich Hand in Hand arbeiten, in einem Handschuh integriert, vermittelt das neuartige Sensorverfahren dem Computersystem, wie sich Hand und Finger des Trägers gerade bewegen. Damit werden die virtuelle und reale Arbeitswelt eng vernetzt.

Das Forscherteam von Professor Stefan Seelecke (Universität des Saarlandes) setzt als Sensoren dabei lediglich smarte Silikonfolien ein. Weiteres Ziel ist es, dem Träger des Handschuhs durch haptische Signale der Folie wie Klopfen oder Vibrieren zu assistieren. Auf der Hannover Messe zeigen die Ingenieure ihren Handschuh-Prototyp.

Falsches Bauteil. Jetzt muss der Monteur alles, was er zusammengebaut hat, komplett wieder abmontieren. Das kostet Zeit und hält die ganze Produktion auf. Hätte der Computer ihn am Sortierkasten doch nur gewarnt und ihm den Irrtum angezeigt. Aber die Maschine wusste nichts vom Fehlgriff.

Genau dieses Wissen soll der Handschuh, den das Ingenieurteam von Stefan Seelecke von der Universität des Saarlandes entwickelt, dem Computersystem geben. In Kombination etwa mit einer Datenbrille kann es den Arbeiter künftig sehr individuell unterstützen, ihn bei Bau oder Reparatur komplizierter Anlagen führen und Fehler vermeiden.

Die Forscher machen hierbei eine federleichte, anschmiegsame Folie aus elastisch verformbarem Kunststoff zum Sinnesorgan für die Technik: Sie beziehen damit den Stoff eines Arbeits-Handschuhs und machen diesen so zur Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine - ganz ohne schwere Sensoren oder Kameras, alles nur mit einer hauchfeinen Folie, die weder hindert, noch zwickt und nicht bei der Arbeit stört.

"Die Folie ist ein sogenanntes dielektrisches Elastomer. Wir setzen sie im Handschuh als dehnbaren und biegsamen Sensor ein", erklärt Stefan Seelecke, Professor für intelligente Materialsysteme der Saar-Uni, der mit seinem Team auch am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik forscht. Die Silikonfolie ist beidseitig mit elektrisch leitfähigem Material bedruckt: Legen die Forscher hier eine elektrische Spannung an, bewirkt die elektrostatische Anziehung, dass sich die Folie zusammendrückt: Sie weicht dabei zur Seite aus und vergrößert so zugleich ihre Fläche. Damit ändert sich auch die elektrische Kapazität. Das macht die Folie selbst zum Sensor. "Wir können jeder Stellung der Folie, ganz so wie sie sich gerade verformt, exakte Messwerte der elektrischen Kapazität zuordnen", erklärt Steffen Hau, promovierter Ingenieurwissenschaftler aus Seeleckes Team.

Die Ingenieure wissen also genau, wie der Finger die Folie mit seiner Bewegung gerade dehnt, zieht oder drückt. Mit Hilfe von Algorithmen können diese Bewegungsabläufe in einer Regelungseinheit berechnet und in einem Computersystem weiterverarbeitet werden.

In einem nächsten Schritt wollen die Forscher ihr System so weiterentwickeln, dass der Handschuh selbst direkt mit dem Arbeiter kommunizieren kann: über haptische Signale an den Fingern wie Klopfen und Vibrieren. "Dadurch kann der Computer dem Arbeiter etwa durch ein Klopfsignal an den Fingerspitzen mitteilen: Das ist das falsche Bauteil, und durch ein Vibrieren: Das ist jetzt das richtige", erklärt Steffen Hau.

Die dünne Silikonfolie ist nämlich nicht nur Sensor, sondern kann auch klopfen, vibrieren und bestimmte Stellungen halten. Die Forscher können ihre Silikonfolie gezielt ansteuern und die Frequenz und Schwingungen beliebig verändern: vom hochfrequenten Vibrieren bis hin zu stufenlosen Hub- oder Klopfbewegungen. Damit könnte die Folie in Zukunft den Fehlgriff am Sortierkasten verhindern.

Quelle: Universität des Saarlandes